Neues Speicherverfahren für die IBM patentiert:

Der Laser brennt Löcher für Bits

25.08.1978

MÜNCHEN (ma) - Eine neue Möglichkeit der Datenspeicherung mit Hilfe eines Farbstofflasers verbirgt sich hinter dem U.S. Patent 4 101 976, das Wissenschaftlern im IBM-Forschungslaboratorium San Jose jetzt erteilt wurde. Erfinder des "frequenzselektiven optischen Datenspeichersystems" sind George Castro, Dietrich Haarer, Roger Macfarlane und Peter Trommsdorff. Ihr Verfahren beruht auf einem mit "Loch-Einbrennen" umschriebenen photochemischen Prozeß und stellt eine völlig neuartige Methode zur Vergrößerung der Datenmenge dar, die in einem bestimmten Raum gespeichert werden kann.

Dabei wird jedes "Bit" durch seinen Ort im Frequenzspektrum sowie durch seinen Ort im zwei- oder dreidimensionalen Raum bestimmt. Es wäre möglich, viele hundert, ja sogar viele tausend der "frequenzcodierten" Dateneinheiten in einer einzelnen, mikroskopisch kleinen Raumregion zu speichern. Die Größe dieser Regionen könnte so klein sein wie das Auflösungsvermögen des Laserstrahls, das ist eine Abmessung in der Großenordnung von 1 Mikrometer (= 0,001 mm).

Die Erfindung beruht auf der Funktion eines "durchstimmbaren Lasers" - vergleichbar mit der Abstimmung eines Rundfunkgeräts auf einen Sender - der Licht verschiedener Farben ausstrahlt, wobei die Lichtstrahlen bei einer bestimmten Einstellung der Wählscheibe innerhalb eines extrem schmalen Frequenzbands schwingen. Der durchstimmbare Farbstofflaser selbst wurde bereits 1966 von IBM-Forschern erfunden.

Das hochmonochromatische Licht aus einem solchen Laser wird auf eine Probe photoreaktiven Materials gerichtet, das bis auf wenige Grade oberhalb des absoluten Nullpunkts gekühlt wurde. Dieser Vorgang bewirkt eine chemische Änderung in einem sehr kleinen Prozentsatz der Probenmoleküle - und zwar eben derjeniger, deren räumliche Anordnung es ihnen gestattet, Energie auf der Frequenz des Laserlichts zu absorbieren.

Als Folge der chemischen Reaktion werden die frequenzselektierten Moleküle in eine neue Verbindung umgewandelt und es verbleiben keine der ursprünglichen Moleküle, die Licht auf der Frequenz absorbieren könnten, das die Reaktion bewirkt hat. Die Erscheinung läßt sich in der Bildung einer Lücke oder eines "Lochs" in einem der optischen Absorptionsgipfel beobachten - daher die Bezeichnung "Locheinbrennen".

Man kann diese Absorptionsgipfel als Merkmale eines graphischen "Fingerabdrucks" ansehen, der einen Stoff vom anderen unterscheidet. Sie treten auf, wenn Lichtwellen oder eine andere Form von Strahlungsenergie bestimmte Atome zur Absorption eines Teils der Strahlung veranlassen und schwingen im Einklang mit den Wellen der Strahlung. Die Erscheinung kann mit den Resonanzschwingungen verglichen werden, die als Folge von Schallwellen einer bestimmten Frequenz in einer Stimmgabel gebildet werden.

Bei Versuchen, mit denen die Eignung des Locheinbrennverfahrens zur Datenspeicherung festzustellen war, konnten die IBM-Wissenschaftler ein Loch einbrennen, dessen Breite (in Frequenzeinheiten) kleiner war als ein Tausendstel der Breite des Absorptionsgipfels, in dem es auftrat - eine der feinsten optischen Erscheinungen, die je in einem Feststoff beobachtet werden konnte.

Hinzu kommt, daß der Gipfel im Verhältnis zur Laserfrequenz genügend breit ist zum Einbrennen von tausend nebeneinanderliegenden Löchern. Das kann in einer Folge geschehen, indem der Laser einfach auf tausend verschiedene Farben oder Frequenzen abgestimmt wird. Die "Einer" und "Nullen", mit denen die Daten codiert im Computer gespeichert werden, können dann durch die Gegenwart oder das Fehlen von Löchern im Absorptionsgipfel bei den jeweiligen Frequenzen dargestellt werden. Anschließend kann die gespeicherte Information wieder gelesen werden, indem die Laserenergie reduziert und die Frequenz in demselben Bereich, wie er zum Schreiben verwendet wurde, variiert wird.

Die bei der IBM untersuchten photoreaktiven Moleküle sind in organischen Flüssigkeiten oder Polymeren enthalten, die bei sehr niedrigen Temperaturen und in schwachen Konzentrationen in Reagenzgläsern eingefroren sind. Dabei kommen etwa 10 photoreaktive "G(...)moleküle" auf eine Million Moleküle (...) Trägersubstanz. Innerhalb der organischen Matrix nimmt jedes photoreaktive Molekül eine Zufallsorientierung ein und so ist es gerade diese Zufälligkeit, die den "inhomogenen" Absorptionsgipfel mit seinem glockenförmigen Umriß erzeugt, wie man ihn als Gaußsche Glockenkurve aus der Verteilungstheorie kennt. Dieser Gipfel ist tatsächlich nichts anderes als die Hüllkurve über viele sich überlappende Nadelspitzen, die "homogene" Absorptionsbanden genannt werden, und von denen jede der Resonanz von photoreaktiven Molekülen entspricht, die eine bestimmte räumliche Orientierung in der Matrix der organischen Flüssigkeit haben.

Um nun längs der Breite eines inhomogenen Gipfels Platz für die vielen Löcher zu haben, muß die Breite der homogenen Gipfel so schmal wie möglich gehalten werden. Da nun diese Breite direkt mit der Wärmebewegung der Moleküle zusammenhängt, muß die Substanz auf eine Temperatur in der Nähe des absoluten Nullpunkts abgekühlt werden - die Temperatur, bei der die Wärmebewegung aufhört.

Entsprechend der Patentschrift wäre eine mögliche Nutzung eines auf der Locheinbrennung beruhenden Speichersystems eine Anordnung winziger Blöckchen oder Zellen eines photoreaktiven Materials auf einer tragenden Struktur. In einem solchen Locheinbrennsystem beträgt die Speicherdichte 100 Millionen pro Quadratzentimeter, wenn die Elemente dicht gepackt sind und jedes ein Mikrometer Durchmesser hat. Bei 1000 Bits, die sich in jedem Element speichern ließen, würde der Speicherinhalt des menschlichen Gehirns, das auf 1000 Billionen (1015) Bits geschätzt wird, auf einer Speicherfläche von einem Quadratmeter Platz finden.