Der lange Weg zum Quasi-Monopolisten

20.07.2010
Vorsprung durch Technik? Die Erfolgsstory von Windows ist eher eine Mischung aus Strategie, Glück und Zufall sowie Unfähigkeit der Konkurrenz. Nur selten gab eine rein qualitative Überlegenheit den Ausschlag.

Als Microsoft 1985 die erste Version von Windows präsentierte, war das Unternehmen nur eine von vielen Softwareschmieden, die auf dem noch jungen PC-Markt ihr Glück versuchten. So stand das Unternehmen im Wettbewerb mit Firmen wie Borland (Quattro Pro), Lotus (Lotus 1-2-3), Digital Research (DR DOS), Samna (Ami Pro), Wordperfect Corp. (Wordperfect) und Novell (Netware), um nur einige zu nennen.

Dennoch gelang es Microsoft, diese Konkurrenten, obwohl sie in ihren jeweiligen Segmenten häufig die technische Marktführerschaft innehatten, auszustechen. Im Kampf um Marktanteile war der Konzern oft nicht zimperlich und trickste schon einmal einen Partner aus, schnürte aus verschiedenen Produkten Lösungspakete, drückte neue Produkte zu Dumping-Preisen oder kostenlos in den Markt, übte sanften Druck auf Partner aus und erhob Schnittstellen zum Staatsgeheimnis, um Wettbewerbern die Softwareentwicklung zu erschweren. Zur Ehrenrettung des Konzerns ist allerdings auch anzumerken, dass etliche Konkurrenten den tiefen Schlaf der Gerechten schliefen und häufig erst aufwachten, als der Newcomer aus Redmond sie vom Thron gefegt hatte, weil sie etwa die Bedeutung von Windows total unterschätzt hatten.

Der Weg zum Quasi-Monopol war auch von Glück geprägt. Noch als Windows nur eine grafische Benutzeroberfläche unter vielen war, erkannte das Unternehmen schnell, dass die Kunden weniger am GUI interessiert sind, sondern vielmehr an den Programmen, die ihnen einen zusätzlichen Nutzen offerieren. Um Windows salonfähig zu machen, legte die Company etwa dem Pagemaker eine kostenlose Runtime-Version von Windows bei und hatte damit den ersten Coup gelandet. In einer Zeit, als Desktop Publishing eine Domäne der teuren Apple-Rechner war, stellte die Kombination aus PC und Pagemaker eine kostengünstige Alternative dar. Die speziell an Windows angepassten Programme Excel und Winword waren dann ein weiterer Schritt, um das Betriebssystem in der Business-Welt populär zu machen.

Fragwürdiges Geschäftsgebaren

Wenig gentlemanlike war Microsofts Geschäftsgebaren 1990 im Zusammenhang mit der Einführung von Windows 3.0. Entwickler, die Zugriff auf die Schnittstellenspezifikationen (APIs) erhalten wollten, mussten Nondisclosure Agreements (NDAs) unterschreiben, in denen sie sich verpflichteten, mehrere Jahre keine Software für Konkurrenzprodukte zu entwickeln. Und die Hardwarehersteller nahm Microsoft mit einem raffinierten Rabattsystem an die Kandare. Wer unterschrieb, dass er für jeden ausgelieferten PC Lizenzgebühren entrichten werde – egal ob Windows installiert war oder nicht –, erhielt besonders attraktive Rabattangebote. Kein Wunder, dass diese Hersteller wenig Interesse hatten, alternative Betriebssysteme zu ent wickeln.

Um Windows zum endgültigen Durchbruch zu verhelfen, sprang Microsoft auch mit Partnern wenig zimperlich um, wie etwa IBM erfuhr. Gemeinsam mit Big Blue entwickelte Microsoft 1987 OS/2 Version 1.0. Beide Unternehmen teilten sich die Arbeit: Big Blue zeichnete für die Benutzeroberfläche verantwortlich, während Microsoft den Kernel baute. Bis zur Version 2.0 funktionierte die Kooperation. Angesichts des Erfolgs von Windows 3.0 (1990 vorgestellt) orientierte sich Microsoft bei den Programmierschnittstellen für OS/2 Version 3.0 jedoch an Windows. Ein Schritt, der das Vertrauen der Partner nachhaltig störte.

Vom Partner zum Konkurrenten

Die Krise endete damit, dass Microsoft 1991 die Kooperation aufkündigte. IBM entwickelte OS/2 in Eigenregie weiter und veröffentlichte 1994 OS/2 Warp. Obwohl das System Windows technisch überlegen war, setzten die Anwender weiterhin auf Microsofts Plattform und ließen sich von der Ankündigung, dass eine künftige Version 16- und 32-Bit-Welt vereinen werde, verführen.

Nach der Trennung von IBM arbeitete Microsoft an einem eigenen Nachfolger für OS/2, der als Windows NT 3.1 in den Markt eingeführt wurde. NT dürfte wohl die von der Konkurrenz am meisten unterschätzte Windows-Version sein. Anfangs ob der grafischen Benutzeroberfläche mitleidig belächelt, machte es schnell den Unix-Workstations und -Servern den Platz in der Unternehmens-IT streitig. Und der Firma Novell brach NT letztlich das Genick. Sie hatte sich zu stark auf die Microsoft-Werbung verlassen, die NT als Application Server anpries. Damit übersahen sie die Bedrohung, die NT für Netware darstellte.

Showdown zweier Marktführer

Anfang der 90er Jahre zeichnete sich der kommende Showdown zwischen zwei Quasi-Monopolisten ab: Novell als Marktführer in der PC-Vernetzung wollte im Desktop-Bereich Fuß fassen, während Microsoft seine Fühler in Richtung Server-Betriebssysteme ausstreckte. Die Auseinandersetzung zwischen beiden Firmen begann 1991, als Novell Digital Research kaufte. Kurz nach dem Kauf verklagte Novell-Gründer Ray Noorda Microsoft, weil dessen Windows 3.1 eine vorgetäuschte Fehlermeldung hervorbrachte, wenn es auf einem PC anstelle von MS-DOS die DR-DOS-Version vorfand. Kurz vor Prozessbeginn verglichen sich die Kontrahenten, und Microsoft zahlte 200 Millionen Dollar. Doch die Fronten zwischen beiden Unternehmen verhärteten sich weiter. Während Microsoft an Windows NT arbeitete, kaufte Novell 1993 fleißig zu: Mit Unixware (von AT&T) attackierte Novell direkt den Frischling NT. Gleichzeitig bedrohten die Netzwerker Microsofts Vormachtstellung auf dem Desktop, als sie die Textverarbeitung Wordperfect kauften und von Borland die Tabellenkalkulation Quattro Pro übernahmen.

Allerdings begingen die Netzwerker einen strategischen Fehler, als sie die Bedeutung von Windows unterschätzten. So war Wordperfect zu DOS-Zeiten der De-facto-Standard in Sachen Textverarbeitung. Eine Stellung, die Novell verspielte, als man Wordperfect zu spät auf Windows portierte und das Programm anfangs nur sehr instabil auf dieser Plattform lief. Des Weiteren stufte Novell die Attraktivität der NT-Plattform als Applikations-Server und Netz-Betriebssystem zu gering ein. Obwohl NT Server mit den Altlasten des Microsoft LAN Managers Netware in Sachen Stabilität, Skalierbarkeit und Directories anfangs nicht das Wasser reichen konnte, gewann die Plattform schnell Kunden. Zumal Novell nichts entgegenzusetzen hatte, denn das angekündigte SuperNOS, das als Gegenstück zu NT aus Netware und Unixware entstehen sollte, verzögerte sich immer wieder. Als Novell dann noch den Trend zu TCP/IP-basierenden Netzen verschlief, während Windows NT mit einer einfachen TCP/IP-Integration aufwartete, waren die Tage von Netware gezählt.

Der Browser-Krieg

Auf dem langen Weg zum Quasi-Monopol kam Microsoft nur einmal ernsthaft in die Bredouille: Mitte der 90er Jahre verschlief das Unternehmen den beginnenden Siegeszug des Web. Innerhalb kurzer Zeit stieg die 1994 gegründete Netscape Communications Corp. mit ihrem im gleichen Jahr vorgestellten Net scape Navigator zum Browser-Marktführer auf. Fast noch bedrohlicher als der Browser, den das Unternehmen kostenlos abgab, war für Microsoft das Geschäftsmodell der Company: Mit dem unentgeltlichen Browser-Frontend sollte im B2B-Geschäft der Server-Absatz angekurbelt werden – was ein Angriff auf Microsofts NT-Server-Familie war.

Einmal aufgewacht, reagierte Microsoft schnell und präsentierte 1995 mit dem Internet Explorer seinen eigenen Browser, der ebenfalls kostenlos war. In der Folge verknüpfte Microsoft den Browser immer stärker mit dem Betriebssystem, so dass die Installation alternativer Browser oft nicht einfach war. Gleichzeitig wurde der www-Standard HTML mit eigenen proprietären Erweiterungen verbunden. Wer dabei zuerst gegen die HTML-Standards verstieß, mag dahingestellt bleiben – auch Netscape war kein Kind von Traurigkeit, wenn es um eigenmächtige Standarderweiterungen ging. o