Der Lack ist ab vom Statussymbol Datenverarbeitung

26.03.1982

Zum Sorgenkind scheint sich die Datenverarbeitung in vielen Unternehmen entwickelt zu haben. Insbesondere die Fachbereiche meinen, daß sich die DV-Abteilung in den letzten Jahren zu einem Wasserkopf entwickelt habe. Vor allem aber zwinge der verstärkte Einsatz von Mikrocomputern die Verantwortlichen, ihre DV-Konzeption neu zu überdenken. Ausgelöst durch die "Krauss-Maffei-Story" (siehe CW Nr. 10/82, Seite 1), wird erneut eine Diskussion angeheizt: Rückkehr zum Timesharing, Auslagerung des Rechenzentrums oder Verteilung der DV-Aufgaben in die Fachbereiche? Die Frage nach einem eigenen RZ oder einer "Außer-Haus-DV" ist nach Meinung von Rainer Jung nicht zuletzt ein Imageproblem. Spöttelt der Datema-Mitarbeiter: "The difference between a man and a boy is the price of their toy." ih

Rainer Jung, Datema, Gesellschaft für Datenverarbeitung mbH, Frankfurt

Die augenblickliche wirtschaftliche Situation in der Bundesrepublik und das Stichwort "Rationalisierung" zwingen sicherlich viele Unternehmen, nach neuen Wegen zu suchen.

Wir, als EDV-Service-Unternehmen mit einer Vielzahl von Rechenzentren mit IBM-Großcomputern europaweit, verzeichnen augenblicklich eine zunehmende Bereitschaft auch von Großunternehmen, via Timesharing spezielle Anwendungen außer Haus zu fahren Sehr oft handelt es sich hierbei um Anwendungen, die entweder die eigenen Ressourcen

erfordern würden oder die - bei Anwendungen aus den Bereichen der Unternehmensplanung und dem Management - aus organisatorischen Gründen nicht in das eigene EDV-Konzept passen.

Daneben sind wir augenblicklich tatsächlich mit dem Problem konfrontiert, ein komplettes Rechenzentrum beziehungsweise DV-Abteilung anwenderspezifisch zu übernehmen. Dies ist jedoch nur insoweit möglich, als entsprechende Hardwarekapazitäten vorhanden sind. Datema kann dies positiv beantworten.

Unabhängig von der aufgezeigten Entwicklung muß man jedoch nach meiner Auffassung drei verschiedene Situationsmodelle unterscheiden:

- Großunternehmen mit eigenen Rechenzentren werden in der Zukunft gezwungen sein, Vorhandene Kapazitäten optimal auszunutzen, das heißt organisatorisch, personell und hardwaremäßig eine Konzentration zu erreichen, die dem Rotstift am geeignetsten entgegenkommt. Jedoch ist zu vermuten, daß man auf ein eigenes RZ nicht verzichten kann und wird.

- Der verstärkt zu verzeichnende Einsatz von Klein- und Mikrocomputern wird zu einem Umdenken in der EDV-Konzeption zwingen. Mittelbetriebe werden in der Zukunft nicht mehr zum Abnehmerkreis von Großcomputern gehören. Auch die Hersteller haben ihre Verkaufsstrategien entsprechend ausgerichtet. Allerdings stellt sich augenblicklich die Software in diesem Zusammenhing als ein großes Problem dar. Eine Chance für Beratungs- und Serviceunternehmen.

- Auch Kleinunternehmen sind, bedingt durch die wirtschaftliche Situation, darauf angewiesen, Informationen schnell und korrekt zu erhalten, um überhaupt wettbewerbsfähig zu bleiben. Hier wird sicherlich ein Trend zur verstärkten Zusammenarbeit mit Serviceunternehmen zu verzeichnen sein. Die Frage, ein eigenes RZ aufzubauen beziehungsweise aufzulösen, beantwortet sich hier selbst.

Ich möchte es jedoch hier nicht versäumen, darauf hinzuweisen, daß die Frage "Eigenes RZ oder nicht" auch eine Imagefrage ist.

Meine Antwort: "The difference between a man and a boy is the price of their toy!"

Henry F. Sherwood, Sherwood 8 Associates GmbH, Bad Homburg

Ich bezweifle sehr, ob die Unternehmen zum Timesharing zurückkehren möchten, jedenfalls im kommerziellen Bereich. Der Grund ist das Kosten-/Leistungsverhältnis der sogenannten Minis, nicht zu sprechen von den Mikros. Auch die Möglichkeit, seine Datenverarbeitung an eine Beratungsfirma zu übergeben - im Sinne von Facility Management - ist sehr gering. Wir würden es nicht empfehlen, da die Firma trotz allen Versprechungen sozusagen die Kontrolle über ihre Datenverarbeitung verlieren würde. Das Unternehmen ist mehr denn je an die Datenverarbeitung gebunden. Es konnte gefährlich werden, diese Arbeiten in fremde Hände zu geben, wobei Datenschutz nur ein Grund ist. Darüber hinaus müssen besonders in der Bundesrepublik die Kommunikationskosten die dadurch entstehen, in Erwägung gezogen werden. Diese Kosten sind in Deutschland etwa dreimal so hoch wie in Holland oder USA.

Die Geschäftsleitung muß Wege finden, um die Effizienz ihrer Datenverarbeitung zu erhöhen. Einmal besteht die Möglichkeit, die DV-Aufgaben in die Fachabteilungen zu verlagern, und zwar als verteilte Datenverarbeitung. Es gibt verschiedene Stufen der Verteilung mit absoluter Kontrolle vom Host runter bis hin zur völligen Dezentralisierung.

Wie weit das geht, ist mehr eine organisatorische oder sogar politische als eine technische Frage. Es gibt kaum Unternehmen, bei denen eine Überprüfung des Informationswesens - die Datenverarbeitung ist ja nur ein Teil davon - nicht finanzielle Einsparungen mit sich bringt. Der Rotstift kann angesetzt werden, ohne dadurch Leistungen zu gefährden. Für mich gibt es eher die elektronische Papierfabrik als die elektronische Datenverarbeitung. Es wäre wichtig, mal in die Fachabteilungen zu gehen und zu fragen, was mit dem Papier geschieht. Die Fachabteilung spielt dabei eine entscheidende Rolle.

Der Aufgabenbereich der sogenannten zentralen Datenverarbeitung befindet sich meines Erachtens in einer Änderungsphase. In den nächsten fünf bis zehn Jahren wird die zentrale Datenverarbeitung nicht verschwinden, aber der Aufgabenbereich wird sich ändern. Einerseits wird die Verflechtung der EDV mit dem Kommunikationswesen und der Büroautomation neue Aufgaben mit sich bringen. Man wird bald nicht mehr von der EDV, sondern der EV sprechen müssen. Andererseits: In den Bereichen, in denen vielleicht jetzt noch die gesamte Datenverarbeitung zentral verarbeitet wird, werden die Aufgaben mehr und mehr an die Fachabteilungen mit ihren eigenen Rechnern zurückgegeben werden. Die zentrale Datenverarbeitung bleibt hauptsächlich für drei Bereiche: einmal die Verarbeitung zentraler Verwaltungsaufgaben, zweitens für die Spitzen- beziehungsweise Überbelastung von draußen und drittens für Aufgaben, die zu groß sind für die relativ kleinen dezentralisierten beziehungsweise verteilten Datenverarbeitungen. Wir haben bei unserer Beratung in der Vergangenheit auch Fehler gemacht, wenn wir die zentrale Datenverarbeitung empfohlen haben und nicht an die Spitzenzeiten dachten.

Die Datenverarbeitung ist auch als Statussymbol zu sehen. Es ist in Amerika nicht viel anders, nur wird dort konsequenter gehandelt. In einer Rezession, wie sie drüben erlebt wird, existiert dieses Phänomen fast nicht mehr, weil man es sich nicht leisten kann. Außerdem wurde in den erfolgreichen Unternehmen der Datenverarbeitungs-Klerus einfach durch Manager ersetzt, die vielleicht nicht viel von der Datenverarbeitung verstehen, aber gute Manager sind. Sie können mit ihren Abteilungsleitern auskommen, und es geht ihnen nur um Leistung, kosteneffektive Leistung. Diese Tatsache hat man in Deutschland noch nicht erkannt. Diese Situation wird sich aber auch in Europa langsam ändern. Das Topmanagement wird von den Datenverarbeitungsleitern Begründungen verlangen, besonders, wenn Kosten steigen, und zwar in einer Sprache, die sie auch verstehen.

Es gibt viele Beschäftigte vom Datenverarbeiter abwärts, die sich der Datenverarbeitung gegenüber loyaler verhalten als gegenüber dem Konzern. Wenn sich dieses Verhalten nicht ändert, wird es Schwierigkeiten mit der Wettbewerbsfähigkeit der betroffenen Unternehmen geben.

Zusammenfassend möchte ich sagen, daß die Auslagerung der gesamten EDV nicht in Betracht gezogen werden sollte.

Es handelt sich um keine Schwarzweiß-Angelegenheit, denn einerseits sollte nicht die gesamte EDV, die heute meistens zentral geführt wird, ausgelagert, andererseits sollte der Status-quo-Zustand auch nicht so gelassen werden.

Die Dezentralisierung - also die Verteilung der Datenverarbeitung an die Fachbereiche könnte immerhin eine Lösung sein.

Wolfgang Koppmeyer, Hauptabteilungsleiter Org./DV, Schubert & Salzer AG, Ingolstadt

Das Auslagern von Datenverarbeitungsbereichen ist sicherlich eine Lösung, die zukünftig auch in Deutschland wesentlich mehr praktiziert werden muß. Die großen Softwarepakete besorgt man sich heute sowieso schon fremd, warum nicht auch die größere Nutzung der Hardware. Diese Bereiche der DV sollten an Firmen gehen, die wirklich Datenverarbeitung betreiben können. Es gibt eine eindeutige Tendenz: Wir haben zu wenig DV-Spezialisten. Die Ausbildung ist nicht gut genug, wirkliche Könner und Macher fehlen.

Was will man beispielsweise in einem Maschinenbauunternehmen mit einer DV, wenn sie nicht rationell die Prozesse in die Fachbereiche einsteuert und auch das Personal rationell einsetzt. In den Fachbereichen ist das Personal reduziert worden und in den Datenverarbeitungsbereichen sind Mitarbeiter, die teilweise vom finanziellen Aspekt her hochqualifiziert waren, angesammelt worden. Die Fachbereiche sind im Grunde genommen heute nach wie vor der Meinung, die Datenverarbeitung wäre innerhalb eines Unternehmens sowieso ein Wasserkopf. Obwohl viel zum gegenseitigen Verständnis getan wird und Fachbereiche geschult werden, kommt der Aspekt dazu, daß die Fachbereiche ein bißchen technikfeindlich oder besser ausgedrückt datenverarbeitungsängstlich sind.

Ein weiterer Punkt ist, daß immer mehr Aufgaben. auf die Rechenzentren zukommen. Einige - noch nicht weit entwickelte - können sich retten, indem sie Kostenrechnungsprogramme, Materialwirtschaft und anderes auf ihre Anlage nehmen und dadurch rationell arbeiten. Aber Datenverarbeitung heißt heute die kommerziellen Programme zu steuern und gleichzeitig die Textverarbeitung, das COM, das CAD/CAM zu integrieren.

Je mehr aber diese Integration fortschreitet, um so unflexibler wird das Rechenzentrum. Es gibt keine wechselwilligen qualifizierten Kräfte auf dem Markt, die diese komplizierten Zusammenhänge noch erkennen und auch managen können. Um einen Überblick zu erhalten, wendet man sich an einen Headhunter, der einen qualifizierten Mann besorgt. Dieser bleibt dann ein halbes Jahr oder länger; bis er merkt, daß es sich um einen Schleudersitz handelt. Denn in den Unternehmen möchte man zwar einen qualifizierten DV-Leiter, gibt ihm aber weder die Prokura noch den notwendigen Sitz in der Geschäftsleitung. Ein DV-Leiter, der Manager-Qualitäten besitzt, wandert irgendwann ins Controlling. Dort hat er die Möglichkeit, in die Geschäftsleitung hineinzukommen, oder er macht sich als Berater selbständig.

Was Krauss-Maffei gemacht hat, ist sehr konsequent. Sie haben den richtigen Mann nicht gefunden und wollen zu MTU, München, gehen. MTU betreibt nach meinem Kenntnisstand eine Datenverarbeitung für das Jahr 1990 oder sogar für das Jahr 2000. Dieser Idee könnten eventuell auch andere Unternehmen folgen, und zwar weil sie gezwungen sind und nicht, weil sie wollen. Dabei muß man abwägen: Auf der einen Seite ist es wirtschaftlich, auf der anderen Seite verliert die Unternehmensleitung die Kontrolle über die Datenverarbeitung.

Für viele Unternehmen ist ihre DV inzwischen zum Sorgenkind geworden. Der Status-quo-Zustand muß dringend verbessert werden.