Social Media Marketing für KMUs

Der Kunde - das bekannte Wesen

10.04.2014
Von 
Jan-Bernd Meyer betreute als leitender Redakteur Sonderpublikationen und -projekte der COMPUTERWOCHE. Auch für die im Auftrag der Deutschen Messe AG publizierten "CeBIT News" war Meyer zuständig. Inhaltlich betreute er darüber hinaus Hardware- und Green-IT- bzw. Nachhaltigkeitsthemen sowie alles was mit politischen Hintergründen in der ITK-Szene zu tun hat.

Kaum Ahnung vom Social Web

Noch problematischer sind die Gründe, warum sich Kleinbetriebe den sozialen Medien verweigern. Mitarbeiter seien mit sozialen Netzen nicht vertraut, der Zeitaufwand sei groß und der Nutzen unklar. Die Studienautoren empfehlen dagegen eindeutig: Die unternehmerische Haltung in Sachen Nutzung sozialer Medien muss proaktiv, risikobereit und innovativ werden.

Wie wenig zielgerichtet soziale Medien genutzt werden und wie marginal auch die Strategien sind, ihre Inhalte für den Geschäftserfolg gezielt auszuwerten, zeigt die Studie ebenfalls.

Knapp zwei Drittel aller Unternehmen, die soziale Netzwerke nutzen, hätten kein Controlling-System, das den Erfolg der Unternehmen in sozialen Netzwerken misst. "Damit verpassen diese Unternehmen die Chance, ihre Aktivitäten auf Basis einer regelmäßigen Überprüfung zu verbessern", mahnen die Wissenschaftler. Aber auch das Drittel der Unternehmen, das die Aktivitäten in sozialen Netzwerken fortlaufend überprüft, kommt im Urteil nicht viel besser davon: Sie nämlich würden "vorwiegend die Anzahl der Klicks auf ihren Seiten, die erhaltenen Freundschaftsanfragen sowie die Anzahl der Nutzerkommentare" messen. Nur wenige würden sich die Mühe machen, genau zwischen positiven und negativen Kommentaren zu unterscheiden. Damit vergeben sie die Chance der "qualitativen beziehungsweise inhaltlichen Überprüfung des Kunden-Feedbacks".

Der Kunde entwickelt mit

All diese Erkenntnisse sind erstaunlich vor dem Hintergrund anderer Ergebnisse, die die Gemeinschaftsstudie herausfilterte: Gefragt, wozu sich soziale Netzwerke eignen, vertritt eine Mehrheit (70 Prozent) der teilnehmenden Entscheidungsträger die Meinung, dass "soziale Netzwerke sich zur Identifikation neuer Produkt- und Dienstleistungsideen durch die Kommunikation mit externen Personen eignen". 63 Prozent, also fast zwei Drittel, sind der Ansicht, mit sozialen Netzwerken sei es möglich, "neue Produkte und Dienstleistungen schneller in den Markt einzuführen". Auch "die Diskussion und Bewertung neuer Produkte und Dienstleistungen" erkennen die Verantwortlichen weit überwiegend (74 Prozent) als Chance, wie neue Kommunikationskanäle ausgeschlachtet werden können (siehe Grafik Seite 18: "Wofür eignen sich ..."). Adidas beispielsweise nutzt das Feedback aus dem Social Web längst für die Einführung neuer Produkte.

Innovative Ideen freigesetzt

Obwohl also die entscheidenden Personen in den Unternehmen sagen, dass die Einbeziehung von Kundenideen und -meinungen aus sozialen Netzen innovative Kräfte freisetzt, spielen sie diese Karte in den meisten Fällen nicht aus. Stattdessen denken sie das Social Web wie ein klassisches Push-Medium. So wollen 92 Prozent der Befragten durch soziale Netze in erster Linie den Bekanntheitsgrad ihres Unternehmens steigern. Die Analysten interpretieren den Wert so, dass die Befragten damit schon "ihr vorrangiges Ziel für die Nutzung sozialer Netzwerke zu erreichen glauben".

Mehr aber auch nicht, möchte man hinzufügen. Die Möglichkeit, mit Hilfe der sozialen Kommunikationsplattformen die eigenen Produkte und Geschäftsprozesse durch konstruktives Feedback zu verbessern, scheint den Studienteilnehmern noch fremd.

Sehr ambivalent sind die Einstellungen der Entscheider, wenn es um Imagefragen geht. Einerseits glaubt zwar nur knapp die Hälfte der Befragten (48 Prozent), dass sie mit Hilfe sozialer Netzwerke das Image ihres Unternehmens verbessern können. Andererseits aber befürchten - nicht zu Unrecht - fast zwei Drittel (72 Prozent), dass negative Kommentare über das eigene Unternehmen in öffentlichen Foren große Imageschäden anrichten können.

Mund zu Mund war gestern

Eine vom Marktforschungsunternehmens IDC gemeinsam mit Questback erarbeitete Studie macht klar, in welcher Zwickmühle Unternehmen heute noch beim Umgang mit sozialen Medien stecken. Chief Marketing Officers (CMOs) wurden zu den großen Herausforderungen befragt, die sie beim Umgang mit den Internet-Kommunikationskanälen zu gewärtigen hätten. Die Ergebnisse bestätigen die Untersuchung der drei Forschungsinstitute.

Claudine Petit, Head of Marketing Central Europe bei Questback, formuliert es so: "Die Kunden von heute sind emanzipierter, mobiler und aktiver. Sie erwarten mehr und sind durch das Internet bestens informiert." Die Kunden suchten selbständig nach Produkten und Dienstleistungen, die ihren Bedarf stillten. Das geschehe schon "lange, bevor Unternehmen diese Nachfrage kennen und das entsprechende Angebot zur Verfügung stellen können".

Ziel der Unternehmen muss es sein, dieses Verhältnis umzudrehen. Sie sollten anstreben, die Bedürfnisse der Kunden zu erkennen, noch bevor sich diese ihrer Wünsche bewusst werden. Noch ist das überwiegend Theorie - allerdings wird sie in Teilen heute schon in die Praxis umgesetzt. Das Social Web ist das Instrument, dass dabei entscheidend helfen kann.

Der entscheidende Faktor, der sich im Kräfteverhältnis zwischen Unternehmen und Kunden geändert hat, ist laut Petit die Reichweite, die Kundenäußerungen heute erzielen. Meinungen, die sie über Produkte und Unternehmen abgeben, können im Extremfall blitzschnell ein Millionenpublikum erreichen - zumindest theoretisch.

Good news, bad news

Wo früher über Mundpropaganda mehr oder weniger mühselig eine Botschaft an ein auf den Bekanntenkreis begrenztes Umfeld übermittelt werden konnte, kann sich der Konsument heute in Sekundenschnelle weltweit Gehör verschaffen. "Ein gutes oder schlechtes Erlebnis wird schnell über Facebook, Twitter, Blogs etc. in der Welt verbreitet", sagt Petit. Das sei Segen und Fluch zugleich.

Unternehmen bekämen zwar durch Social-Media-Monitoring schneller Feedback von ihren Kunden: "Aber dieses Feedback der Kunden erreicht auch direkt den Rest der Welt." Die Tatsache, dass sie den Informationsfluss kaum oder nur mit großem Aufwand halbwegs kontrollieren können, beunruhigt die meisten Unternehmen, wie die KMU-Untersuchung belegt.

Die Gretchenfrage ist nun, wie Firmen "von der Schnelligkeit und dem Mitteilungsbedürfnis ihrer Kunden profitieren und dieses wichtige Feedback für sich nutzen können". Die Antwort, so Marketing-Expertin Petit, liege eigentlich nahe: Die Betriebe müssten beginnen, systematisch "Realtime-Feedback-Kanäle zwischen Kunden und Unternehmen zu etablieren und dieses Feedback zu konsolidieren, auszuwerten und zu managen". Genau das aber geschieht im deutschen Mittelstand bis heute kaum.