Kaum Ahnung vom Social Web
Noch problematischer sind die Gründe, warum sich Kleinbetriebe den sozialen Medien verweigern. Mitarbeiter seien mit sozialen Netzen nicht vertraut, der Zeitaufwand sei groß und der Nutzen unklar. Die Studienautoren empfehlen dagegen eindeutig: Die unternehmerische Haltung in Sachen Nutzung sozialer Medien muss proaktiv, risikobereit und innovativ werden.
Wie wenig zielgerichtet soziale Medien genutzt werden und wie marginal auch die Strategien sind, ihre Inhalte für den Geschäftserfolg gezielt auszuwerten, zeigt die Studie ebenfalls.
Knapp zwei Drittel aller Unternehmen, die soziale Netzwerke nutzen, hätten kein Controlling-System, das den Erfolg der Unternehmen in sozialen Netzwerken misst. "Damit verpassen diese Unternehmen die Chance, ihre Aktivitäten auf Basis einer regelmäßigen Überprüfung zu verbessern", mahnen die Wissenschaftler. Aber auch das Drittel der Unternehmen, das die Aktivitäten in sozialen Netzwerken fortlaufend überprüft, kommt im Urteil nicht viel besser davon: Sie nämlich würden "vorwiegend die Anzahl der Klicks auf ihren Seiten, die erhaltenen Freundschaftsanfragen sowie die Anzahl der Nutzerkommentare" messen. Nur wenige würden sich die Mühe machen, genau zwischen positiven und negativen Kommentaren zu unterscheiden. Damit vergeben sie die Chance der "qualitativen beziehungsweise inhaltlichen Überprüfung des Kunden-Feedbacks".
- Beitrag hervorheben
Ein wenig Werbung per Facebook ist heute unerlässlich. Wer hier spart, spart an der falschen Stelle. - iPad-Gewinnspiel
Ein Gewinnspiel, das von der Zahl der erreichten Facebook-Fans abhängig gemacht wird, ist bestenfalls kontraproduktiv, schlimmstenfalls rechtlich bedenklich. - Halalati
Der Baukasten Halalati.com für Gewinnspiele kostet zwar Geld, stellt aber sicher, dass Gewinnspiele ohne Verstöße über die Bühne gehen. - Fans kaufen
Es gibt inzwischen massig Angebote im Web, die Fans zum Kauf anbieten. Viele Fans mögen zwar gut aussehen, bringen aber unterm Strich nichts. - Danke
Reagieren Sie nicht nur auf Negatives: Feiern Sie Meilensteine mit Ihren Fans. - Trendopfer
Der humorvolle Beitrag "Wenn Unternehmen twittern" bei trendopfer.de erweist sich in vielen Unternehmen leider als allzu wahr.
Der Kunde entwickelt mit
All diese Erkenntnisse sind erstaunlich vor dem Hintergrund anderer Ergebnisse, die die Gemeinschaftsstudie herausfilterte: Gefragt, wozu sich soziale Netzwerke eignen, vertritt eine Mehrheit (70 Prozent) der teilnehmenden Entscheidungsträger die Meinung, dass "soziale Netzwerke sich zur Identifikation neuer Produkt- und Dienstleistungsideen durch die Kommunikation mit externen Personen eignen". 63 Prozent, also fast zwei Drittel, sind der Ansicht, mit sozialen Netzwerken sei es möglich, "neue Produkte und Dienstleistungen schneller in den Markt einzuführen". Auch "die Diskussion und Bewertung neuer Produkte und Dienstleistungen" erkennen die Verantwortlichen weit überwiegend (74 Prozent) als Chance, wie neue Kommunikationskanäle ausgeschlachtet werden können (siehe Grafik Seite 18: "Wofür eignen sich ..."). Adidas beispielsweise nutzt das Feedback aus dem Social Web längst für die Einführung neuer Produkte.
Innovative Ideen freigesetzt
Obwohl also die entscheidenden Personen in den Unternehmen sagen, dass die Einbeziehung von Kundenideen und -meinungen aus sozialen Netzen innovative Kräfte freisetzt, spielen sie diese Karte in den meisten Fällen nicht aus. Stattdessen denken sie das Social Web wie ein klassisches Push-Medium. So wollen 92 Prozent der Befragten durch soziale Netze in erster Linie den Bekanntheitsgrad ihres Unternehmens steigern. Die Analysten interpretieren den Wert so, dass die Befragten damit schon "ihr vorrangiges Ziel für die Nutzung sozialer Netzwerke zu erreichen glauben".
Mehr aber auch nicht, möchte man hinzufügen. Die Möglichkeit, mit Hilfe der sozialen Kommunikationsplattformen die eigenen Produkte und Geschäftsprozesse durch konstruktives Feedback zu verbessern, scheint den Studienteilnehmern noch fremd.
Sehr ambivalent sind die Einstellungen der Entscheider, wenn es um Imagefragen geht. Einerseits glaubt zwar nur knapp die Hälfte der Befragten (48 Prozent), dass sie mit Hilfe sozialer Netzwerke das Image ihres Unternehmens verbessern können. Andererseits aber befürchten - nicht zu Unrecht - fast zwei Drittel (72 Prozent), dass negative Kommentare über das eigene Unternehmen in öffentlichen Foren große Imageschäden anrichten können.
- Der Daten-Zauberer
Der Daten-Zauberer verwendet gefühlt 22 verschiedene Apps auf mindestens elf Geräten, was wahrscheinlich nicht immer mit der BYOD-Policy im Unternehmen konform geht. Das Lieblings-Netzwerk des Datenzauberers ist Google Plus - die Analyse-Tools sind einfach zu gut. Und am liebsten betreibt er Email-Kampagnen, die er mit Begeisterung vorher getestet hat. Damit ist der Daten-Zauberer wohl nicht allein: 43 Prozent aller Digital-Marketing Manager testen ihre Aufrufe vorher, die Hälfte überprüfen, ob die Tageszeit für die Email-Kampagne auch die richtige ist und 97 Prozent können stundenlang über der Betreffzeile grübeln. Worauf CIOs achten sollten: Auf dem Weg zu den heiß geliebten Daten ignoriert er schon mal implementierte Policies für Sicherheit und BYOD. - Der E-Künstler
Er versteht sich selbst als Künstler, sein Produkt ist auch ein Kunstwerk. Sein Lieblings-Netzwerk ist daher auch Pinterest. Er stellt gern Bilder online und liebt visuell ansprechende Grafiken. Die Statistik gibt ihm Recht: 65 Prozent aller Menschen lernen über Bilder. Worauf CIOs achten sollten: Dieser Typ des digitalen Marketing-Managers verläuft sich manchmal. Da sich seine Performance auch auf ihre Ergebnisse auswirkt, müssen Entscheider ihn manchmal einfangen, bevor er sich verkünstelt. - Der Social Media Meister
Er war einer der ersten, die Facebook als Werbeplattform entdeckt haben - noch bevor es Facebook überhaupt gab. Schließlich ist Zuckerbergs Netzwerk allein für mehr als 90 Prozent der Umsätze im Social-Media-Bereich verantwortlich. Worauf CIOs achten sollten: Vom Guru unter digitalen Marketing-Managern kann man immer noch was lernen - und sich vielleicht Tipps für die unternehmensinterne Social Media Plattform holen. - Der Beta-Tester
Bitte, Facebook ist doch so Neunziger Jahre. Der Beta-Tester lässt den Mainstream hinter sich und experimentiert mit neuen Plattformen. Deswegen hat er auch regelmäßig ein neues Lieblingsnetzwerk: Alles, was im Beta-Stadium ist. Der Beta-Tester hat immer die neuesten Geräte. Und ist besessen von den Aktivitäten der Generation Y. Worauf CIOs achten sollten: Der Beta-Tester verletzt keine BYOD-Policies. Er weiß gar nicht, was das ist. Beziehen Sie ihn in die Entwicklungsarbeit Ihrer eigenen online-Plattform ein. Er weiß, was funktioniert und woran schon andere scheiterten. - Der Megaphon-Manager
Hauptsache, laut. Dieser Typ des digitalen Marketing-Managers ist nicht gerade subtil. Er ist mit seinen Symbolen und Hashtags gern im Zentrum der Aufmerksamkeit. Diese Holzhammer-Methode scheint zu funktionieren: Emails mit einem Symbol in der Betreffzeile werden zu 15 Prozent mehr geöffnet, mit einem Hashtag fast fünf Prozent. Sein Lieblingsnetzwerk ist: Twitter. Worauf CIOs achten sollten: Beim Megaphon-Manager steht manchmal Form vor Inhalt. Und behalten Sie seine Twitter-Aktivitäten im Auge. - Der Traditionelle
Der traditionelle Typ ist eher oldschool, was seine Herangehensweise an Social Media angeht. Ein Tablet? Pah. Seinen My-Space-Account - nein, das Netzwerk ist immer noch nicht tot - befüllt er vom PC aus. Und Werbung wird über das Fernsehen geschalten. Worauf CIOs achten sollten: Fortbildungsseminare könnten helfen. Aber auch mit einer Rosskur wird dieser Typ des Marketing Managers wohl nicht mehr digital. Ob er Ihr Team wirklich verstärken sollte? - Die Besserwisserin
Die Besserwisserin hat gern alles im Griff. Marketing läuft über den eigenen Blog, denn darüber hat man die beste Kontrolle über die Daten und Analysetools. Sie sagt den Chefs gerne mal, was sie alles verkehrt machen. Die ignorieren nämlich Multi-Channel-Ansätze im Marketing und das passt ihr gar nicht. Andere personalisieren ihre Emails nicht, obwohl dass die Transkationschancen deutlich erhöht. Worauf CIOs achten sollten: Hören Sie auf die Besserwisserin - meistens. Aber achten Sie darauf, dass Ihre Strategie nicht immer der Strategie der Konkurrenz gleicht.
Mund zu Mund war gestern
Eine vom Marktforschungsunternehmens IDC gemeinsam mit Questback erarbeitete Studie macht klar, in welcher Zwickmühle Unternehmen heute noch beim Umgang mit sozialen Medien stecken. Chief Marketing Officers (CMOs) wurden zu den großen Herausforderungen befragt, die sie beim Umgang mit den Internet-Kommunikationskanälen zu gewärtigen hätten. Die Ergebnisse bestätigen die Untersuchung der drei Forschungsinstitute.
Claudine Petit, Head of Marketing Central Europe bei Questback, formuliert es so: "Die Kunden von heute sind emanzipierter, mobiler und aktiver. Sie erwarten mehr und sind durch das Internet bestens informiert." Die Kunden suchten selbständig nach Produkten und Dienstleistungen, die ihren Bedarf stillten. Das geschehe schon "lange, bevor Unternehmen diese Nachfrage kennen und das entsprechende Angebot zur Verfügung stellen können".
Ziel der Unternehmen muss es sein, dieses Verhältnis umzudrehen. Sie sollten anstreben, die Bedürfnisse der Kunden zu erkennen, noch bevor sich diese ihrer Wünsche bewusst werden. Noch ist das überwiegend Theorie - allerdings wird sie in Teilen heute schon in die Praxis umgesetzt. Das Social Web ist das Instrument, dass dabei entscheidend helfen kann.
Der entscheidende Faktor, der sich im Kräfteverhältnis zwischen Unternehmen und Kunden geändert hat, ist laut Petit die Reichweite, die Kundenäußerungen heute erzielen. Meinungen, die sie über Produkte und Unternehmen abgeben, können im Extremfall blitzschnell ein Millionenpublikum erreichen - zumindest theoretisch.
Good news, bad news
Wo früher über Mundpropaganda mehr oder weniger mühselig eine Botschaft an ein auf den Bekanntenkreis begrenztes Umfeld übermittelt werden konnte, kann sich der Konsument heute in Sekundenschnelle weltweit Gehör verschaffen. "Ein gutes oder schlechtes Erlebnis wird schnell über Facebook, Twitter, Blogs etc. in der Welt verbreitet", sagt Petit. Das sei Segen und Fluch zugleich.
Unternehmen bekämen zwar durch Social-Media-Monitoring schneller Feedback von ihren Kunden: "Aber dieses Feedback der Kunden erreicht auch direkt den Rest der Welt." Die Tatsache, dass sie den Informationsfluss kaum oder nur mit großem Aufwand halbwegs kontrollieren können, beunruhigt die meisten Unternehmen, wie die KMU-Untersuchung belegt.
Die Gretchenfrage ist nun, wie Firmen "von der Schnelligkeit und dem Mitteilungsbedürfnis ihrer Kunden profitieren und dieses wichtige Feedback für sich nutzen können". Die Antwort, so Marketing-Expertin Petit, liege eigentlich nahe: Die Betriebe müssten beginnen, systematisch "Realtime-Feedback-Kanäle zwischen Kunden und Unternehmen zu etablieren und dieses Feedback zu konsolidieren, auszuwerten und zu managen". Genau das aber geschieht im deutschen Mittelstand bis heute kaum.