yahoo spekuliert auf begeisterte internet-fans

Der Job des Lohn-Surfers ist keine lockere Freizeiterweiterung

20.10.1999
Yahoo ist nach der letzten GfK-Umfrage vom Juli 1999 die beliebteste Suchhilfe im deutschsprachigen Netz. Die Münchner Deutschland-Dependance sucht Internetbegeisterte Mitarbeiter mit gutem Stehvermögen.

"wir sind ein virtuelles unternehmen", erklärt Claudia Strixner, Sprecherin von Yahoo Deutschland, entrüstet bei der Frage nach der Pressemappe. So etwas gibt es nicht in Papierform, sondern nur im Netz. Schließlich ist man im Web nicht irgendwer, wie die 95 Millionen gezählten Pageviews im Juni 1999 beweisen. Immerhin gab es nach vielen Anfragen einen Interviewtermin.

Die deutschsprachigen Seiten des Suchkatalogs entstehen in München. Im Oktober 1996 gegründet, belegen die Büros mehrere Stockwerke eines repräsentativen Altbaus mitten in der Stadt. Nach fast drei Jahren ist das Yahoo-Team mit 35 Mitarbeitern noch ziemlich überschaubar. Es ist geplant, in nächster Zeit die meisten Bereiche zu erweitern und neue Mitarbeiter einzustellen.

"Für uns ist es kein Problem, Internet-begeisterte Leute zu finden, allerdings ist es schwierig, einen Techniker zu rekrutieren", räumt Strixner ein. Gute Englischkenntnisse sind für die tägliche Arbeit in allen Bereichen notwendig, denn die starke internationale Anbindung an die Zentrale in den USA und die enge Zusammenarbeit mit dem Büro in London erfordern eine gemeinsame Sprache. Trotzdem gilt Deutschland als der größte Markt für Yahoo in Europa.

Umsatz- und Gewinnzahlen veröffentlicht das Unternehmen nur als Gesamtsumme. Es arbeitet seit elf Quartalen profitabel, wie die Sprecherin stolz erzählt. Regio-nale Besonderheiten spielen eine große Rolle, wenn es darum geht, Marktsegmente zu erobern. Ohne Rücksprache mit der Zentrale in Santa Clara läuft allerdings nichts. Über die weltweite Unternehmensstrategie entscheidet man dort, wenn auch in Absprache mit den Partnern.

Die einzelnen Standorte beobachten die lokalen Märkte und die Konkurrenz intensiv und suchen sich vor Ort Kooperationspartner. In Deutschland bietet Yahoo zusammen mit Arcor einen Internet-Zugang an. Mit "Yahoo everywhere" möchten die beiden Partner das Internet beweglich machen. Ein digitales Mobiltelefon soll ermöglichen, unabhängig und überall Web-Nachrichten und E-Mails abzurufen. "Mobilfunk ist in Deutschland wichtiger als in den USA", so Strixner, und mit lokalen Dienstleistungen will man den Erfordernissen des jeweiligen Marktes entsprechen.

Einheitliches Design

In jeder Sprache sieht der Suchkatalog und das Navigationssystem von Yahoo gleich aus. Die Grundstruktur, das "look and feel", wie es im Yahoo-Jargon heißt, überlegte sich Srinija Srinivasan. Als Editor in Chief definierte sie die Suchkategorien, mit denen weltweit alle Dependancen arbeiten. Allerdings unterscheiden sich die Inhalte und die Gewichtung in den einzelnen Kategorien, denn die Inhalte sind länderspezifisch.

Albert Warnecke, Chefredakteur im Münchner Büro, ist für die Inhalte der deutschen Ausgabe verantwortlich. Besonders stolz ist man auf das handverlesene Verzeichnis der Links, denn alle momentan 82 000 gelisteten Sites sind redaktionell geprüft und freigegeben. Ein neunköpfiges Team recherchiert und katalogisiert die Inhalte: "Sie sind sowohl Bibliothekare als auch Redakteure, denn sie müssen neue Inhalte stimmig in den Verzeichnisbaum integrieren", erklärt Warnecke den Arbeitsalltag.

Zusammen mit dem "Chefsurfer" besprechen sie knifflige Einordnungen und ob beispielsweise für einen neuen Begriff ein separates Unterverzeichnis sinnvoll ist. Neben einer fundierten Allgemeinbildung verfügen die Mitarbeiter meistens über ein Hochschulstudium, wenn auch nicht immer abgeschlossen. Jeder hat ein Spezialgebiet und betreut zusätzlich angrenzende Themen.

Neben der selbständigen Recherche müssen die angestellten Surfer Berge von Anmeldungen abarbeiten. Jede neue Seite nehmen die Rechercheure genau unter die Lupe: Ist der Inhalt relevant, interessieren sich viele Nutzer für das Thema und ist die Site in deutscher Sprache verfaßt, sind die drei grundlegenden Kriterien. Erst dann gibt es einen Eintrag in die Datenbank. Bei der Auswahl darf den Rechercheuren kein jugendgefährdender Inhalt ins Netz gehen.

Der Job des Lohn-Surfers ist keine lockere Freizeiterweiterung, sondern harte Arbeit. In einem sechsmonatigen Training lernen sie im Web gezielt und am richtigen Ort nach Informationen zu suchen. Mit der vorgegebenen Suchhierarchie möchte Yahoo maximale Klarheit und Flexibilität bieten, Querverweise und neue Kategorien sollen sich logisch einpassen.

"Unsere Surfer kommen aus ganz unterschiedlichen Bereichen und haben querbeet studiert; vom naturwissenschaftlichen bis zum geisteswissenschaftlichen Studium ist alles dabei", erklärt Warnecke. Das ehrgeizige Ziel ist: das deutschsprachige Wissensspektrum im Suchsystem zu repräsentieren. Bei Yahoo ist man davon überzeugt, daß das handverlesene Verzeichnis ein entscheidender Vorteil gegenüber der Konkurrenz ist, die in vielen Fällen komplette Zeitungen einscannt. Die Datenbank spuckt bei der Abfrage oft unbrauchbare Ergebnisse aus.

Die surfenden Mitarbeiter sollten auf jeden Fall neugierig und Internet-begeistert sein, und viereckige Augen nicht allzu wichtig zu nehmen. Unternehmerisches Denken und Flexibilität sind in dieser harten Geschäftswelt unumgänglich, lange Arbeitszeiten der Normalfall. Genaueres über das Gehaltsmodell war nicht zu erfahren. Es gebe einen Stock-Option-Plan, aber der sei geheim, so Strixner. "Die soziale Absicherung ist wie bei jedem deutschen Unternehmen" und die Aufstiegschancen innerhalb des Yahoo-Netzwerks gut, fügt die Sprecherin hinzu.

Spinne im Netz

"Der Producer ist die Spinne im Netz und gleichzeitig der Dreh- und Angelpunkt der Abteilung", so Warnecke über einen weiteren wichtigen Mitarbeiter seiner Abteilung. Bei Yahoo entscheidet dieser Mensch beispielsweise mit, welche Nachrichten online gehen und sucht die Kooperationspartner aus. Dabei muß er die Nutzer im Auge haben und gleichzeitig die Umsetzung des Inhalts organisieren. Neben selbst recherchierten Meldungen kauft der Suchdienst bei verschiedenen Nachrichtenagenturen kräftig ein. Schließlich soll der Nutzer alles aus einer Hand bekommen: Wetterbericht, Schlagzeilen und Börsenberichte. Inzwischen bietet Yahoo ein Online-Reisebüro an. Das erste eigene E-Commerce-Angebot ist seit einiger Zeit erhältlich.

Sales Director Angela Schroth ist von Anfang an dabei. Sie kam vom Ziff Davis Verlag und brachte viel Pioniergeist mit. "In der Anfangszeit waren wir ständig auf Roadshows, um das Internet zu puschen", erzählt die Amerikanerin, "wir mußten erstmal das Internet verkaufen und bekannt machen und davon haben alle in der Branche profitiert," meint sie. "Es war viel learning by doing" und inzwischen sind die Grundbegriffe des Mediums bekannt. Die Beratungsgespräche konzentrieren sich heute stärker auf die Inhalte. Welche Bannerwerbung den Nutzer zum begehrten Klick animiert, ist allerdings noch ein ziemlich unerforschtes Feld. Die Münchner Niederlassung baut die Werbewirkungsforschung deshalb in nächster Zeit aus. Für den Vertrieb sind engagierte Mitarbeiter gefragt, die didaktische Fähigkeiten und Verkaufstalent mitbringen.

Zwar ist Yahoo beim GfK Online-Monitor vom Juli die Suchhilfe mit der größten Reichweite, doch die Konkurrenz schläft nicht. In verschiedenen Teilbereichen gibt es immer wieder erfolgreiche Konkurrenten. Business-Channel und der E-Mail-Service gmx sind zwei erfolgreiche Gegenspieler. Gegen die All-in-one-Strategie hat allerdings bisher noch kein Anbieter eine echte Chance. Um die Konkurrenz im Auge zu behalten, surft auch Schroth eine Stunde täglich.

Headhunter blitzen bei Yahoo-Mitarbeitern ab, so Schroth, denn eigenverantwortliches Arbeiten, ein gutes Betriebsklima und das Produkt "Yahoo" stellen für die meisten doch eine größere Faszination dar als ein neuer Job. Und wie sieht der ideale Mitarbeiter aus? "Der oder die ideale Kollegin sollte ins Team passen, flexibel, smart und hungrig sein", so Schroth.

*Ingrid Weidner ist freie Journalistin in München.