Im allgemeinen Lamento gehen die positiven Aspekte unter

Der ITK-Markt ist besser als sein Ruf

11.04.2003
MÜNCHEN (CW) - Schlechte Nachrichten mag niemand mehr hören, gute gibt es kaum - oder vielleicht doch? Unbeeindruckt von den allgegenwärtigen Unternehmenswarnungen, hat die CW einmal ganz einseitig den positiven Signalen nachgespürt.

Es gibt sie tatsächlich, Fakten, an denen auch notorische Pessimisten nicht vorbeikommen - beispielsweise an der Festellung, dass der deutsche Markt für Informations- und Kommunikationstechnik (ITK) allen Unkenrufen zum Trotz wieder wächst. Das war nach Erhebungen der größten einschlägigen Verbands Bitkom zuletzt nicht der Fall: Der Markt war 2002 um zwei Prozent auf 132 Milliarden Euro geschrumpft. In diesem Jahr aber wird ein kleines Plus von 0,5 Prozent erwartet, im nächsten Jahr - trotz des Reformstaus in Deutschland - bereits eines von drei Prozent. Eine Rückkehr zu zweistelligen Zuwächsen ist zwar vorerst nicht in Sicht, aber festzuhalten bleibt, dass der ITK-Markt schon 2004 voraussichtlich wieder stärker wachsen wird als die deutsche Wirtschaft insgesamt.

Schneller als der hiesige dürfte der internationale ITK-Markt Fahrt aufnehmen. Das European Information Technology Observatory (Eito) erwartet für 2003 ein ITK-Wachstum von 2,5 Prozent in Westeuropa und von 4,5 Prozent auf globaler Ebene. Die Analysten von IDC gehen in ihrer allerdings erst kürzlich nach unten korrigierten Prognose von weltweit 2,3 Prozent Marktwachstum in diesem und vier bis sechs Prozent im nächsten Jahr aus.

Dabei weisen die Auguren darauf hin, dass die Wachstumskurve vor allem in Osteuropa und großen Teilen Asiens steil nach oben zeigt. Dort gebe es eine Aufbruchstimmung, von der insbesondere international positionierte Unternehmen profitieren könnten. Laut IDC legt beispielsweise der russische IT-Markt in diesem Jahr um zwölf Prozent auf 5,1 Milliarden Dollar zu, der polnische gar um 13 Prozent auf 3,5 Milliarden Dollar. Länder wie China, Indien und Südkorea weisen ebenfalls starkes Wirtschaftswachstum bei noch vergleichsweise geringer ITK-Durchdringung auf. Auch hier ist also überdurchschnittliches Marktwachstum absehbar.

Doch auch in den so genannten reifen Märkten sind verbesserte Konditionen in Sicht. Michael Fleisher, Chief Executive Officer (CEO) des Marktforschungsunternehmens Gartner, geht davon aus, dass die Nachfrage spätestens im nächsten Jahr anziehen wird. Ersatzbeschaffungen im Hardware- und Softwarebereich würden dann unausweichlich, weil sie billiger seien, als veraltete Systeme dauerhaft zu pflegen.

Gartner warnt Unternehmen schon seit längerem vor einem überzogenen Sparkurs in der IT, weil sie damit anfallende Aufwendungen nur vor sich herschöben. Später die IT auf den aktuellen Stand der Technik zu bringen werde teurer, weil es am nötigen Know-how fehle und die Preise aufgrund der veränderten Nachfragesituation wieder anzögen.

Lebenszeichen im Hardwaremarkt

Der Blick auf die Einzelmärkte zeigt, dass der Aufschwung - auf leisen Sohlen - bereits im Anmarsch ist. Die Umsatzzahlen im Server-Markt beispielsweise sind nur auf den ersten Blick katastrophal. Um 5,2 Prozent war der Markt im vierten Quartal letzten Jahres gegenüber dem Vorjahr eingebrochen. Gegenüber dem vorhergehenden dritten Quartal wurde aber wieder ein sequenzielles Wachstum von 15,2 Prozent erzielt - so viel wie schon seit drei Jahren nicht mehr.

Auch zeigt sich bei näherem Hinsehen, dass lediglich der Markt für Highend-Modelle lahmt, während mit kleineren Servern, insbesondere mit Linux-Rechnern, auch während der Krise meistens gute Umsätze erzielt wurden. Das erklärt, warum erst vor wenigen Tagen Dell seine Umsatzprognose für das laufende erste Quartal von plus 18 Prozent auf 9,5 Milliarden Dollar bestätigte und auch Hewlett-Packard - allerdings in erster Linie für das Geschäft außerhalb der USA - stabile Umsätze erwartet.

Im Segment der Speicherhardware scheint der freie Fall ebenfalls gestoppt: Dieser Markt wuchs im letzten Viertel 2002 gegenüber dem vorhergehenden dritten Quartal wieder um zwölf Prozent auf 5,4 Milliarden Dollar. Gegenüber 2001 war dieser Sektor im vergangenen Jahr um 15 Prozent eingebrochen, 2003 soll der Umsatz laut IDC nur noch geringfügig unter dem des Vorjahres liegen.

Auch im PC-Markt greift leise Zuversicht um sich. Zwar hat IDC erst vor wenigen Wochen die Prognose für das Gesamtjahr von 8,3 auf 6,9 Prozent Wachstum zurückgenommen, doch zum einen wäre dies im Vergleich zum knapp zweiprozentigen Wachstum im Vorjahr noch immer ein echter Fortschritt, zum anderen scheint IDC in dieser Frage eher pessimistisch gestimmt zu sein. Paul Otellini, Chief Operating Officer von Intel, hatte jedenfalls zeitgleich angekündigt, er erwarte schon für dieses Jahr eine zweistellig wachsende Nachfrage.

Selbst wenn IDC Recht behielte, sei zum Trost noch die mittelfristige Perspektive der Marktforscher genannt: 2004 soll der Markt demnach um 10,6 Prozent wachsen, weil dann viele Unternehmen damit beginnen würden, ihre vor der Jahrtausendwende angeschafften Endgeräte auszutauschen. Für Notebook-Spezialisten sind diese Zahlen übrigens nicht relevant, dieser Markt wuchs und wächst auch in Krisenzeiten stets zweistellig.

Lukrative Nischen im Softwaresegment

Komplizierter sieht die Situation im Softwaremarkt aus, wo nach wie vor keine Großprojekte in Angriff genommen werden und der Investitionsstau besonders ausgeprägt ist. Trotzdem treibt auch dieser Markt einige zarte Blüten. Wachstum erzielen beispielsweise die Anbieter von Business-Intelligence-Tools. Forrester Research erwartet, dass das auch so bleibt: Eine Erhebung unter Chief Information Officers (CIOs) habe ergeben, dass fast die Hälfte der Befragten Ausgaben für Analyse- und Data-Mining-Werkzeuge planten. Die Unternehmen versuchten derzeit, bei vergleichsweise geringem Finanzeinsatz einen möglichst hohen Nutzen aus der bestehenden IT-Infrastruktur zu ziehen. Das gelinge unter Umständen mit solchen Werkzeugen.

Cognos beispielsweise hat seine Umsatzerwartung für das laufende Geschäftsjahr angehoben und erwartet, 2004 um 15 bis 20 Prozent zu wachsen. Business Objects und Hyperion legten im vierten Quartal um acht beziehungsweise sechs Prozent gegenüber Vorjahr zu und strichen ordentliche Gewinne ein. Auch SAS Institute und Microstrategy konnten positive Zahlen vorweisen.

Vom EAI-Trend profitieren nur die Großen

Ebenfalls im Trend liegt die Integration heterogener Anwendungsumgebungen, die einerseits über die Zusammenführung am Frontend via Portalsoftware vollzogen wird, andererseits aber auch durch komplexe Enterprise-Application-Integration-(EAI-)Anwendungen läuft. Allerdings zeigt sich in diesem Markt eine Konzentration zugunsten der großen Player wie IBM, Oracle, SAP oder Bea Systems. Dass sich EAI-Spezialisten wie Webmethods, Tibco, Vitria oder Seebeyond auf Dauer behaupten können, wird indes von einigen Marktbeobachtern in Zweifel gezogen.

Positive Nachrichten kommen derweil von großen Anbie-tern aus dem Lager der Content-Management- und Document-Management-Systeme sowie der Speichersoftware und der Security-Spezialisten. Von Letzteren sind inzwischen zwar auch Umsatz- und Gewinnwarnungen zu hören, doch im Allgemeinen wird hier auf hohem Niveau gejammert: Symantec, Network Associates und Checkpoint erzielten im letzten Quartal 2002 jeweils deutlich positive Ergebnisse.

Rätsel gibt indes der Markt für Business-Software auf. Bis 2005 werde er in Deutschland jedes Jahr um 13 Prozent expandieren und schließlich ein Volumen von 8,6 Milliarden Euro erreichen, heißt es bei der Meta Group. So richtig glauben mag daran allerdings niemand.

SAP verlor im letzten Quartal des Vorjahres zwei Prozent Umsatz gegenüber der vergleichbaren Vorjahresperiode, Peoplesoft büßte 5,1 Prozent und Siebel gar 19,1 Prozent ein. Vor wenigen Tagen sorgten drastische Gewinnwarnungen von Peoplesoft, Siebel sowie einige Wochen davor eine sehr zurückhaltende Prognose von Oracle für Ernüchterung. Der Datenbankriese, der nach langer Durststrecke für das vergangene Geschäftsquartal erstmals wieder ein zweiprozentiges Umsatzwachstum meldete, schließt einen neuerlichen Einnahmenrückgang in der laufenden Berichtsperiode nicht aus.

Doch selbst in diesem Markt lassen sich - wenn man danach sucht - positive Signale erkennen. Goldman Sachs etwa erwartet, dass SAP in diesem Jahr den Gewinn je Aktie um 13 Prozent und den Umsatz um 4,8 Prozent steigern wird, wobei auch im Lizenzgeschäft ein Wachstum von fünf Prozent zu erwarten sei. Die Investment-Bank hatte SAP-Kunden befragt und war dabei zu dem Ergebnis gekommen, dass diese an ihren Budgetplanungen trotz Irak-Krieg und konjunktureller Einbrüche nach Möglichkeit festhalten wollen.

Auch Microsoft, dessen Umsatz im abgelaufenen Quartal um zehn Prozent wuchs, sattelte bei den Einnahmen mit Business-Software (Navision, Great Plains) um 85 Prozent drauf. Nicht vergessen sollte man die zahlreichen mittelständischen Anbieter hierzulande, die zum Teil längst totgesagt wurden. Immer wieder haben es einige von ihnen geschafft, mit hervorragenden Zahlen zu überraschen. Dazu zählt etwa die auf Versicherungssoftware spezialisierte FJA AG, deren Umsatz 2002 um 16 Prozent und deren Gewinn um 21 Prozent stieg, oder auch das mittelständische ERP-Haus Soft M AG. Es steigerte den Erlös 2002 um 23 Prozent und den Vorsteuergewinn um 20 Prozent.

TK-Markt: Stimmung mies, Wachstum stark

Von der angeblichen Agonie der internationalen TK-Märkte war in den vergangenen zwei Jahren viel zu lesen. Immer wieder wurden die hohen Investitionen der Carrier in UMTS-Lizenzen geltend gemacht, die nicht nur den Netzbetreibern, sondern vor allem auch den Ausrüstern wie Lucent, Nortel, Ericsson, Siemens, Marconi, Alcatel oder Nokia zusetzten. Die Kündigungen von zigtausend Mitarbeitern in diesen Unternehmen sowie die abschreibungsbedingten Milliardenverluste der großen Carrier füllten die Zeitungen, nicht aber die Tatsache, dass der Markt mittelfristig glänzende Perspektiven hat.

Laut Eito wird der westeuropäische TK-Markt in diesem Jahr um vier bis fünf Prozent wachsen - stärker als jedes andere ITK-Segment. Es gibt eine Reihe prosperierender Marktbereiche, man denke etwa an Mobilfunk, Breitband-Internet, Voice over IP oder die Funktechniken, allen voran Wireless-LAN. Die US-amerikanische Telecommunications Industry Association (TIA) erwartet in diesem Jahr außerhalb der USA sogar ein Wachstum des TK-Marktes von stolzen 10,1 Prozent auf 1,4 Billionen Dollar. Auch in den Vereinigten Staaten dürfte mit einem erwarteten Wachstum von neun Prozent auf 963 Milliarden Dollar die Krise in den Hintergrund rücken.

Vergisst man einmal die überwiegend abschreibungsbedingten Verluste der Top-Carrier und konzentriert sich auf deren Umsatzentwicklung, dann zeigt sich, dass die Deutsche Telekom die Einnahmen 2002 um immerhin elf Prozent steigern konnte. France Télécom legte beim Umsatz um 8,4 Prozent zu. Vodafone steigerte die Einnahmen in seinem letzten Quartal um zehn Prozent.

Einzelaussagen der letzten Wochen belegen die verbesserte Stimmung. Telekom-Chef Kai-Uwe Ricke beispielsweise erklärte, die Zahlen der ersten beiden Monate 2003 machten ihm Mut. Insbesondere im Mobilfunksektor seien sie besser ausgefallen, als der unerwartet schwache Dezember 2002 habe vermuten lassen.

Auch bei den Ausrüstern scheint ein wenig Optimismus Platz zu greifen. Ein "viel besseres Jahr 2003" erwartet beispielsweise Frank Dunn, CEO von Nortel. Lucent will im abgelaufenen ersten Quartal um 20 Prozent gegenüber dem vorhergehenden Berichtszeitraum zulegen und in diesem Jahr in die Gewinnzone zurückkehren. Alcatel erreichte in seinem vierten Quartal 2002 überraschend einen operativen Breakeven und erwartet im laufenden Berichtszeitraum einen Umsatzanstieg von 20 bis 30 Prozent gegenüber dem vorhergehenden Quartal.

Rettet Outsourcing IT-Service-Anbieter?

Zum Schluss ein Blick auf den IT-Services-Markt, der sich insbesondere im Projektgeschäft sehr schwach präsentiert. Die Stundensätze für IT-Berater sind weiter im freien Fall. Freiberufler, zum Teil von den großen IT-Beratungshäusern auf die Straße gesetzt, gehen häufig mit Dumping-Preisen in den Markt und zerstören das Geschäft ihrer ehemaligen Arbeitgeber.

Auch das ist jedoch nur die eine Seite der Medaille. So zeigen sich die Unternehmenslenker von Siemens Business Services (SBS) oder T-Systems wieder vorsichtig optimistisch. SBS-Chef Paul Stodden erklärte gegenüber der COMPUTERWOCHE, er rechne in diesem Jahr noch mit Stagnation, im nächsten Jahr aber wieder mit nachhaltigem Wachstum. T-Systems Sprecher Konrad Reiss sieht nach fünfprozentigem Umsatzeinbruch im Vorjahr schon 2003 wieder einen Anstieg der Einnahmen.

Die Geschäftslage von Konzernen wie IBM oder CSC belegt ferner, dass mit Outsourcing-Umsätzen ein Gutteil der Verluste aus dem Projektgeschäft zu kompensieren sind. Das gilt im Übrigen keineswegs nur für Großkonzerne. Die kleine, aber feine AC-Service AG aus Stuttgart etwa konnte 2002 den Umsatz um zehn Prozent und den Nettogewinn um 20 Prozent steigern.

Ähnliches gilt für die TDS Informations-technologie AG, Neckarsulm, die sich nach einem verunglückten Ausflug in das Geschäft mit Application Service Providing (ASP) nach schwieriger Restrukturierung wieder erfolgreich auf das Application-Hosting für mittelständische Kunden besonnen hat und 2002 einen Gewinn erzielte. (hv)

Krise und Krieg

Nach Ausbruch des Irak-Kriegs hat sich die Verunsicherung im ITK-Markt weiter verstärkt. Analysten erwarten in diesen Tagen eine Vielzahl von Gewinnwarnungen. Andererseits mehren sich die Stimmen, die frühestens Ende dieses Jahres, spätestens 2004 eine durchgreifende Besserung erwarten. Ihr Argument: Die Grenzen der Einsparmöglichkeiten in der IT seien erreicht, noch länger mit Upgrade- oder Ablösungsprojekten zu warten würde am Ende zu deutlich höheren Kosten führen.

Die neueste Ausgabe des "COMPUTERWOCHE Branchenmonitors" gibt einen aktuellen Einblick in das Investitionsverhalten der Anwender und die jüngste Entwicklung im weltweiten und deutschen IT-Markt. Anhand der hier zusammengetragenen Daten und Fakten lassen sich der Status quo sowie kurz- und mittelfristige Perspektiven des Marktes ablesen.

Unter anderem finden sich in dem kostenpflichtigen Newsletter Aussagen von Analysten, Verbänden, Investment-Banken, Nachrichtendiensten und Branchensprechern. Ferner werden alle relevanten Geschäftsergebnisse von Unternehmen der Hardware-, Software- und Telekommunikationsindustrie in Kurzform präsentiert. Informationen über den IT-Arbeitsmarkt und branchenrelevante Sonderereignisse (Messen, Fusionen und Übernahmen, Konjunkturdaten etc.) runden das Angebot ab. Bestellen können Sie den Branchenmonitor unter www.computerwoche.de.