Der IT-Dienstleister T-Systems schwächelt

17.07.2006
Das Management kennt die Defizite und bemüht sich, sie zu beheben - sehr langsam.
Nach einer Phase der Schwäche steigt der Umsatz von T-Systems wieder, allerdings weiterhin weniger stark als der Marktdurchschnitt.
Nach einer Phase der Schwäche steigt der Umsatz von T-Systems wieder, allerdings weiterhin weniger stark als der Marktdurchschnitt.

Schenkt man den Prognosen der Marktbeobachter Glauben, dürfte sich demnächst einiges bei T-Systems bewegen. "Nicht zuletzt mit der Gedas-Übernahme ist wieder sehr viel frisches Blut in das Topmanagement gekommen, das hat zunächst sicher für etwas Unruhe gesorgt", mutmaßt etwa Christophe Chalons, Geschäftsführer von Pierre Audoin Consultants (PAC). Gemeint sind neue Führungskräfte wie Lothar Pauly, der im Herbst vergangenen Jahres den Chefposten bei T-Systems übernahm, sowie Axel Knobe und Hans-Jürgen Schwerhoff, die im Zuge der Gedas-Akquisition Ende 2005 unter das Dach der Telekom-Tochter wechselten. Monatelang hat man wenig von ihnen gehört, doch "jetzt kommen wir in eine Phase, in der die ersten positiven Auswirkungen zu erwarten sind", schildert Chalons.

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Stärken und Schwächen

-- T-Systems unterhält den größten Flächenvertrieb im deutschen IT- und TK-Markt und verfügt damit über einen sehr guten Zugang zu kleinen und mittelständischen Kunden.

- Ein Joint Venture mit dem Bankhaus Trinkaus & Burkhardt soll Geschäftsprozesse für Finanzdienstleister betreiben. Erste Kunden sind die Postbank und Hypovereinsbank.

- Die Kombination von TK- und IT-Lösungen bietet vor dem Hintergrund zunehmender VoIP-Nachfrage gutes Wachstumspotenzial.

- Sehr gutes Branchen-Know-how in der Automobil- und TK-Branche.

- Aufgrund der enormen Unternehmensgröße in Deutschland lassen sich Skaleneffekte erzielen.

- Die interne Organisation gilt als zu groß und schwerfällig.

- Umsatz und Know-how der Mitarbeiter sind noch zu TK-lastig, die IT kommt zu kurz.

- Auch sechs Jahre nach der Fusion gibt es noch Gräben zwischen Debis- und Telekom-Bereichen.

- Das Produktportfolio wurde noch nicht gestrafft und vereinheitlicht.

- Die T-Systems-Lösungen orientieren sich zu häufig an Techniken und zu selten an Prozessen. Das machen Konkurrenten wie IBM und Accenture besser.

- Gemessen an der Unternehmensgröße ist die internationale Präsenz dürftig.

Höchste Zeit! Die letzten Quartale schloss der IT-Dienstleister mit minimalem Wachstum ab. "T-Systems hat schwächer als der Marktdurchschnitt zugelegt", bestätigte der PAC-Analyst, räumte aber ein, dass "nur solche Anbieter stark gewachsen sind, die große Deals abschließen konnten." T-Systems gehörte zuletzt nicht dazu, der mit der Gedas-Übernahme gewonnene Kunde Volkswagen floss in die bisherigen Geschäftszahlen noch nicht ein.

Strukturelle Probleme bremsen

Sämtliche Outsourcing-Anbieter, so der Marktkenner, hätten zudem unter dem enormen Preisverfall im Auslagerungsgeschäft gelitten. "Selbst in laufenden Geschäftsbeziehungen werden Preise substantiell nachverhandelt", schildert Chalons. Aber auch im Projektgeschäft konnte T-Systems zuletzt nicht glänzen, hier fehlt dem deutschen Anbieter die Möglichkeit, Offshore-Personal einzubinden.

Doch die mäßige Leistung des größten deutschen Serviceanbieters allein mit der aktuellen Marktentwicklung zu erklären greift zu kurz. T-Systems leidet nach wir vor unter strukturellen Problemen: Nachdem der umtriebige und anerkannte CEO Konrad Reiss im April 2005 plötzlich starb, dümpelte das Unternehmen ein halbes Jahr führungslos dahin. Viele notwendige Anpassungen blieben aus. "T-Systems könnte die Organisation etwas straffen, sie etwas schlanker und effizienter machen", drückt Chalons es vorsichtig aus. Auch Frank Rothauge, Analyst beim Finanzdienstleister Sal. Oppenheim, äußert nur zurückhaltende Kritik: "Ich habe nicht das Gefühl, dass T-Systems schon kostenoptimal aufgestellt ist."

Spät ins VoIP-Geschäft gestartet

Vor allem der Schwenk von einem TK-lastigen Anbieter zum IT-Service-Provider scheint nicht ganz einfach. Den enormen Wettbewerbsvorteil, über einen sehr guten Flächenvertrieb in Deutschland zu verfügen, konnte T-Systems bislang noch nicht so im IT-Service-Sektor einbringen, wie es möglich wäre. "Das Sales-Team ist den Veränderungen im Markt nicht voll gewachsen", warnt Dan Bieler, Analyst beim Marktforschungshaus Ovum, mit Blick auf die Mittelstands-Organisation Business Services. "Früher haben die Leute Mietleitungen und Nebenstellenanlagen verkauft, nun müssen sie ihren Kunden IT-Dienste wie Managed Services, Security Hosting und Content-Management schmackhaft machen." Doch ein Umdenken ist wichtig, denn im TK-Markt bröckelten zuletzt sowohl Marktanteil als auch Preise, und das Geschäft mit IT-Dienstleistungen verspricht bessere Margen.

Lange hat sich T-Systems diesem VoIP-Geschäft verschlossen - vermutlich auf Druck der Konzernleitung, um die Einnahmen der Festnetztochter T-Com nicht zu gefährden. VoIP-Projekte (Voice over IP) wurden lange Zeit nur auf Anfrage betrieben und nicht aktiv vermarktet. "Mittlerweile wechseln derart viele Unternehmen von klassischen Managed Networks zu VoIP, dass T-Systems den damit einhergehenden sukzessiven Umsatzverlust nicht durch Mengensteigerungen ausgleichen kann", beschreibt Rothauge. "Das wird sich auch noch eine Weile fortsetzen."

Für das Zögern, in den VoIP-Markt einzusteigen, bringen die Beobachter durchaus Verständnis auf. "Es wäre gefährlich gewesen, das Geschäft früher voranzutreiben", räumt Chalons ein. "Jetzt müssen sich die T-Systems-Verantwortlichen allerdings sputen, wenn sie die Konkurrenz nicht davonziehen lassen wollen. Es ist aber noch nicht zu spät." Mit dem Amtsantritt von Lothar Pauly hatte das Taktieren auf jeden Fall ein Ende. Er trieb den Ausbau des VoIP-Geschäfts voran.

Das war eine der wenigen Richtungsänderungen, die der neue Chef herbeiführte. Ansonsten blieb er auf dem Kurs, den Reiss zuvor eingeschlagen hatte. Unbeeindruckt von der mangelnden internationalen Präsenz, zog sich der IT-Anbieter aus Ländern zurück (zuletzt etwa aus Dänemark und Schweden), in denen er zu schwach vertreten war und deren Niederlassungen noch auf die ungehemmte Expansion des 2000 übernommenen Debis Systemhauses zurückgehen. Stattdessen baut das Management mit der Gedas-Übernahme nun Standbeine in Ländern wie Spanien, Mexiko, Brasilien und China auf. Von einer internationalen Aufstellung, wie sie die Wettbewerber IBM, Accenture, Capgemini, Atos Origin, EDS und CSC vorweisen, ist T-Systems indes weit entfernt. "Man muss nicht überall selbst präsent sein", beruhigt Chalons, "man darf auch Partner ins Liefernetz einbinden."

Eine Akquisition ist denkbar

Dennoch besteht Nachholbedarf, die Gedas-Übernahme dürfte nicht das Ende der Expansionspläne im Ausland gewesen sein. "International hat T-Systems derzeit keine Relevanz", räumt Rothauge ein. "Die Schwäche ist kaum zu beheben, es sei denn, T-Systems würde groß akquirieren." Das ist nicht ausgeschlossen, denn der Mutterkonzern scheint zu Investitionen in die IT-Dienstleistungstocher bereit. Zwar gibt es keinen Beleg dafür, doch zwei Meldungen der vergangenen Monate beflügelten die Phantasien der Analysten. Zum einen liefen Fusionsgespräche mit dem französischen IT-Dienstleister Atos Origin, zum anderen kamen Gerüchte über eine Übernahme der British Telekom (BT) durch die Deutsche Telekom auf.

Ein solcher Merger wäre vor allem dem Großkunden- und IT-Geschäft der Telekom zugute gekommen. "Auch Gerüchte brauchen einen Nährboden, um sich fortzupflanzen", schildert Rothauge. "Es wäre für das Telekom-Management ein Leichtes, solchen Spekulationen durch eine klare Absage ein Ende zu bereiten, doch das ist nicht passiert."

Telekom braucht T-Systems

So hält sich die Erwartung, dass die Telekom ihrer Tochter noch den Rücken stärken wird, denn in der jetzigen Form ist T-Systems zu groß für den deutschen Markt und zu unbedeutend für das internationale Geschäft. Der gegenläufige Weg, eine Veräußerung von T-Systems, erscheint hingegen abwegig: "Die Deutsche Telekom hätte dann kein Großkundengeschäft mehr. International aufgestellte Carrier verdienen heute nicht mehr genug Geld, wenn sie sich allein auf den Verkauf von TK-Produkten verlassen", argumentiert Chalons. u