Der Information-Highway fuer Buechereien und Klassenzimmer

25.03.1994

FRAMINGHAM (IDG/CW) - Seit der Unterzeichung des "High Performance Computing Act" im Dezember 1991 grassiert in den USA in Sachen Informationszeitalter das Goldfieber. Vor Journalisten erlaeuterte US-Vizepraesident Al Gore, wie er sich die Verwirklichung seines zwoelf Jahre alten Traums vom "Information-Superhighway" vorstellt. Mit dem US-Vize sprach Ellen Messmer von der CW- Schwesterpublikation "Network World" (NW).

NW: Welche Relevanz hat die "National Information Infrastructure" (NII) fuer die Anwender?

Gore: Eine grosse. Jeder Anwender, der glaubt, dass die NII keinen Einfluss auf seine Zukunft hat, begeht einen schweren Fehler. Der Information-Superhighway wird die Arbeitswelt so revolutionieren, wie es das Telefon getan hat und der Computer im Augenblick macht.

NW: Das bedeutet konkret?

Gore: Neue Dienstleistungen, von denen wir heute noch nicht einmal traeumen, sind der Wirtschaftsmotor des naechsten Jahrzehnts. Einige der heute existierenden Industrien werden dadurch total veraendert.

NW: Inwieweit kuemmert sich die Clinton-Administration darum, dass die Interoperabilitaet der Dienste, besonders im Bereich der Datenkommunikation, gewaehrleistet ist?

Gore: Dies ist eines unserer erklaerten Ziele. Wir werden alles unternehmen, damit die Interoperabilitaet gesichert ist.

NW: Steigen mit dem Superhighway die Arbeitslosenzahlen?

Gore: Nein, daran glaube ich nicht. Zwar verleiten die Entlassungsankuendigungen der Telefon-Companies viele zu der irrtuemlichen Annahme, dass Massenkuendigungen ein Resultat des Informationszeitalters sind. Ich bin davon ueberzeugt, dass die Informationstechnologie neue "Universal Services" hervorbringt und damit neue Arbeitsplaetze schafft. Oder betrachten Sie eine andere Zahl: Im letzten Jahr erbrachte die Informationstechnologie drei Viertel des amerikanischen Produktionswachstums.

NW: Wie sollten die Universal Services Ihrer Meinung nach kuenftig aussehen?

Gore: Wir haben dazu ein Joint-Board einberufen, das sich an den Erfahrungen orientiert, die in der Telekommunikation gemacht wurden. Ungefaehr 94 Prozent der dortigen Leistungen entsprechen der Definition der universellen Dienste.

NW: Sollte dies auch den digitalen Anschluss jedes privaten Haushaltes beinhalten?

Gore: Ja, das glaube ich. Aber das darf nicht alles sein.

NW: Wollen Sie aehnlich wie beim Internet zuerst jede Schule und jedes Krankenhaus verkabeln und dann die Haushalte?

Gore: Das Joint-Board befasst sich mit mehreren Dingen, auch mit den einzelnen Haushalten. In meinen Augen sollte der Superhighway jedes Klassenzimmer, jede Buecherei, jede Klinik und jedes Krankenhaus umfassen. Aber auch die privaten Haushalte.

NW: Wer soll diese Infrastruktur finanzieren, die Gebuehrenzahler oder die Aktionaere?

Gore: Dazu ist noch keine Entscheidung gefallen. Ich schliesse aber Gebuehren nicht aus, wenn wir damit das gewuenschte Ergebnis erreichen. Allerdings bevorzuge ich eine gemischte Finanzierung.

NW: Von verschiedenen Seiten sind Befuerchtungen zu hoeren, dass die Justizorgane die Kommunikationsnetze ueberwachen koennten.

Gore: Ich widerspreche diesen Befuerchtungen aufs schaerfste. Allerdings sind die Interessen der Justiz und der nationalen Sicherheit von aeusserster Wichtigkeit. Aber wir haben nicht die Absicht, ein System zu unterstuetzen, das den Behoerden de facto einen Zugang zum Information-Highway im rechtsfreien Raum verschafft.

NW: Wie wollen Sie das Problem des Urheberrechts loesen? Verschiedene Seiten fuerchten mit der Einfuehrung der NII um ihre intellektuellen Eigentumsrechte.

Gore: Dies ist sicherlich eine echte Herausforderung, aber es ist kein unueberwindbares Problem. Wie sich die Musikszene mit der Einfuehrung des Radios veraenderte und die enorme Nachfrage zur Evolution eines neuen Lizenzierungsverfahrens fuehrte, wird dies auch bei der NII der Fall sein. Einige Teile dieses Verfahrens sind sicherlich auch fuer den Information-Highway geeignet.

Ich bin mir sicher, dass der neue Markt die Entwicklung passender Copyright-Strukturen vorantreibt.