Der Info-Manager ist Dirigent - nicht Komponist

04.01.1985

MÜNCHEN - Klüger als der DV-Fachmann braucht der Informationsmanager nicht zu sein. Er muß nur dessen Wissen in den organisatorisch-technischen Griff bekommen, skizziert Achim Musiol, Siemens AG, München, die Aufgabe dieser Stabsstelle. Unternehmerische Absicht mit mehr und schnellerer Information unterstützen heiße jedoch nicht, aus der unternehmerischen Entscheidung eine narrensichere Sache zu machen. (Teil 1)

Die Aufgaben "Organisieren" und "Automatisieren" werden in Theorie und Praxis als dispositive Tätigkeiten eingestuft, für die die Leitung einer Abteilung, eines Bereichs, eines Unternehmens verantwortlich zeichnet. Mit zunehmender Größe einer Firma, wachsender Automatisierung der Arbeitsabläufe in den Unternehmen und sich immer rascher ändernder Umwelt werden das Organisieren und Automatisieren immer komplexer und zeitaufwendiger. In größeren Unternehmen beauftragt die Leitung schließlich ein oder mehrere Organisations- und Datenverarbeitungs-Stabsstellen oder -abteilungen mit dem Organisieren und Automatisieren.

Aufgabe einer Stelle/Abteilung "Organisation und Datenverarbeitung oder Automatisierung" (OD) ist es, der Leitung der produzierenden, abgesetzten und verwalteten Stellen/Abteilungen/Bereiche im Unternehmen beim Organisieren zu helfen: Entscheidungsreife organisatorisch-technische Systeme zu planen, diese nach der Entscheidung realisieren zu helfen und die Anwendung dieser Systeme zu unterstützen.

Der Informationsmanager im Stab der Geschäftsleitung

Der vieldiskutierte "Informationsmanager" wäre laut Namensgebung zuständig für alle Informationsfragen und -aufgaben in einem Unternehmen. Da Büroarbeit durch Kommunikation und über diese durch Information verwirklicht wird, und "Kommunikation" das Erzeugen, Senden-Transportieren-Empfangen (Übertragen) oder Archivieren-Wiederfinden-Abrufen von Mitteilungen sowie deren Erkennen und Verstehen umfaßt, wäre der Informationsmanager also der oberste Verantwortliche für die gesamte Büroarbeit - bei Dienstleistungsunternehmen der oberste Chef und bei Sachleistungsunternehmen würde er sich die Geschäftsleitung mit dem für Sachleistungen Verantwortlichen teilen.

Diese Vorstellung steht im Widerspruch zur Stabsstellen- beziehungsweise Unterstützungsfunktion einer OD-Abteilung in der bisherigen Praxis. Notwendige Daten für die Geschäftsabwicklung können nach derzeitiger organisatorischer Theorie und Praxis nur Verantwortliche qualitativ abgrenzen, um daraus die erforderlichen Informationen zu beziehen. Der jeweils verantwortliche Bearbeiter oder Vorgesetzte muß darüber hinaus auch angeben, ob und wo diese (hoffentlich) informationsbeladenen Nachrichten gespeichert werden sollen oder müssen, etwa im persönlichen oder im Abteilungs-/Firmenarchiv, und an wen sie weiter sowie abgegeben werden sollen oder dürfen (Nachrichten werden zu Mitteilungen). Der "Informationsmanager" und seine Mitarbeiter können ihm nur auf Anforderung behilflich sein, diese Maßnahmen zu organisieren und maschinell zu unterstützen.

Ein "Informationsmanager", der nicht den Status eines "Stabsmanagers", sondern denjenigen eines "Linienmanagers" hätte, würde faktisch die Aufgaben der Geschäftsleitung erledigen. Er würde neben der Geschäftsleitung das in der Organisationslehre geltende Prinzip der "Einheit der Auftragserteilung" - gleiche Aufgabenerfüllung durch zwei statt durch einen Aufgabenträger - verletzten.

Der "Informationsmanager" kann also nur ein Stabsmanager der Geschäftsleitung sein. Er hat in weiten Bereichen die Aufgaben eines heutigen Organisations- und Datenverarbeitungsleiters zu lösen - darüber hinaus jedoch auch noch zusätzliche, nicht organisatorisch geregelte "Bürokommunikationsaufgaben". Sein Wissen und seine Fähigkeiten müssen bedeutend breiter als diejenigen eines traditionellen Leiters für Organisation und Datenverarbeitung (Automatisierung) angelegt sein.

Von Anfang an haben OD-Leute die Bearbeiter oder Leiter der Fachabteilungen (Vertrieb, Produktion, Verwaltung) durch Ist-Aufnahmen befragt, welche Daten etwa Umsatz, Ertrag oder Kosten, welche, Textbausteine oder welche Graphen sie in welcher Darstellungsart, beispielsweise Tabellenform, Fließtext im Blocksatz, Säulendarstellung, am Bildschirm angezeigt oder auf Papier ausgedruckt haben wollen. Für viele Mitteilungen im Geschäftsverkehr wie Angebote, Bestellungen, Rechnungen bestehen dabei feste Rechts- und Gestaltungsnormen, geprägt durch die Betriebswirtschaftslehre. Es handelt sich dabei um "repetitive Mitteilungen". Bei ihnen ist jeweils die qualitative Aussage weitgehend gleichartig, die quantitative Aussage dagegen unterschiedlich. "Repetitive Mitteilungen" kommen im Geschäftsverkehr viel öfter vor als "innovative". Sie sind in ihrer qualitativen Aussage häufig "langlebig".

Vorschlag zur Gestaltung - nicht zum Inhalt

Im Gegensatz zu den "innovativen" werden sie gewöhnlich durch wiederholte Verwendung derselben "Verknüpfungsregeln (Algorithmen) erzeugt. Algorithmen sind die Voraussetzung für prädefiniertes oder programmiertes Erzeugen von Daten oder Mitteilungen, also für maschinelle Daten-, Test- oder Festbild-Verarbeitung.

Nur der Bearbeiter - Erzeuger oder Miterzeuger - von Mitteilungen oder eventuell sein Vorgesetzter kann letztlich angeben, welche Aussage, welchen Inhalt und welche Gestalt eine Mitteilung oder ein Datum aufweisen soll. Genau darin findet sein Fachwissen und seine Erfahrung - aber auch seine Kreativität - ihren Ausdruck. Der OD-Fachmann kann höchstens Vorschläge zur Mitteilungs- und Datengestaltung unterbreiten, nicht aber zum Inhalt oder zur gewünschten Information.

Daran wird sich auch in Zukunft nichts ändern (dürfen).

Die OD-Abteilung kann jedoch Abhängigkeiten zwischen "repetitiven Mitteilungen" und den sie zusammensetzenden Daten nach den Vorgaben der Bearbeiter strukturieren. Danach ist es möglich "Mitteilungs- und Datenbasen" wie Data-dictionary oder Data-management zu gestalten. "Datenmanagement" erlaubt das abgestimmte verteilte Archivieren, verbessert die Änderungsfreundlichkeit und die Kompatibilität von Anwenderprogrammen Datenbanken - und verringert den Programmpflege- sowie Datenhaltungs-Aufwand.

Die Aussage und Gestalt einer "innovativen Mitteilung" - etwa eine neue Produktidee, ein noch nicht beschrittener Vertriebsweg - und damit die darin enthaltene Information werden nach wie vor von "kreativen" Bearbeitern oder von Führungskräften geschaffen. Von besonderer Bedeutung sind dabei qualitativ neue Geschäftsziele. Ihre inhaltliche Abgrenzung muß die Geschäftsleitung vornehmen - vorausgesetzt, die Leitungsstruktur wird als "Organisationsprinzip" im Unternehmen aufrechterhalten. An der mangelnden Fähigkeit vieler Führungskräfte, solche qualitativ neuen, erfolgswahrscheinlichen Ziele artikulieren, setzen und durchsetzen zu kennen, kranken gegenwärtig viele Unternehmen.

"Notwendige" Information ist nicht bekannt

Mehr "Informationstechnik", die mehr und schneller Information zur Verfügung stellt, darf nicht darüber hinwegtäuschen, daß unternehmerische Entscheidungen - insbesondere Entscheidungen zu qualitativ neuen Produkt-, Dienstleistungs- und Vermarktungsideen - nach wie vor unsichere Entscheidungen bleiben. Da niemand in die Zukunft zu sehen vermag, müssen unternehmerische Entscheidungen zu qualitativem und etwas weniger risikobehaftet zu quantitativem Wachstum bei unvollkommener Information gefällt werden; die "notwendige" Information ist nicht bekannt. Weder die Entscheidungstheorie als Bestandteil der Betriebswirtschaftslehre noch die Informationstechnik liefern zu "unsicheren Entscheidungen" einen nennenswerten Verbesserungsbeitrag.

In Teil 2 seines Aufsatzes über Informationsmanagement beschäftigt sich der Autor Achim Musiol mit den Aufgaben der Abteilung "Bürokommunikation, Organisation und Automatisierung" und beleuchtet die auftretenden Probleme.

(Copyright der Grafiken beim Autor)