Der Hosting-Bedarf wird steigen

26.02.2002
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Joachim Hackmann ist Principal Consultant bei PAC – a teknowlogy Group company in München. Vorher war er viele Jahre lang als leitender Redakteur und Chefreporter bei der COMPUTERWOCHE tätig.
MÜNCHEN (COMPUTERWOCHE) - Der Markt für das Application-Hosting wird ein neues Gesicht bekommen. Bisher dominieren traditionelle Outsourcer das Geschäft. Beim Betrieb von Web-basierenden Applikationen erwächst ihnen künftig Konkurrenz durch Spezialisten.

Zwischen dem Komplett-Outsourcing und dem bis dato wenig genutzten ASP-Angebot hat sich die Serviceform des Application-Hosting etabliert. Sie ist vor allem deswegen interessant, weil sich Nachteile vermeiden lassen, die bei der Auslagerung oder Miete von IT-Ressourcen zum Tragen kommen. Denn anders als beim Outsourcing behält der Anwender die Hoheit über seine Applikationen, die ja oft eng verzahnt mit dem Kerngeschäft sind und daher ungern in die Verantwortung externer Betreiber übergeben werden. Im Vergleich zum Mietsoftwaremodell beziehen Hosting-Nutzer an ihre Bedürfnisse angepasste individuelle Leistungen von ihrem Geschäftspartner und müssen sich nicht mit dem kleinsten gemeinsamen Nenner begnügen.

Das Application-Hosting gibt es schon seit längerem, nahezu alle großen IT-Dienstleister bieten diese Variante an. Doch seit geraumer Zeit wächst die Anbieterschar, unter anderem durch enttäuschte ASPs. <a target="_blank" href="http://www.einsteinnet.de/">Einsteinet</a>, deutscher ASP der ersten Stunde, hat beispielsweise sein Portfolio ausgebaut, als klar wurde, dass die Erwartung im hiesigen Geschäft mit Mietsoftware nicht zu erfüllen ist. Mittlerweile setzt sich das Dienstleistungsspektrum aus klassischem Systemhausservice sowie einer Mischung aus Mietsoftware (etwa Exchange und Office) sowie Application-Hosting von SAP-Anwendungen zusammen.

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Der europäische Outsourcing-Markt: Die Marktforscher von IDC subsummieren unter dem Begriff Applikations-Outsourcing auch das Applikations-Hosting. Mietsoftware spielt heute im Outsourcing-Markt praktisch keine Rolle.  Quelle: IDC

Eine weitere Provider-Gruppe, die sich demnächst in dieses Segment vortasten könnte, sind die Web-Hoster, die bislang die Web-Infrastruktur von Anwendern betreiben und pflegen. Auch hier folgt die Ausweitung des Portfolios der ernüchternden Erkenntnis, dass mit der Vermietung von Infrastruktur kein Staat zu machen ist. Derzeit steht es insbesondere um die reinen Collocation-Anbieter, also derjenigen Unternehmen, die nur Stellfläche im Data-Center zur Verfügung stellen, besonders schlecht. James Eibisch, Research Director im Bereich IP- und Hosting-Services beim Marktforschungsinstitut <a target="_blank" href="http://www.idc.com/">IDC</a>, schildert anlässlich der von seinem Haus veranstalteten xSP-Conference in Frankfurt am Main die Lage mit knappen Worten: „Hohe Cash-Burn-Rate, geringer Gewinn, schlechtes Finanz- und Investitionsklima.“

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Maximal fünf kommen durch

Noch sind europaweit mehr als 20 Collocation-Betreiber tätig. Das sind deutlich zu viel, denn die insgesamt verfügbare Stellfläche, so der Analyst weiter, ist höchstens zu 25 Prozent ausgelastet. Bei Kosten für die Neueinrichtung eines hochgesicherten Data-Centers in Höhe von durchschnittlich 80 Millionen Dollar wird die Marktschwäche demnächst wohl so manchem Dienstleister zum Verhängnis. In fünf Jahren bleiben weniger als fünf paneuropäische Collocation-Betreiber übrig, meint IDC. Die dürfen sich dann über einen Auslastungsgrad von mehr als 60 Prozent freuen, allerdings nur, wenn sie ihr Serviceportfolio ausweiten und die Integration von E-Business-Anwendungen und Hosting-Diensten vollziehen.

Auch wenn der Strategieschwenk gelingt, wird das neue Serviceportfolio die neuen Anbieter nicht in die Liga der größten Application-Hoster hieven. Unternehmen wie <a target="_blank" href="http://www.t-systems.de/">T-Systems</a>, <a target="_blank" href="http://www.ibm.com/services">IBM Global Services</a> und <a target="_blank" href="http://www.tds.de/">TDS</a> können vor allem mit ERP- Know-how glänzen und gelangen so an die lukrativen Aufträge der Großkunden. Die gewandelten Hosting-Provider werden sich auf den Betrieb von oftmals unternehmenskritischen Web-Applikationen für kleine und mittelständische Unternehmen konzentrieren.

In jedem Fall ist IDC-Mann Eibisch zuversichtlich. Die derzeitige Krise, die viele mit Risikokapital finanzierte Provider ins Trudeln gebracht hat, ist seiner Einschätzung zufolge hausgemacht, denn nach wie vor sieht er Bedarf auf der Kundenseite. Der Motor im Hosting-Markt laufe derzeit nicht rund, so Eibisch, „er gehört aber nicht auf den Schrottplatz, sondern benötigt einen Ölwechsel“.

Service-Level-Agreements Damit gehostete Applikationen auch zuverlässig zur Verfügung stehen, werden zwischen den Partnern Service-Level-Agreements (SLAs) ausgehandelt und vertraglich fixiert. Dabei müssen die Formulierungen genau gewählt werden, um den Interpretationsspielraum möglichst einzuschränken. Sichert ein Provider etwa 99 Prozent Verfügbarkeit zu, können Systeme 7,2 Stunden oder 3,65 Tage am Stück ausfallen, ohne dass die Vereinbarungen verletzt wurden. Erstere Zeitangabe bezieht sich auf einen monatlichen, letztere auf einen jährlichen Messzeitraum. In jeden Vertrag gehört zudem geschrieben, welche Komponenten von den Leistungsbeschreibungen betroffen sind. Versprechungen der Service-Provider erstrecken sich selten auf den Local Loop, weil der von der Telekom angemietet wurde, und die garantiert nur 97 Prozent Verfügbarkeit.

Ähnliches gilt für Performance-Daten des Netzes: Auch hier wird in der Regel die Umlaufzeit eines Datenpaketes zwischen zwei Netzknoten (Round-Trip-Time) exklusive des Local-Loop-Zugangs gemessen. Als guten Wert für eine europäische Verbindung bezeichnet Christian Schlichtherle, Marketing-Manager bei Psinet, 90 Millisekunden, wobei der Verlust von Datenpaketen nicht die Marke von einem Prozent überschreiten sollte. Der Wert einer SLA-Vereinbarung erschließt sich erst, wenn Probleme auftauchen. Ein rund um die Uhr besetzter User-Helpdesk garantiert keineswegs zeitunabhängig kompetente Hilfe, wenn der Service-Provider zur Nachtschicht nur ungelernte Hilfskräfte zur Anrufannahme eingestellt hat. „Lassen Sie sich die einzelnen Eskalationsstufen erläutern“, rät Guido Koeglsperger, Country Portfolio and Opportunity Manager beim Managed-Hosting-Anbieter Genuity, Bad Homburg, „fragen Sie, welche Qualifikation das Supportteam hat.“ Mit

Systemausfallzeit muss man ohnedies immer rechnen, nicht zuletzt weil Software nie fehlerfrei ist. Zu große Versprechnungen seitens der Dienstleister sind daher Augenwischerei. „SLAs ohne Kompensationskomponente sind nicht glaubhaft“, warnt Christian Schlichtherle.