Microsoft verschärft Lizenzpolitik schrittweise

Der Gewinn kommt durch die Hintertür

09.04.1999
Von Michael Wagner* Der Trick ist aus der Waschmittelbranche hinlänglich bekannt. Anstatt die Preise zu erhöhen, wird einfach der Füllstand der Packung verringert. Mit ähnlichen Methoden arbeitet Microsoft. Die Preise für Produkte aus Redmond sind seit 1996 nahezu unverändert, die Lizenzpolitik hat sich dagegen stark gewandelt.

Auf den ersten Blick können sich die Anwender freuen - seit 1996 hat Microsoft die Listenpreise eines Großteils der eigenen Produkte nicht mehr verändert. Die wundersame Preisstabilität hat aber auch eine Schattenseite: In den letzten Jahren wurden von den Redmondern mehrfach die Bedingungen der Verträge modifiziert, unter denen Softwarelizenzen zu erwerben sind - von nationalen Besonderheiten und individuellen Verträgen mit Großkunden einmal abgesehen.

Nach einer Studie der Gartner Group können die veränderten Vertragsbedingungen unter bestimmten Voraussetzungen die Softwarekosten verdoppeln bis verdreifachen. Laut einer Umfrage der CW-Schwesterpublikation "Computerworld" hat Microsoft bereits bei 23 Prozent der Anwender neue Vertragsmodalitäten durchgesetzt.

Eine der wichtigsten Modifikationen betrifft die Nutzungsart der Software. Während früher lediglich die gleichzeitige Nutzung ("concurrent use") durch eine bestimmte Anzahl von Endanwendern als Grundlage der Lizenzabrechnung verwendet wurde, müssen künftig alle Installationen separat in Lizenz genommen und bezahlt werden. Für Unternehmen, deren Mitarbeiter viel außer Haus sind oder sehr unterschiedliche Aufgaben bewältigen und die Softwarewerkzeuge mal intensiv und mal gar nicht nutzen, bedeutet dies eine unmittelbare Verteuerung: Bisher war die Software zwar häufig installiert, wurde aber nur auf einem Bruchteil der Rechner gleichzeitig genutzt, entsprechend wurden die Verträge gestaltet. Nun muß für alle Installationen gezahlt werden, obwohl der Nutzungsgrad nicht steigt.

Zusätzlich fällt ins Gewicht, daß viele Großanwender auf Verlangen von Microsoft viel Geld für Verwaltungswerkzeuge und -prozeduren ausgegeben haben, um die gleichzeitige Nutzung der Softwarepakete zu ermitteln. Nun sind diese Investitionen nahezu hinfällig. Die Metering-Software und ihre Statistik lassen sich höchstens noch für interne Zwecke oder für Produkte verwenden, die immer noch nach dem Concurrent-Lizenzmodell abgerechnet werden.

Ähnlich einschneidend dürfte sich die Abschaffung der Nutzungsrechte für den Heimarbeitsplatz ("home use") auswirken. Bislang mußte für die Installation auf den privaten Rechnern nicht separat bezahlt werden, sofern das Produkt auch auf dem Unternehmens-Desktop zum Einsatz kam. Diese Rechnung gilt jetzt nicht mehr. Für Unternehmen, die zunehmend Telearbeitsplätze einrichten wollen, kann diese Veränderung zu Mehrkosten führen. Auch die Modalitäten der Wartungsverträge haben sich geändert. Bislang konnten sie unabhängig von der Laufzeit eines Lizenzvertrags und auch nur für einen Bruchteil dieses Zeitrahmens geschlossen werden.

Inzwischen gelten Wartungsverträge für eine Laufzeit von zwei Jahren. Mit dieser Änderung will Microsoft offensichtlich verhindern, daß Anwender nur für kurzfristig anfallende Aufgaben, etwa den Wechsel auf eine neuere Betriebssystem-Version, einen Wartungsvertrag abschließen.

Die Begründungen des Herstellers für die vielfältigen Veränderungen der Vertragsbedingungen fallen etwas dürftig aus. Offiziell heißt es nur, die Mehrzahl der Kunden hätte auf eine Vereinfachung der Lizenzbedingungen gedrängt. Insbesondere in bezug auf die Abschaffung der "Concurrent-use"-Lizenz, die von einem Großteil der Microsoft-Klientel genutzt wurde, erscheint diese Argumentation etwas fadenscheinig.

Änderungen haben sich bereits abgezeichnet

Ebenso schwach sind die Ratschläge, die man in Redmond für die betroffenen Anwender bereithält. So sollen etwa Nutzer der bisherigen Concurrent-Lizenz innerhalb des Unternehmens Anwender eruieren, die das Office-Paket nur zum Betrachten von Dateien eingesetzt haben. Diese könnten mit dem kostenlosen Viewer ein Tool für ihre Zwecke finden.

Microsofts strengere Lizenzpolitik kommt nicht überraschend, in jüngster Zeit hatte man bereits mehrere Schritte in dieser Hinsicht unternommen. Viele Anwender erinnern sich noch schmerzlich, daß Microsoft die IP-Verbindungen der Windows NT Workstation auf zehn begrenzte, um so eine Nutzung des Betriebssystems mit einem fremden Web-Server zu erschweren. Damit war man gezwungen, auf den teureren NT Server umzusteigen, für den es den Internet Information Server kostenlos gab.

Ein etwas anders gelagertes, ebenfalls jüngeres Beispiel, bietet der Windows Terminal Server. Im Zuge des Thin Client Computing sah sich Microsoft gezwungen, mit dem Terminal Server eine Windows-orientierte Alternative zu Konkurrenzprodukten anzubieten. Die preisgünstige Möglichkeit der reinen Darstellung von Windows-Anwendungen auf billiger Hardware sollte der Thin-Client-Bewegung den Wind aus den Segeln nehmen. Als die Akzeptanz der Microsoft-Architektur stieg, verlangte der Hersteller für jeden Terminal-Server-Client eine NT-Workstation-Lizenz und hob damit zunächst sämtliche Einsparungsmöglichkeiten wieder auf. Erst kürzlich hat sich Microsoft dazu entschlossen, die Preise für Windows-Terminal-Server-Lizenzen zu senken.

Für den Internet-Zugang zum "Exchange Server" hat sich Microsoft ebenfalls das entsprechende Kleingedruckte einfallen lassen. Der Zugang über einen beliebigen Web-Browser ist nur dann kostenlos, also ohne entsprechende Client-Access-Lizenz (CAL) für den Server möglich, wenn der Zugriff anonym erfolgt. Dieses Verfahren ist aber ausschließlich für eine rein informative Kommunikation über das Internet interessant. Wer eine professionelle, benutzerorientierte Interaktion wünscht, wie sie insbesondere im Intranet oder Extranet nötig ist, muß eine CAL erwerben, so etwa für den Zugang zu den persönlichen Mailboxen. Damit bröckelte das Lockangebot für den vermeintlich kostengünstigen Server, denn CALs sind vergleichsweise teuer.

In letzter Zeit gehen Microsoft-Vertriebsmitarbeiter dazu über, den Kunden anstelle des gewohnten "Select"-Vertrags nun die neue Vertragsvariante "Enterprise" anzubieten. Obwohl Anwender offiziell die Wahl zwischen beiden Vertragsarten haben, tendieren offensichtlich viele Verkaufsgespräche in Richtung Enterprise-Variante, die sich in Umfang und Abrechnungsmodus allerdings erheblich von Select unterscheidet.

Unter dem Select-Vertrag ist der Benutzer verpflichtet, quartalsweise die installierte Software mit Microsoft abzurechnen. Das heißt, man zahlt nur für das, was zu einem bestimmten Zeitpunkt tatsächlich genutzt wird. Im Enterprise-Vertrag, der die gesamte Microsoft-Produktpalette umfaßt, können jährliche Zahlungen für eine zu definierende Gesamtmenge von Installationen bis zu vier Jahre im voraus festgelegt werden. Für Unternehmen, die ihre ganze DV auf Microsoft-Software ausrichten, kann dieser Deal durchaus sinnvoll sein. Dabei besteht allerdings die Gefahr, daß Anwender mehr Microsoft-Lizenzen kaufen, als in der späteren Praxis benötigt werden. Auf diese Weise wird schnell zuviel bezahlt, denn ein Nachlaß für ungenutzte Lizenzen ist nicht vorgesehen.

Ihre Vertragsbedingungen sollten die weitgehend auf Microsoft setzenden Anwender in einer weiteren Hinsicht überprüfen. Durch das Upgrade-Advantage-Programm ermöglicht es der Hersteller seinen Enterprise-Kunden in einer anscheinend kostengünstigen Weise, auf neuere Versionen der Software umzusteigen. Allerdings gelten diese Upgrade-Rechte nur für die Dauer des zugrundeliegenden Lizenzvertrages. Sollte sich Microsoft mit der neuen Version verspäten, so sind die Rechte hinfällig und müssen neu erworben werden.

Für die Analysten der Branche sind all diese Veränderungen ein klares Anzeichen dafür, daß Microsoft versucht, aus einem nahezu gesättigten Markt mehr Geld herauszuholen. Dem Branchenriesen gelingt es, mit relativ niedrigen Preisen oder attraktiven Paketen Marktanteile zu gewinnen, um dann andere Wege der Ertragssteigerung zu finden als den der direkten Preiserhöhungen.

Welche Methode diese Strategie hat, zeigt sich allein daran, daß es eine der Vertragsbedingungen Microsofts erlaubt, die Produkt-Nutzungsrechte jederzeit zu verändern, solange der Anbieter dreißig Tage zuvor schriftlich darauf hinweist. Die Praxis zeigt: Während andere Hersteller ihre Bedingungen eher selten ändern, modifiziert Microsoft zwei- bis viermal pro Jahr.

Die Neigung, Verträge einseitig abzuwandeln, verdeutlicht, wie Microsoft seine Dominanz auf Betriebssystem-Ebene auch im Anwendungsbereich ausnutzt. Viele Anwender, die sich weitgehend auf Windows eingelassen haben, sind nicht mehr in der Lage, die Verhandlungen abzubrechen, wenn die Microsoft-Vertreter auf wenig kundenfreundliche Vertragsbedingungen pochen. Immerhin können die Unternehmen ihre Position stärken, indem sie sich über Alternativen informieren und zumindest eine entsprechende Kostenstruktur für das eigene Haus aufstellen. Idealerweise ist dann ein anderes Desktop-Betriebssystem wie Linux oder eine zweite Produktivitäts-Suite im Hause vorhanden, deren möglicher umfassender Einsatz als Druckmittel verwendet werden kann.

Ausblick

Windows 2000 soll in den Varianten "Professional", "Server", "Advanced Server" und "Data Center Server" herauskommen, Preisangaben gibt es derzeit noch nicht. Die unlängst entsprechend gegliederte Back-Office-Produktfamilie zeigt jedoch, daß die Kosten für die Enterprise Edition beim vier- bis fünffachen der Standard Edition liegen. Zu befürchten ist, daß Anwender ihre bestehenden Wartungsverträge nicht für die entsprechenden Upgrades nutzen können. Ferner gibt es Anzeichen dafür, daß die Nutzungsrechte der teureren Versionen mit dem Abschluß von Wartungsverträgen verbunden werden.

*Michael Wagner ist als Berater und Publizist in München tätig.