Der Geist von San José

16.06.1983

Von der IBM 1977 intern in Betrieb genommen, geisterte der Prototyp "System R", Ergebnis der Forschungsarbeiten des Mainframe-Giganten über ein Modell relationaler Datenbanken, seither durch den (DV-)Blätterwald.

Die Ursprünge von "R" lassen sich bis in das Jahr 1968 zurückverfolgen, als man in San José,, dem Brainstore der IBM-Softlaboranten, mit Blick auf die Logik von Informationsstrukturen zu abstrahieren begann.

Ein relationales Datenbanksystem zu entwickeln, das effizient, sprich: Performance-schonend, auf der vorhandenen Hardware laufen konnte, fiel den IBM-Forschern aber offensichtlich schwer. "System R"-Spekulationen, etwa im Zusammenhang mit IBMs Ewig-Erlkönig "FS" (Future System) erwiesen sich jedenfalls als Windeier.

Der IBM schien es zunächst erfolgversprechender, den normalen Alterungsprozeß der hierarchischen DB-Systeme DL/I und IMS künstlich hinauszuzögern. Dies mußte ihr um so leichter fallen, als IBM-Kunden auf der ganzen Welt astronomische Summen in DL/I- und IMS-Anwendungen investiert hatten und eine Datenbankumstellung fürchteten wie der Teufel das Weihwasser. Der "Geist von San José" schwebte gleichwohl Ober allem wie ein Guru.

Im Frühjahr 1981 wurde dann die erste Portion in Flaschen abgefüllt und als relationales DB-Produkt auf den Markt gebracht. Das Etikett (SQL) wies das IBM-Lizenzprogramm zwar nicht eindeutig als "R-Lage" aus, doch für die interessierte Öffentlichkeit bestimmte Schriftstücke, so eine Auslassung von Relationen-Vater Codd (CW Nr. 9 vom 27. Februar 1981), gaben einiges Ober die Herkunft von SQL preis.

Die "Structured Query Language" (Langname)war für die mittleren Rechen der IBM bestimmt, sollte in Koexistenz mit DL/I DOS/VS leben. Geschickt wollte der Marktführer damit den Eindruck vermeiden, daß der DOS-Anwender mit DL/I in der DB-Sackgasse sitzt. Schon damals wurden "entsprechende zukünftige Ankündigungen im MVS-Bereich" (O-Ton IBM) in Aussicht gestellt. Der Film ist abgedreht. Database 2, kurz: DB2, die relationale Datenbank im IBM-Großsystembereich, ist da (Seite 1).

Nach einer solchen Ankündigung müßten sich die Anwender eigentlich fragen, welche Planungssicherheit sie in puncto IBM-Datenbank-Software künftig haben. Gewiß: Vom Alptraum einer Totalüberführung ihrer IMS-Datenbanken in DB2-Tabellen, die theoretisch möglich wäre, sind sie endgültig befreit. Die große Verunsicherung (Gibt es ein IMS-Interface?) hat nun ein Ende. Doch man kann von der IBM nicht das Unmögliche verlangen. In den Worten ihrer PR-Schreiber wird denn auch lediglich beabsichtigt, die Systeme IMS/DB und DB2 "nach den Bedürfnissen der Kunden Weiterzuentwickeln und zu unterstützen".

Für die Fachleute ist klar: Auch durch Handauflegen werden aus IMS und DB2 keine siamesischen Zwillinge. Die einstige Melkkuh IMS, sagen Marktbeobachter, hat ihre Schuldigkeit für IBM getan. Nach einer Faustregel der Branche dauert es zwar ein paar Jahre, bis sich die Präferenz für ein zukunftssicheres Softwaregebiet, hier relationale Datenbanken, in einem Unterstützungsentzug für "alte" Programmprodukte auswirkt, doch sollte der IMS-Anwender von IBM nicht zuviel erwarten.

Die Frage, ob sich denn IMS und DB2 in dieselbe Zentraleinheit teilen können, birgt zusätzlichen Zündstoff. Kann IMS, für Umgebungen mit hohem Performance-Anspruch konzipiert, dann noch atmen? IBM-Kenner vermuten gänzlich neue Hardware (Sierra!), die das Koexistenz-Problem lösen soll. Hier sieht der Marktführer glänzende Upgrade-Möglichkeiten. Der Benutzer wird auch so, betrachtet man die DB2-Lizenzgebühren, kräftig zur Kasse gebeten.