Messaging Systeme/Ergänzung statt Konkurrenz

Der Gebrauch von Voice- und E-Mail schließt sich nicht aus

08.11.1996

"Guten Tag. Hugo Meissner, ABC GmbH. Ich bin momentan nicht erreichbar, bitte hinterlassen Sie mir eine Nachricht!" Etwa jedes siebte größere Unternehmen in Deutschland bietet seinen Mitarbeitern bereits den Service einer persönlichen Mailbox, in der Anrufer Nachrichten hinterlassen können. Und der Trend ist nicht mehr aufzuhalten. Werden wir bald nur noch von Mailbox zu Mailbox kommunizieren ?

Intelligente Voice-Mail-Lösungen steigern die Produktivität der Mitarbeiter, verringern die Wartezeiten am Telefon, verbessern den Kundenservice und machen erst eine moderne Unternehmensführung im Sinne des Business Re-Engineering möglich. Da Voice-Mail jedoch gleichzeitig in gewohnte Prozesse eingreift, ist ein gezieltes Programm zur Einführung und zum weiteren laufenden Management unverzichtbar.

Während Voice-Mail-Systeme lange Zeit hauptsächlich als lokale Anrufbeantworter eingesetzt wurden, finden sie nun immer häufiger im Rahmen bestehender Corporate Networks als standortübergreifendes Nachrichtensystem Verwendung. Der Nutzer kann dann nicht nur empfangen, speichern und löschen wie in der Grundfunktion.

Voice-Mail ist das einzige Medium, das den Komfort bietet, eine Nachricht im Originalton mit der vollen Ausdrucksmöglichkeit der natürlichen Sprache zu hinterlassen, und das ohne den Umweg über die Tastatur. Ihr Nutzen liegt in der genial einfachen Bedienung von jedem beliebigen Telefon aus und in der einfachen Zugänglichkeit - vom Handy unterwegs genauso wie vom Büro aus. Während Anrufbeantworter und Mobiltelefon-Mailboxen reine Einbahnsysteme sind, ermöglichen Sprachnachrichtenlösungen der komfortableren Art zusätzlich das unmittelbare Beantworten, das Senden, Weiterleiten und das Verteilen von Nachrichten.

Letztere Funktion ist besonders attraktiv für das mobile Management. So kann ein Vertriebsleiter mit einem Zeitaufwand von rund drei Minuten alle Außendienstmitarbeiter gleichzeitig informieren.

Eines der Unternehmen, das auf die Funktionalität eines Voice-Mail-Systems zurückgreift, ist die Gallo Winery Deutschland GmbH, Bad Homburg. Der weltweit größte Produzent kalifornischer Weine engagiert sich zwar erst seit zwei Jahren auf dem deutschen Markt, hat sich aber bereits eine führende Marktstellung erarbeitet.

Das läßt sich neben dem durchdachten Marketing-Konzept insbesondere auf die qualifizierten Außendienstmitarbeiter zurückführen. Sie nutzen laut Nencho Kolev, Personalverantwortlicher bei Gallo Winery, seit Mitte diesen Jahres täglich Voice-Mail und sparen damit in der Woche jeweils zirka zwei Stunden. Früher wurden sämtliche tagsüber eingegangenen Nachrichten erst nach 18 Uhr beantwortet.

Durch den Voice-Mail-Service sind die Außendienstleute nun den ganzen Tag über erreichbar und können eingehende Nachrichten sofort bearbeiten. Neben der Zeitersparnis hat das natürlich auch zur Folge, daß sich die Kunden besser informiert fühlen. "Die interne Kommunikation ist insgesamt schneller und flexibler geworden, was insbesondere dem Kundendienst zugute kommt", schildert Kolev die Erfahrungen.

Auch das britische Handelsunternehmen Sears Womenswear, Düsseldorf, in Deutschland mit einem "Shop-in-the-shop"-Konzept in Karstadt-, Hertie- und Horton-Kaufhäusern vertreten, nutzt seit diesem Juni den Connect-Voice-Mail-Service. Deutliche Verbesserungen sind hier im Bereich Kundenservice zu verzeichnen: Verlangt etwa ein Kunde eine in der Filiale nicht vorrätige Jacke, startet die Filialleiterin mit Hilfe einer gespeicherten Voice-Mail-Verteilerliste eine Anfrage an die Niederlassungen in der näheren Umgebung. Mit einem einzigen Anruf lassen sich sämtliche Geschäftsstellen erreichen.

Auch in unternehmensinternen Bereichen bei Sears wird Voice-Mail vielfältig eingesetzt. Die deutschlandweit zuständige Finanz-Kontrolleurin Gisela Grobusch nutzt Voice-Mail unter anderem für die Verbreitung von Memos, Arbeitsanweisungen und Nachrichten, um die Filialen an Abgabetermine für aktuellen Umsatzzahlen zu erinnern. "Dadurch ist die Kommunikation zwischen dem Management und den Filialen wesentlich besser und flexibler geworden," weiß sie zu berichten.

Voice-Mail-Systeme und entsprechende Dienstleistungen von Spezialanbietern sind vor allem interessant für:

- vertriebsorientierte Unternehmen mit einer größeren Zahl von Außendienstmitarbeitern

- Unternehmen mit internationalem Kommunikationsbedarf (unabhängig von Ort und Zeit) sowie für

- Unternehmen, die besonderen Wert auf die Qualität ihrer Produkte und Arbeitsabläufe legen.

Doch in den Köpfen vieler Manager ist noch verankert, daß ein vorhandenes Mail-System bereits den Kommunikationsfluß der traditionellen Hauspost oder des Fax als Dokumentenversendemedium abgelöst hat. Während E-Mail für das Verschicken von Excel-Tabellen ideal ist, müssen normale Nachrichten nach wie vor umständlich über die Tastatur eingegeben werden.

Voice-Mail funktioniert ganz einfach mit Sprache und praktisch überall vorhandenen Telefonen und besitzt einen erheblichen Komfortvorteil. Moderne Organisationen setzen beide Medien ein und überlassen es ihren Mitarbeitern, welche Alternative sie jeweils einsetzen wollen. Neuere Voice-Mail-Systeme bieten zusätzlich die Möglichkeit, auch Faxe in der Mailbox zu empfangen beziehungsweise aus der Mailbox heraus zu verteilen oder weiterzuleiten.

Voice-Mail bietet einige Vorteile:

- Es beschleunigt Prozesse

- Es verbessert den Informationsfluß allgemein

- Es ermöglicht die Arbeit von geografisch verteilten Workgroups

- Es ergänzt bestehende E-Mail-Systeme, die allesamt zu einer insgesamt gesteigerten Wettbewerbsfähigkeit und Schlagkraft führen.

Neben solchen qualitativen gibt es aber auch signifikante quantifizierbare Pluspunkte:

- Vermeidung unnötiger Anrufversuche durch Besprechen einer Mailbox schon beim ersten Kontakt

- Unnötige Rückrufe entfallen - die Antwort ist auf der Mailbox vorhanden

- Reduktion von Leerzeiten bei Mitarbeitern.

Der Nutzen für das Unternehmen durch ein professionell implementiertes und betriebenes Voice-Mail-System beträgt etwa zwei bis drei Prozent an Produktivitätsgewinn durch eine bessere Ausnutzung der Telekommunikationsinfrastruktur und das Vermeiden von Leerzeiten bei Mitarbeitern.

Auf die Implementierung und Betreuung der Systeme sowie der Anwender haben sich Dienstleister wie etwa die Connect Voice Messaging GmbH aus Bad Homburg spezialisiert. "Intelligentes Anruf-Management" ist beispielsweise von wettbewerbsentscheidender Bedeutung, denn bei einem durchschnittlichen deutschen Unternehmen gehen rund 30 bis 40 Prozent aller Anrufe täglich verloren. Erhebungen belegen eindeutig, daß es einen direkten Zusammenhang zwischen koordinierten Trainingsmaßnahmen und dem Erfolg einer Voice-Mail-Einführung gibt. Nutzer-Helpdesk, Wartung und technisches Monitoring gehören genauso dazu wie die Anti-"Hacking"-Kontrolle, die verhindert, daß Telefonrechnungen durch unbefugte Eingriffe in die Höhe schießen. Voice-Mail-Lösungen werden von praktisch allen Telefonanlagenherstellern als Teil der Anlage und von unabhängigen spezialisierten Voice-Mail-Anbietern vermarktet. Da es auf absehbare Zeit keine offenen Standards geben wird, ist die richtige Wahl des Systems von erheblicher Bedeutung. Unternehmen, die an ihren Standorten unterschiedliche Telefonanlagen einsetzen, können nur dann ein unternehmensweites Nachrichtensystem realisieren, wenn sie sich auf eine einheitliche Voice-Mail-Technik festlegen.

Integration von Voice- und E-Mail

Bei der künftigen Entwicklung der Technik ist absehbar, daß das "Universal Electronic Messaging" mit Universal-Mailboxen die heutige Vielfalt an Einzellösungen ersetzen wird. Beim Zugriff auf nur eine persönliche Mailbox lassen sich Nachrichten aller Art empfangen, egal ob Text, Fax, Sprache oder künftig Video. Voice-Mail-Systeme werden sowohl Teil der Telefonanlage als auch des LANs werden und als Voice-Mail-Server ihre Arbeit tun. Schon heute bieten einige Hersteller Softwareprogramme an, die es gestatten, Voice-Mail-Nachrichten gemeinsam mit E-Mails auf einem gemeinsamen Bildschirm anzuzeigen und selektiv abzufragen.

Jeder sollte sich aber darüber im klaren sein, daß Voice-Mail-Lösungen in Mitarbeitergewohnheiten eingreifen und die Unternehmenskultur verändern. Sie sind nur dort erfolgreich, wo das Management den Umgang mit den Systemen vorlebt, in Training und laufenden Nutzer-Support investiert wird und Qualitätsrichtlinien den Umgang mit dem System regeln. Ähnlich wie bei anderen Informations- und Kommunikationslösungen reicht die technisch perfekte Installation der Hard- und Software allein nicht aus.

Angeklickt

In Unternehmen, die ihre Geschäfte mit einer größeren Anzahl von Außendienstmitarbeitern abwickeln oder einen internationalen Kommunikationsbedarf haben, sollte über den Einsatz von Voice-Mail-Systemen nachgedacht werden. Die Produkte ähneln in der Funktionsweise den E-Mail-Systemen und gestalten den heute üblichen geschäftlichen Kommunikationsfluß über das Telefon effektiver.

*Robert Feldmann ist Geschäftsführer bei der Connect Voice Messaging GmbH in Bad Homburg.