Der Gastkommentar von Dipl-Ing. Walter Wieltsch, Direktor Geschäftsbereich Handelspartner, IBM Wien, in der COMPUTERWELT, veranlaßt mich zu einer Sachverhaltsdarstellung

14.11.1986

Der Gastkommentar von Dipl-Ing. Walter Wieltsch, Direktor Geschäftsbereich Handelspartner, IBM Wien, in der COMPUTERWELT, veranlaßt mich zu einer Sachverhaltsdarstellung.

IBM-Händler werden wie Sklaven und Leibeigene gehalten. Sie bekommen Knebelverträge, die von der EG Kommission entschärft wurden und der Firmen-"Policy" entsprechen. Man darf Abnahme-Quoten erfüllen und erhält entsprechende Rabatte. Man muß sich der jeweiligen Firmenstrategie beugen und die drei Buchstaben hochhalten. Vor allem aber muß man kuschen.

Beschließt Big Blue eine Preisreduktion, so trifft dies die treuen Vertragshändler. Denn unter Garantie läuft vorher eine "Aktion". Mittels Bonus wird man verführt, das Lager vollzustopfen. Im Vertrauen auf die zugesagte Preisstabilität hat man sich einlullen lassen. Was man nicht rechtzeitig losschlagen konnte - sprich innerhalb von 60 Tagen -, wird ohne Rücksicht abgewertet. De facto muß man plötzlich zum Einstandspreis oder darunter verkaufen. Auch dazu muß man kuschen.

Öffentliche Stellen bekommen Sonderkonditionen im Rahmen eines Mengenbeschaffungsplanes, damit sie nicht bei Vertragshandel kaufen, wobei es teilweise mehr als 40 Prozent Rabatt gibt. Was entscheidend besser ist, als je ein Händler als Spanne bekommt. Allerdings gibt es keinen Support, keine Betreuung, und das Zeug wird in Schachteln geliefert.

Die so bevorzugten Stellen wenden sich daher an die offizielle Händlerschaft, die vertraglich verpflichtet ist, Hilfestellung in Garantiefällen zu gewähren. Auch wenn die Rechner woanders bezogen wurden. Sie dürfen dann den Aufwand zu fixen, keinesfalls kostendeckenden Taxen mit Big Blue abrechnen. Und im übrigen dürfen sie schon wieder kuschen.

Das ist auch der wahre Grund, warum jeder Vertragshändler einen "Shop" haben muß. Damit Anlaufstellen existieren, für die vielen frustrierten Kunden, die Frager, nebst Cash-&-Carry-Beglückten, allen also, die sonst keine Betreuung bekommen können. Und damit auch die technischen Probleme Ó la AT behoben werden. Denn auch dazu sind die IBM-Vertragshändler da. Die ja ohnehin andauernd kuschen müssen.

Was bei den gekonnt inszenierten Händlermeetings am deutlichsten wird. Das Programm ist so dicht, daß für Gespräche keine Zeit bleibt. Auch nicht untereinander. Teile und herrsche, unter perfekter Regie. Die Gladiatoren dürfen sich amüsieren. Wer aufmüpfig ist, bekommt den Daumen. Nach unten.

IBM-Vertragshändler zu sein ist ein reines Verlustgeschäft. Unter kaufmännischem Aspekt gesehen. Und durch Kostenrechnung bestätigt. Wer aber aus Eitelkeit, Liebhaberei oder Hobby ein wenig von IBM Abglanz auf sich verspüren möchte, ist gut beraten, einen "Shop" zu eröffnen. Es tut dem Ego gut und ist ein garantierter Abschreibposten.

Vielleicht ist das der Grund, warum sich Bankentöchter, Gewerkschaftsfirmen und die Verstaatlichte so um IBM-Verträge reißen. Da spielt Geld keine Rolle. Man weiß ja, wo man sich´s zwangsweise eintreiben kann. In Form überhöhter Kreditzinsen, Mitgliedsbeiträgen oder Subventionen aus dem allgemeinen Steuertopf.

Nur wegen der permanenten, auch auf Zeit gesehen, unvermeidbaren Verluste, hat sich IBM in den Vereinigten Staaten von den konzerneigenen Shops getrennt. Dort waren natürlich IBM-Mitarbeiter beschäftigt. Die nicht so mit sich umspringen lassen, wie die primitiven Ladeninhaber. Als IBM-ler kann man sich wehren. Via Betriebsrat und per betriebseigener Meinungsumfrage (!). Da bleibt kein Auge trocken. Und man hat gezwungenermaßen die einzig richtige Konsequenz gezogen. Weg damit!

Natürlich gab´s einmal einen "guten" Grund, auf IBM zu setzen. Das unausgesprochene Versprechen, mit dem Marktführer technisch hervorragendes Gerät vermarkten zu können. Leider existiert ein vermeintlich technischer Vorsprung nur mehr in der mentalen Vorstellungswelt einiger IBM-Oberen. Die Realität sieht anders aus. Big Blue tappt unbeholfen hinter der Marktentwicklung her. Das letzte unübersehbare Signal kam von Compaq. Mit deren 386-Modell ist man Ma Blue um nicht weniger als ein Jahr voraus.

Unter Abwägung all dieser Tatsachen, deren Auswirkungen auch die IBM selbst treffen, wie die US-Shops zeigten, zu behaupten, bei den Vertrags-lBM-Händlern handle es sich um "zukunftsorientierte, sehr gut geführte Unternehmungen", zeugt entweder von präpotenter Verachtung oder grenzenloser Naivität.

Wir schließen daher den größten Wiener Computer-Shop und ziehen uns wieder nach 1210 Wien, Gerstlgasse 26, zurück und konzentrieren uns auf Schulung, Softwareentwicklung und Know-how-Verkauf. Wir hoffen, daß sich betriebswirtschaftliche Grundsätze sowohl bei IBM und Bankentöchtern durchsetzen, denn ich möchte noch die IBM-Pension erleben ...