Dringendes Sanierungsprogramm und Kapitalaufstockung

Der französische Staat wird SGS-Thomson-Mehrheitsaktionär

02.10.1992

PARIS - Frankreich und Italien gehen jetzt die Sanierung des Halbleiter- Herstellers SGS-Thomson an. Zunächst werden die Industrieholding des französischen Atomenergie - Kommissariats (CEA-I) und die Fernmeldebehörde France Telecom 45 Prozent an

SGS übernehmen, für später ist eine Kapitalaufstockung geplant (vgl. CW Nr. 38 vom 18. September 1992, Seite 78).

Der Anteil, den der französische Staat im Visier hat, gehört

bislang noch zur Rüstungselektronik-Sparte des Thomson-Konzerns (Thomson-CSF). Im Rahmen der anvisierten Kapitalerhöhung würde dann die italienische Staatsholding IRI/Finmeccanica, die heute ebenfalls 45 Prozent an SGS hält, in die Rolle eines Minderheitsaktionärs verwiesen werden. Statt dessen sollen sich künftig eventuell auch Großkunden an dem binationalen Chip- Fabrikanten beteiligen.

Noch unklar ist, ob künftig die britische Gruppe Thorn-

EMI (derzeit zehn Prozent Anteil) noch bei SGS-Thomson vertreten sein wird. Von Thorn stammt die bei SGS mitbenutzte Inmos-Chip-Technologie. Sicher läßt sich bis jetzt also nur absehen, daß SGS-Thomson ab 1993 mehrheitlich unter französischen Einfluß geraten wird.

Die finanzielle Sanierung des Unternehmens, das heute in Europa Platz drei und weltweit Platz 15 hält, wurde immer dringlicher, nachdem es seit seiner Gründung 1987 (mit Ausnahme des Jahres 1989) nur Verluste aufgehäuft hatte. Allein 1991 waren es 102,6 Millionen Dollar bei 1,5 Milliarden Dollar Umsatz.

Gleichzeitig ist der von Pasquale Pistorio geleitete Konzern mittlerweile mit 900 Millionen Dollar verschuldet? braucht also frische Mittel? um langfristig handlungsfähig zu bleiben. Pistorio würde künftig an Jean-Claude Hirel, den Chef von CEA-I, berichten, der sich von dem jetzt beschlossenen Sanierungsplan eine Verbesserung des Cash-flows bei SGS und Synergieeffekte im Bereich Forschung und Entwicklung verspricht: Das Atomenergie-Kommissariat und France Telecom verfügen beide über geeignete Forschungslabors in der Nähe von Grenoble.

Der Chip-Fabrikant selbst baut in der gleichen Region zur Zeit ein Entwicklungszentrum für ICs, das 1993 in Betrieb gehen soll und an dessen Arbeit sich auch die Halbleiter-Division von Philips beteiligen will. Allein der Bau dieses Zentrums kostet mehr als 200 Millionen Dollar. Die für später vorgesehene Serienfertigung würde weitere massive Investitionen erfordern, die SGS ohne finanziellen Rückhalt bei potenten Aktionären kaum zu leisten imstande wäre.