Das BDSG und der Geheimbereich:

Der Fall Simitis

09.09.1977

Es gereicht der Regierung zur Ehre, daß sie sich "freiwillig" einen so "unbequemen" Mann wie Prof. Dr. Spiros Simitis zum Bundesbeauftragten für den Datenschutz bestellen will(CW- Nr. 35 vom 26. August 1977, Kolumne: "Simitis als Idealbesetzung"). Anderen Bonner Strategen ist der international renommierte und engagierte Arbeitsrechtes und Datenschutz-Experte linker Provinienz als Kontrolleur hoheitlicher Datenverarbeitung offenbar ein Ärgernis. Und schon waren Informationen zur Hand, um den Frankfurter Professor griechischer Geburt und deutscher Staatsbürgerschaft wegen angeblicher DDR-Kontakte seines Bruders "abzuschießen". (Siehe Seite 1.)

Ein Eigentor!

Hier wurde offensichtlich ein "Eigentor" geschossen. Über wen speichern die Dienste solche Merkmale der "Sippenhaftung"? Werden sie über jeden öffentlich Bediensteten gesammelt? Oder erst, wenn man zum Professor berufen wird? Oder erst, wenn man zum Hessischen Datenschutzbeauftragten ernannt wird? Oder erst, wenn man als Bundes-Datenschutzbeauftragter vorgesehen ist? Da Simitis einen Anstellungsvertrag mit dem Bundesinnenministerium noch gar nicht unterschrieben hat, hätte gesetzesmäßig eine Sicherheitsüberprüfung noch gar nicht anlaufen dürfen. Des weiteren ist mit "allergrößter Sorgfalt" zu prüfen, wer denn diese vermutlich in Dateien gespeicherten Informationen der Springer-Presse übermittelt hat und welche "Folgerungen hieraus zu ziehen" angebracht wäre.

Der "Fall Simitis" zeigt, wie sehr ein Simitis und nicht ein braver Erfüllungsgehilfe des Innenministers und seiner Dienste als Bundes-Datenschutzbeauftrager benötigt wird. Dieser "Abschuß-Versuch macht das überdeutlich.

Privilegien für Agenten

Und nun zur Sachfrage selbst: Wird der Bundes-Datensehutzbeauftragte wirklich den Einblick in die Tätigkeit des Geheimbereichs haben, wie das CSU-MdB Riedl und seine Freunde unterstellen? Das BDSG läßt - wie leider auch sonst - einen breiten Interpretationsspielraum zu: Die Behörden für Verfassungsschutz, der Bundesnachrichtendienst, der Militärische Abschirmdienst sowie andere Behörden des Bundesministers der Verteidigung, soweit die Sicherheit des Bundes berührt wird, das Bundes-Kriminalamt, die Behörden der Staatsanwaltschaft und der Polizei sowie steuerfahndende Bundes- und Landesfinanzbehörden brauchen ihre gespeicherten Daten nicht zu veröffentlichen (° 12 [2] 1). Sie brauchen den Betroffenen keine Auskunft zu erteilen (° 13 [2]). Ebenso erhält der Betroffene keine Auskunft, wenn über ihn Daten an den Geheimbereich übermittelt werden (°13 [3] 4). Zwar müssen auch die "Halb-Geheimen" dem Bundes-Datenschutzbeauftragten Angaben über die von ihnen geführten personenbezogenen Dateien machen - die Geheimdienste bleiben sowieso ausgenommen - diese kommen aber in ein nicht öffentliches "Spezialregister" (° 19 l4).

Entweder - oder

Die einen kommentieren, mit diesen Regelungen sei der Gesetzgeber" bis an die Grenzen des Vertretbaren" gegangen (Ordemann/Schomerus);andere kritisieren "Eine Datenschutzregelung ist nur so gut, wie sie das Problem der Geheimdienste regelt, und das bedeutet, daß alle derzeitigen Regelungen schlecht sind"(Podlech). Wer meint, daß die vollziehende Gewalt in der Bundesrepublik Deutschland sich in ihrem Handeln grundsätzlich an Gesetz und Recht gebunden weiß, wird zu einer anderen Wertung kommen, als derjenige, der von der Voraussetzung ausgeht, daß Behörden bereit sind, sich zur Verfolgung ihrer Zwecke rechtswidrig Informationen zu verschaffen oder vorhandene Informationen rechtswidrig zu verwenden.

Sollte man jetzt wirklich Simitis, "abschießen", dann wäre von den Verantwortlichen höchst selbst eine Interpretation der entsprechenden BDSG-Paragraphen geliefert worden: Der Bundes-Datenschutzbeauftragte soll tatsächlich Zugang zu Informationen haben, von denen die Sicherheit des Bundes oder der Länder abhängen.

Entweder: Der Bundes-Datensehutzbeauftragte wird so weitgehenden Einblick nicht haben, dann gibt es keinen Grund, Simitis nicht zu berufen. Oder: Entsprechender Einblick muß dem Bundes-Datenschutzbeauftragten gewährt werden, dann muß geprüft werden, ob Simitis ein Sicherheitsrisiko ist. Wenn daraufhin Simitis nicht ernannt werden sollte, dann allerdings hätte - der Begründung wegen - der Geheimbereich die Rechte des zukünftigen BDSB tatsächlich zu befürchten.

Fazit: Gar ein doppeltes Eigentor.

Merke: Man lese vorher den Gesetzestext