Die 90er Jahre bieten Org.DV-Nachwuchs große Chancen

Der Euro-Manager muß vor allem durch soziale Kompetenz glänzen

21.12.1990

Die Integration der Informationssysteme aller europäischen Betriebseinheiten gilt als die zukünftige Herausforderung der DV-Abteilungen. Die Arbeit wird dabei maßgeblich ein neuer DV-Mitarbeiter gestalten, der Integrations-Manager.

Um im europäischen Markt ab 1992 bestehen zu können, wird sich die Anzahl der Betriebseinheiten deutscher Unternehmen im EG-Ausland entscheidend erhöhen. Aktivitäten dürften dabei weniger die internationalen Großkonzerne entwickeln - sie sind ohnehin bereits stark in Europa vertreten. Vielmehr sind Unternehmen mit bislang ausschließlich nationalem Standort gefordert. Gleiches gilt für solche Firmen mit europäischen Minderheitsbeteiligungen. Um Marktchancen zu wahren und auszubauen, werden die bisher wenig an Europa ausgerichteten Unternehmen euronationale Betriebseinheiten neu gründen und/oder sich mehrheitsmäßig beteiligen.

Der Integrations-Manager als Euro-DV-Überflieger

Der Integrations-Manager muß in der Lage sein, die Interessen aller von neuen Systementwicklungen Betroffenen zusammenzuführen. Er agiert zwischen den organisatorischen euronationalen Einheiten. Die DV-Einheiten setzen sich dabei aus einer großen DV-Zentrale in der Hauptgesellschaft und vielen kleineren dezentralen DV-Abteilungen in den anderen europäischen Gesellschaften zusammen. Für die Entwicklung von Basis-Informationssystemen wird die DV-Zentrale federführend sein.

Ihr gehört auch der Integrations-Manager an. Die dezentralen Einheiten werden die Abwicklung des operativen DV-Tagesgeschäftes leisten, an Neuentwicklungen von Basis-Informationssystemen mitarbeiten und zudem individuelle Informationssysteme für das Management der jeweiligen Gesellschaft entwickeln. Dieses große und anspruchsvolle Aufgabenspektrum setzt sehr kompetente, dezentral agierende DV-Manager voraus. Um solche Mitarbeiter langfristig im Unternehmen halten zu können und im Rahmen der wirtschaftliche. Entwicklung von Basis-Informationssystemen nicht auf ihr Know-how zu verzichten, müssen sie entsprechend an der Systementwicklung beteiligt werden.

Die Interessen der dezentral tätigen DV-Manager sind dabei maßgebend zu berücksichtigen, Die einzelnen DV-Manager müssen ihre Ideen oder zumindest Teile davon in der entwickelten Software wiederfinden. Das bedeutet nichts anderes, als daß die Entwicklung von Basis-Informationssystemen nur nach dem Informations-Marketing möglich sein kann. Informations-Marketing meint die Ausrichtung der Systementwicklungen an den Bedürfnissen der späteren Abnehmer, das heißt der dezentralen DV-Leiter.

Integrationsfähigkeit verlangt somit einen DV-Mitarbeiter mit der geeigneten Berufsphilosophie, der ein umfangreiches betriebswirtschaftliches und DV-Generalwissen hat und persönliche Eigenschaften wie soziale Sensibilität, Diplomatie, Toleranz, Kontaktfähigkeit, Motivationsfähigkeit und Selbstbewußtsein aufweist.

Integrationsfähigkeit setzt ein hohes Maß an Kommunikationsfähigkeit voraus. In der Analysephase eines Projektes muß der Integrations-Manager sehr eng mit den dezentral agierenden DV-Managern zusammenarbeiten. Nur wenn es ihm gelingt, eine realistische Systemanalyse in allen Unternehmenseinheiten durchzufahren, wird er in der Lage sein, eine Systemkonzeption zu erarbeiten, die in allen Einheiten paßt.

Gemeinsam akzeptiertes Systemdesign

In der Designphase des Projektes stellt der Integrations-Manager den lokalen DV-Verantwortlichen einen ersten Grobentwurf des neuen Systems "auf dem Papier" vor. Je nach Unternehmensgröße hat er diesen selbständig oder gemeinsam mit einem Projektteam erarbeitet. Im Rahmen der Präsentation des Grobkonzeptes zeigt er alle befürchteten Schwachstellen, die die Lokalmatadoren ausfindig gemacht haben, auf. Der Euro-DV-Manager kann aufgrund seiner Kenntnisse aus der Systemanalyse abschätzen, welchen Stellenwert die Einwände haben. "Gegenmaßnahmen" in Form von konzeptionellen Änderungen des Entwurfes erarbeitet er idealerweise gemeinsam mit den DV-Verantwortlichen vor Ort.

Ist der Grobentwurf akzeptiert, erfolgt ein "stepwise refinement" der Konzeption. Nach jeder Stufe muß ebenfalls das Einverständnis der lokalen DV-Verantwortlichen eingeholt werden. Ergebnis ist ein gemeinsam akzeptiertes Systemdesign. Ein derartiges Vorgehen verlangt nach einem sehr kommunikativen Projektleiter.

Deshalb muß der Integrations-Manager Präsentationstechniken, Visualisierungs- und Dokumentationsmethoden beherrschen sowie über Projekt-Management-Erfahrung und gute Englischkenntnisse verfügen. Das Wissen über Hard- und Software tritt dabei in den Hintergrund und kann bei Bedarf in Form von DV-Spezialisten und Beratern "dazugekauft" werden.

DV-Landschaft muß sich europaweit verändern

Erfolgreich ist nur der Integrations-Manager, der die Landschaft der Informationssysteme seines Unternehmens europaweit entscheidend verändert. Dies wird nur dann gelingen, wenn er sich mit den erarbeiteten Konzepten bei der eigenen DV-Zentrale, der Geschäftsführung und den dezentralen DV-Abteilungen durchsetzen kann.

Da der Entwicklungsaufwand europaweit einsetzbarer Informationssysteme sehr hoch sein wird und der zentrale DV-Manager sowie die Geschäftsführung nur bei entsprechender Nutzenerwartung für derartige Projekte stimmen dürften, rücken Wirtschaftlichkeitsanalysen in den Mittelpunkt. Der Integrations-Manager muß auf diesem Gebiet ein profundes Wissen vorweisen, um Fürsprecher für seine Systemideen zu erhalten. Gegenüber den lokalen DV-Verantwortlichen hat er mit der oben geschilderten Vorgehensweise bei der Systementwicklung und der Verfolgung des Ansatzes des lnformations-Marketings gut vorgebaut.

Projekt-Management ist zu trainieren

Es wird für die Unternhmen nicht einfach sein, die Stelle Integrations-Managers adäquat zu besetzen. In Frage komm Mitarbeiter, die sich durch erfolgreiches Management bei abteilungsübergreifenden Projekten bewährt haben. Als Alternative bietet sich die Ausbildung entsprechender DV-Mitarbeiter an. Sie sind besonders für Projekt-Management zu trainieren. Der Org./DV-Nachwuchs steht deshalb ab 1992 vor großen Karrierechancen.