Autisten im Beruf

Der etwas andere Kollege

19.06.2015
Von Lisa Hegemann

Ein Streik, ein Problem

Die Autisten werden in dem neu anlaufenden Programm durch Gruppen- und Einzeltraining unterstützt, doch auch die Unternehmen sowie ihre Mitarbeiter sollen auf die Arbeit mit Autisten vorbereitet werden. Cordes hält die therapeutische Begleitung für einen essentiellen Baustein für einen Autisten im Beruf. "Ein Assistent oder Therapeut muss dem Autisten zur Seite stehen", sagt er. Dadurch ließen sich Missverständnisse und Probleme vermeiden. "Gerade Änderungen in der Struktur des Arbeitsplatzes muss ein Arbeitgeber immer gestalten", sagt Cordes. Wenn am nächsten Tag beispielsweise gestreikt wird, müsse das dem Autisten rechtzeitig mitgeteilt werden, damit er sich darauf einstellen könne.

Das sei nicht einmal teuer, weil die Ansprechpartner nicht die ganze Zeit dabei stehen müssten, sondern lediglich eine Anfangshilfe sein sollen. Auch in Vorgängerprogrammen des Kölner Projekts seien die Hilfen selten länger als ein halbes Jahr geblieben, sagt Mitinitiatorin Labruier.

Dass sich auch die Teams auf die Zusammenarbeit einstellen müssen, hat Claudia Desarmerie von dem Unternehmen SteriServ, einer Tochtergesellschaft der Uniklinik Köln, festgestellt. Ihr Unternehmen beschäftigt auch Autisten. Sie erzählt ein Beispiel aus dem Alltag: "Wenn du einem Autisten nicht sagst, wie lange er für eine Aufgabe Zeit hat, dann braucht er dafür auch mal acht Stunden", sagt sie. Wenn man hingegen sage, die Aufgabe müsse in zwei Stunden erfüllt sein, dann sei sie das auch. Es komme darauf an, wie "du deinen Autisten programmierst", so Desarmerie.

Für Peter Schmidt wäre ein solches Programm keine Lösung gewesen. Er hat erst im Alter von 41 Jahren herausgefunden, dass er überhaupt eine autistische Störung hat - da arbeitete er schon seit mehr als einem Jahrzehnt. Und er wollte nicht nur Arbeit finden, sondern auch Karriere machen. "Mein Ziel war es, Professor für Geophysik zu werden", sagt er. Ein Programm hätte ihm zwar beim Einstieg helfen können, aber wohl nicht dabei, sein Ziel zu erreichen.

Von Experten und Professoren wird er gerne als Erfolgsbeispiel für Autisten im Beruf vorgestellt. Doch Schmidt selbst empfindet das anders. "Ich sehe meinen Autismus als Beeinträchtigung, weil ich ohne ihn heute wahrscheinlich mein Ziel erreicht hätte", sagt er.

Trotzdem ist er froh, dass er weiß, warum sein Weg ein anderer war. "Ich habe immer gemerkt, dass mir etwas fehlt", sagt Schmidt. In Vorträgen erklärt er das heute so: Wenn nonverbale Kommunikation eine Farbskala wäre, dann würde er nur Schwarz-Weiß sehen. Erst ein Film brachte ihn darauf, dass er Autismus haben könnte. In dem Streifen ging es um einen Jungen mit Asperger-Syndrom. Schmidt träumte nachts von dem Begriff, am nächsten Morgen gab er das Wort bei Google ein. Auf einer Webseite fand er eine Liste mit Punkten, die Menschen mit Asperger-Syndrom zu einem großen Teil erfüllen. "Bei mir stimmten alle Punkte", sagt Schmidt. Ein Professor bezeichnete ihn später als einen Autisten "aus dem Lehrbuch".