Standardsoftware im Vertrieb/Heizungsbauer beginnt mit Data-Mart für den Kundendienst

Der erste Schritt zum globalen Data-Warehouse

13.02.1998

Bei den Data-Warehouses konkurrieren zwei Konzepte. Die von Anfang an unternehmensweite Einführung (top down) verspricht eine kompakte Architektur mit zentraler Verwaltung, einheitlichen Metadaten und hoher Datenintegrität. Diesen Annehmlichkeiten stehen lange Entwicklungszeiten, enorme Kosten und hohe Fehleranfälligkeit entgegen. Die Alternative (bottom up) ist, mit kleineren, auf ausgewählte Unternehmensbereiche beschränkte sogenannte Data-Marts zu beginnen. Solche Projekte sind billiger und dauern nicht so lange. Unklar ist allerdings, ob sich die dabei entstehenden Dateninseln irgendwann verbinden lassen. Das unternehmensweite Data-Warehouse kann ein Traum bleiben.

Einen Ausweg aus diesem Dilemma verspricht das Konzept der Enterprise Data Marts (EDM), das die Vorzüge beider Strategien durch Vernetzung unabhängiger Data-Marts verbinden soll (siehe Kasten "Data-Warehouse step by step"). Dank einer für alle Data-Marts im Unternehmen gemeinsamen Datenhaltung kann das globale Data-Warehouse Schritt für Schritt bereichsbezogen aufgebaut werden.

Im November 1997, vier Wochen nach dem Projektstart, stand bei Viessmann der erste Report der neuen Servicefall-Datenbank zur Verfügung; Pilotanwender war der Servicebereich. Aus 600000 Datensätzen und sieben Millionen Umsatzdaten wurde das erste Data-Mart des Unternehmens extrahiert.

Die kurze Entwicklungszeit resultierte unter anderem aus dem Einsatz des Tools "Power Mart" aus dem Haus des kalifornischen Data-Warehouse-Spezialisten Informatica; vertrieben wird es in Europa ausschließlich von Siemens-Nixdorf. Konsequenter Verzicht auf Programmcode und eine Drag-and-drop-fähige grafische Benutzer-Schnittstelle sind die hervorstechenden Merkmale des hierzulande noch kaum eingeführten Produkts. Es arbeitet mit einem iterativen, sich in wiederholten Schleifen verfeinern- den Prototyping. Die Viessmann-Installation läuft ebenso wie die Oracle-basierten Data-Warehouse-Datenbanken und das Reporting-Tool "Business Objects" auf einem Primergy-Server.

Die jährlich an die dreieinhalb Millionen Vertriebsdatensätze sollen in das künftige unternehmensweite Data-Warehouse einfließen. Dafür sind derzeit zehn Consultants in Allendorf im Einsatz. Die Umstellung des Vertriebs auf R/3 soll im Februar beginnen und im Juni abgeschlossen sein.

Typischerweise wird ein Data-Mart aus unterschiedlichsten Quelldaten gespeist, die von heterogenen Plattformen kommen. Bei Viessmann sind das beispielsweise Daten eines Host-basierten Vertriebs-Informationssystems, Produktionskostendaten aus einem Online-Analytical-Processing-(Olap-)System sowie PC-basierte Berichte aus Lotus-Software. Zu spätes Laden der Quelldaten, dies eine Warnung von Experten, kann verhängnisvolle Verzögerungen und damit das Aus des ganzen Projekts bedeuten. So kann zum Beispiel von gelöschten Sachbezügen berichtet werden; nur aus alten Datensicherungen ließ sich die frühere Zuordnung der Artikelsätze und Warengruppen rekonstruieren. Noch gravierender wirkte sich die doppelte Verwendung ein und desselben Nummernkreises aus: Etliche Auftragsnummern waren im Laufe der Jahre mehrfach vergeben worden.

Bei Viessmann mußte keine einzige Zeile Progammcode mehr geschrieben werden, um die Auftragsnummern wieder eindeutig zuzuordnen. Bei der Gelegenheit wurde auch gleich eine Länderkennung angefügt, schließlich soll das kommende konzernweite Data-Warehouse auch alle Auslandsaktivitäten enthalten. Eine derartige transformierende Datenextraktion hätte zum Beispiel mit Cobol mindestens ein dreiviertel Jahr gedauert. Gleiches gilt für die anschließende Aggregation mit SQL. So etwas hätte sämtliche Zeitpläne gesprengt.

Außerordentlich nützlich ist, daß die Spezifikation der Meta- daten und ihre Dokumentation an ein und derselben Stelle ge- speichert werden. Begriffe wie "Sourcecode" und "Objectcode" kommen in Power Mart erst gar nicht vor.

Das Unternehmen

Die Viessmann Unternehmensgruppe ist einer der bedeutendsten Hersteller von Heiztechnik mit zehn Werken im In- und Ausland. Rund 70 Verkaufsniederlassungen und 20 Vertriebsgesellschaften betreuen die internationalen Märkte. 6600 Mitarbeiter erwirtschafteten 1997 einen Umsatz von 1,7 Milliarden Mark. Martin Viessmann leitet das Familienunternehmen in der dritten Generation.

1917 in Hof an der Saale gegründet, entwickelte sich das Haus nach dem Zweiten Weltkrieg schnell zu einem führenden Hersteller. Heute umfaßt das Produktprogramm vielfältige Komponenten für Heizsysteme: Heizkessel für Öl, Gas und feste Brennstoffe im Leistungsbereich von acht bis 10000 Kilowatt, Sonnenkollektoren sowie die darauf abgestimmten Bausteine der Systemtechnik.

Data-Warehouse: step by step

Zur Begrenzung der meist unüberschaubaren Komplexität globaler Data-Warehouses der ersten Generation setzen sich zunehmend sogenannte Data-Marts durch. Als bereichsbezogene verkleinerte Data- Warehouse erlauben sie weniger Perspektiven auf die Unternehmensdaten als die komplexen Gesamtlösungen. Das ist der Vorteil - und das Problem: Mehrere unabhängige Data-Marts bieten nur mehr isolierte, aber eben keine integrierte Datendurchdringung.

Dem antwortet der neue Enterprise-Data-Mart-Ansatz durch eine Vernetzung aller Unternehmens-Data-Marts über gemeinsame Datenbanken. "Der Dynamic Data Store" dient allen Data-Marts als Datenquelle und nimmt extrahierte Daten der unterschiedlichen operativen Systeme auf.

Metadaten, zum Beispiel Zuordnungsinformationen oder Schema- und Transformationsbeschreibungen, können zwischen einzelnen Data-Marts und einer globalen Ablage, dem "Global Data Mart Repository", aufgeteilt werden. Auf diese Weise lassen sich beispielsweise Business-orientierte Metadaten dezentral im Data-Mart verarbeiten, mehrfach gebrauchte, zum Beispiel technisch ausgerichtete Informationen dagegen zentral im Global Repository verwalten.

*Dirk Battefeld ist Projektleiter DV bei der Viessmann Werke GmbH & Co. in Allendorf.