Interview

"Der erste muß nicht immer der Beste sein"

09.07.1999
Mit Klaus Eierhoff, Vorstand bei der Bertelsmann AG, sprach CW-Redakteur Frank Niemann

CW: Wie viele Kunden ihres Online-Buchvertriebs BOL haben Sie über Ihren Online-Dienst AOL Bertelsmann gewonnen und wie viele direkt aus dem Internet?

Eierhoff: Genaue Zahlen liegen mir nicht vor. Unsere Strategie war es zunächst, mit Betreibern von stark frequentierten Websites in Europa Werbeverträge abzuschließen. So gewannen wir unsere Kunden. Parallel dazu werden wir ab dem dritten Quartal dieses Jahres auch Offline-Werbung schalten. Einige unserer Konkurrenten gingen anders vor. Sie fingen in einigen Ländern gleich mit Print-Anzeigen an, wohl nicht zuletzt deshalb, weil wir Exklusivverträge mit wichtigen Sites geschlossen haben.

CW: Wie zufrieden sind Sie mit der Entwicklung bei Ihrem Online-Service AOL Bertelsmann?

Eierhoff: Sowohl die Mitgliederzahl als auch die Umsätze liegen im Plan.

CW: Bertelsmann betreibt mit Lycos.de und Aol.de zwei Internet-Portale. Wie wollen Sie dieser Konkurrenzsituation in Zukunft begegnen?

Eierhoff: Das ist ja nichts Neues für uns. Bertelsmann besitzt ja auch eine Reihe von Verlagen. Empfinden Sie das als Konkurrenzsituation oder als Bereicherung? Wir haben ja beispielsweise auch Compuserve ...

CW: ... das aber anders positioniert ist ...

Eierhoff: ... das stimmt, trifft aber für Lycos und AOL genauso zu. Lycos kommt aus der Suchmaschinen-Ecke, und AOL Bertelsmann ist ein Online-Service-Provider. Da gibt es zwar Überschneidungen, beide bieten beispielsweise E-Mail und Chat, dennoch besitzen sie ihre Spezifika. Ich bin für konzerninternen Wettbewerb zum Wohle des Kunden. Er entscheidet letztendlich, und wenn sich ihm dabei Alternativen bieten, die noch dazu alle aus einem Topf kommen, halte ich das nicht für nachteilig.

CW: Ebay kauft sich zur Zeit in Europa ein. Wie stehen Sie zu Online-Auktionen?

Eierhoff: Auktionen sind im Moment der Hit im Internet. Auch hier werden wir antworten.

CW: Wann genau?

Eierhoff: Möglicherweise im Spätsommer.

CW: Der Online-Buchhändler Amazon.com setzt alles auf den Ausbau seines Markennamens und nimmt dafür auch hohe Verluste in Kauf. Wie sieht Ihre Strategie aus?

Eierhoff: Wir haben jedenfalls kein strategisches Ziel, Verluste zu machen, und das würde ich auch dem Amazon.com-Chef Jeff Bezos nicht unterstellen. In der Entstehungsphase eines Marktes sollten sich die Verantwortlichen weniger Gedanken darüber machen, ob die Firma nach zwei oder drei Jahren Gewinne einfährt. Ich halte es für richtig, die Marktposition zu stärken und zufriedene Kunden zu gewinnen, auch wenn das mit hohen Anlaufverlusten verbunden ist. In Wachstumsphasen wie dieser geht das nicht anders.

CW: Sie stiegen verspätet in den Online-Buchhandel ein, und erst im Herbst starten Sie mit dem Verkauf von CDs über das Internet. Sind Sie nicht wie schon bei den Büchern wieder zu spät dran?

Eierhoff: Man muß nicht in allen Märkten der erste sein. America Online startete in den USA später als Compuserve, konnte den Konkurrenten aber dennoch überflügeln. Wie Sie wissen, hat AOL den Mitbewerber inzwischen sogar übernommen. In einem herangereiften Markt ist der erste nicht unbedingt der Beste.

CW: Streben Sie auch beim Musikvertrieb Kooperationen an?

Eierhoff: Das sehen wir länderspezifisch. Beim Online-Buchhandel schlossen wir bereits eine Reihe von Partnerschaften, beispielsweise mit Barnes & Nobles in den USA. Wegen unserer starken Position in Europa war es dagegen für uns sinnvoller, in einigen Ländern als Einzelplayer aufzutreten.

CW: AOL-Chef Steve Case investiert in den USA massiv in TV-Kabelnetze. Wie steht Bertelsmann dazu, insbesondere nach dem Ausstieg aus dem Pay-TV, der ihnen nun ja auch den Zugriff auf die "D-Box" versperrt?

Eierhoff: Wir haben dazu eine klare Strategie, und auch die ist länderspezifisch. In Deutschland möchten wir mit unserem Angebot auf allen Kanälen vertreten sein, sei es das Kupferkabel, Telefonie oder das TV-Netz.

CW: Sie wollen also mitbieten beim Poker um das Kabelnetz der Telekom?

Eierhoff: Wir wollen auf dem Kabel möglichst prominent plaziert sein, wenn es sein muß, werden wir gemeinsam mit unseren Partnern Netzeigentümer.