Ratgeber BPM

Der erfolgreiche Start ins Prozess-Management

26.03.2015
Von 


Martin Böhn ist Head of Enterprise Content Management (ECM) am Business Application Research Center (BARC). Er berät als Senior Analyst nationale und internationale Unternehmen unterschiedlicher Größen und Branchen in den Bereichen Strategiedefinition, Prozessmanagement und Software-Auswahl. Zu den Themenstellungen hat er zahlreiche Beiträge veröffentlicht und ist ein gefragter Fachreferent.

Was die "Malwerkzeuge" wirklich können

BPM-Systeme werben damit, Prozesse grafisch zu "malen" und damit ablauffähige Workflows erstellen zu können. Das stimmt tatsächlich - die Tools unterstützen den Modellierer bei der Visualisierung - bestimmte Nacharbeiten können sie dem Anwender jedoch nicht abnehmen.

Um die systemeigene Workflow-Engine zu steuern, bieten die Produkte zumeist eine grafische Modellierung an. Über die Editoren lassen sich auf einfache Weise Vorgangsketten definieren und Aufgaben an Rollen zuweisen. Entwürfe der Eingabemasken für die Benutzerinteraktion lassen sich ebenfalls aus dem Prozessmodell heraus generieren - beispielsweise die Anzeige der Entscheidungsalternativen in der Oberfläche entsprechend der definierten Prozesswege im Modell. Meist werden die Masken aber grafisch noch nachbearbeitet.

Für die Spezifikation technischer Kopplungen (Zugriff auf Datenbanken, Aufruf von Funktionen in Drittsystemen) stehen eigene Eingabefenster bereit. Um komplexere Entscheidungslogik oder Integrationen zu realisieren, muss man aber wieder auf Editoren und Coding zurückgreifen. Hierbei erfolgt eine Nachbearbeitung der fachlichen Modelle: Die Prozesse, welche mit den Fachanwendern aufgenommen wurden und die Abläufe verdeutlichen, müssen um technische Details ergänzt werden. Diese können Regeln, Berechnungen, Datenbankzugriffe und Funktionsaufrufe sein.

Ein Sonderfall sind Prozessmodelle, welche die Workflow-Funktionen anderer Systeme steuern sollen. Die Modellierungsnotation ist hierbei zumeist so aufgebaut, dass durch die Elemente direkt die entsprechenden Funktionen angesprochen werden. Über Eingabefenster ist es möglich, die Steuerungsparameter festzulegen. Beispiele für eine solche Workflow-Konfiguration finden sich insbesondere im SAP- und SharePoint-Umfeld.

Ein besonderes Anwendungsgebiet der modellgestützten Codegenerierung ist zudem die Softwareentwicklung. Hier wird aus den Klassen- und Ablaufmodellen ausführbarer Code erzeugt. Auch die erforderlichen Datenstrukturen lassen sich über Modelle definieren. Diese Spezialanwendungen folgen einer Model Driven Architecture.

BPM in gewachsenen IT-Infrastrukturen

Viele Prozesse erfordern die Nutzung von Informationen aus verschiedenen Fachsystemen. Zudem können unterschiedliche Anwendergruppen das System auf unterschiedliche Arten nutzen - entweder direkt über den BPM-Client oder aus einer bestehenden (ERP-)Software heraus, in welche die Aufgaben eingebunden sind. Die Drittsysteme sind aber häufig stark auf die individuellen Bedürfnisse angepasst, in Datenstrukturen, Verarbeitungslogik und Oberflächengestaltung. Dies kann die Anpassungsmöglichkeiten einschränken.

Zumeist nutzen BPM-Systeme andere Anwendungen im Hintergrund (Stichwort "Zugriff auf Daten oder Funktionen") oder werden selbst von diesem im Hintergrund genutzt (Stichwort "automatische Verarbeitungslogik zur Bereitstellung von Informationen"). Für diese Bereitstellung des Datentransports im Hintergrund ist es unerheblich, wie die Oberflächen gestaltet sind.

Es muss nur sichergestellt werden, dass alle erforderlichen Eingabeparameter erfasst werden können, die Masken also die entsprechenden Felder für den Anwender vorsehen. Für komplexere Eingaben oder längere Aufgabenketten, die eine Interaktion des Nutzers erfordern, erfolgt zumeist der Absprung aus dem Drittsystem in die entsprechenden Masken des BPM-Werkzeugs. Die Vorteile dieser Art der Prozessabbildung bestehen darin, dass BPM-Systeme häufiger einfacher zu konfigurieren sind - in punkto Ablauflogik und Oberflächendesign - und dass die Lizenzen günstiger sind als beispielsweise bei ERP-Systemen. Anwender, die nur (einfache) Aufgaben innerhalb eines Prozesses übernehmen sollen, müssen dafür auch nicht im ERP-System geschult werden.

Hürden und Anwendungsfelder

Schwierig wird die Integration dann, wenn bestimmte Möglichkeiten des Drittsystems durch das Customizing ausgeschlossen sind - diese also nicht nur nicht genutzt, sondern komplett blockiert werden. Das kann zum Beispiel durch das Überschreiben von Methoden der Fall sein. Gleiches gilt bei der Reduktion von Standardoberflächen. Hier können Fensterbereiche wegfallen, in welche sich (kleinere) BPM-Funktionen integrieren lassen - wie beispielsweise die Darstellung von Möglichkeiten zum Prozessanstoß über ein Portlet.

Für bestimmte Einsatzgebiete werden BPM-Systeme selbst genutzt, um das Customizing der Drittsysteme vorzunehmen - insbesondere im SAP-Umfeld. Die Systeme werden also selbst dazu genutzt, die Drittanwendungen einzurichten. Typische Anwendungsfelder für die Einrichtung der Systeme sind: Welche Funktionen sollen in welcher Ausprägung genutzt werden? Wie sollen Teilaufgaben verbunden werden? Welche Elemente sollen in der Oberfläche dargestellt werden (beispielsweise die automatische Maskengenerierung an Entscheidungsknoten)? (sh)