Softwaremarketingkonzept Ó la USA:

Der eine ist kreativ, der andere verkauft

13.04.1984

Die Softwarebranche ist jung genug, daß die jungen DVler, die zwischen 1964 und 1969 in USA und Europa die Chance witterten, mit geringem Kapitalbedarf und ihren DV-Kenntnissen Softwarefirmen zu gründen, noch leben. Denn nachdem IBM 1964 die dritte Generation vorstellte, gelangte Software zu größerer Bedeutung und ließ die mutigen DVler 1969 ihre Träume von Selbständigkeit realisieren, als IBM die Politik des "Unbundling", der Trennung von Hard- und Software verkündet hatte. Autorin Elke Grabedunkel* stellt in ihrem Beitrag ein amerikanisches Softwaremarketingkonzept vor.

Sie leben zwar noch, doch hat die rasende Entwicklung in der informationsverarbeitenden Industrie die Träume und Märchen der meisten von ihnen zunichte gemacht.

Die märchenhafte Vorstellung scheiterte vielfach daran, daß die Computerindustrie sich von der stark technischen Orientierung wegentwickelte hin zum Marketing. Die Anzahl der Softwarehäuser ist von einigen Hundert in die Tausende gestiegen. Softwareprogrammierung ist raffinierter, anspruchsvoller, umfassender oder in Neudeutsch "more sophisticated" geworden, als daß die kleinen Softwarehäuser diese Anforderungen befriedigen können. Die Zeiten, in der Softwarefirmen davon leben konnten, Anwenderanforderungen nur durch das körperliche Ausleihen von Programmierern und das Schreiben von speziellen, kundenorientierten Programmen zu genügen, gehen dem Ende zu.

Effektivität ist Trumpf

Software muß heute wartungsfreundlich und an andere Software anpassungsfähig sein, aber vor allem kosteneffektiv. Der Trend ging und geht also zu Standardsoftwarepaketen, die das Risiko der Anwender, mit jedem Projekt bei Adam und Eva beginnen zu müssen, ausschalten. Standardpakete sind ausgetestet und es kann nachgeprüft werden, ob oder daß sie sich bewährt haben.

Die Erkenntnis hatten und haben wohl viele der jungen DVler und der größer gewordenen Softwarehäuser. Es gibt auch in der BRD einige Softwarehäuser, die mit Hunderten von Mitarbeitern dabeisind, diesen Trend zu verfolgen. Die es geschafft haben, ihre Gesellschaften durch Aktivitäten wie Organisationsbetreuung, Systementwicklung oder Softwarevertrieb konkurrenzfähig zu halten. Doch die notwendige Perspektive im Sinne von aktivem Marketing steckt immer noch in den Kinderschuhen.

Basisgedanke: Synergie

Das Ziel, Standardsoftware anzubieten, die zueinander paßt und dann konsequent vermarktet wird, möglichst weltweit, ist schwer zu erreichen und benötigt erstens eine Menge Geld und zweitens Geld ein straffes Konzept.

Dies alles war einer Gruppe von DVlern klar, als sie 1981 begann, ein neues Konzept zu entwickeln und dieses auch durch viel Geld verfolgen konnte. Sie gründete eine Holdinggesellschaft namens "Sterling Software Inc." und ist zu Hause in Dallas/USA. Das notwendige Geld kam aus dem Verkauf von Softwarecompanyaktien. Die Gruppe setzt sich zusammen aus Sam Wyly, Gründer der UCC, seinem Bruder Charles, Sterling Williams, ehemaliger UCC-Geschäftsführer und -Vizepräsident sowie weiteren ehemaligen UCC-Mitarbeitern.

Der Basisgedanke des neuen Konzepts war, wie man die potentielle Kreativität und die Kraft der weit verstreuten, oft eigenwilligen, hochtechnisierten Softwaremacher (die Anzahl wird auf über 12 000 weltweit geschätzt) unter einen Hut bringt.

Das Grundprinzip des Konzepts vereint Softwarehersteller synergistisch um sie von der finanziellen Potenz, von der Verwaltungs- und vor allem Marketingfachkenntnis sowie der Wirtschaftlichkeit einer Dachgesellschaft profitieren zu lassen; ihnen die Backup-Leistungen und weitere Begünstigungen zu bieten, die es mit sich bringen, unter einer Gesellschaft vereint zu sein. Es ist ihnen so möglich, in jeder Beziehung schneller zu wachsen, als sie es als Einzelunternehmen je könnten. Wichtig dabei ist, daß jede Gesellschaft ihre eigene Identität, ihre kreative Freiheit und ihre organisatorische Autonomie behält. Denn Software zu vermarkten ist ein schwieriges, viele Komponenten umfassendes Geschäft, doch Software zu entwickeln ist eine Kunst. Und Kunst gedeiht nicht unter der Bürde der Bürokratie.

Die Entwickler der Software kennen die Anforderungen der Anwender an ihr spezielles Produkt. Sie sind in der Lage, ihre Software anwendergerecht weiterzuentwickeln und auch neue Marktnischen zu sehen. Von dieser wichtigen Aufgabe soll sie nichts ablenken, vor allem nicht der Vertrieb und die Vermarktung ihrer Pakete.

Daher liegt ein weiterer Teil des Konzeptes der Sterling Software Inc. darin, eine Softwaremarketinggesellschaft zu haben, die ausschließlich für das Marketing aller Softwareprodukte der verschiedenen Entwickler weltweit zuständig ist.

Damit war das Konzept umrissen und die Detailarbeit konnte beginnen. Zunächst kaufte Sterling Software 40 Prozent der Aktien der Anwendungssoftwarefirma Directions Inc., die auf Bankscheckverarbeitung spezialisiert sind. Fast ein Jahr später (1982) kaufte sie die Wechselforderung über 400 000 Dollar der Software Module Marketing Inc. (SMM). Durch eine Vorkaufsoption über die gesamten SMM-Aktien über 3,4 Millionen Dollar wurde SMM 1983 insgesamt von Sterling Software übernommen. Nur Monate später kam die Entwicklungsfirma des exklusiv von SMM vertriebenen Plattenverwaltungssystems DMS/OS, Software Laboratories, für eine Million Dollar hinzu. Kurz darauf die Entwickler eines Reportwriter/File Utility Produktes namens Dylakor Inc. für 9,5 Millionen Dollar.

Vier unter einem Dach

Mit diesen vier vorgenannten Gesellschaften unter ihrem Schirm, ging Sterling Software im Mai 1983 an die amerikanische Börse. Dank ihres Konzeptes gelang es ihnen, den Öffnungskurs von neun Dollar pro Aktie innerhalb von sechs Wochen zu verdreifachen.

Danach wurden noch zwei weitere Entwickler in die Gruppe aufgenommen. Die Empire Computer Software Spezialisten von Communications Software zwischen IBM-Anlagen und verschiedenen Remotegeräten sowie die Pacesetter Systems Inc., zuständig für Bankingsoftware.

Die Sterling Software Inc. ist ein Beispiel dafür, was eine vereinte Gesellschaft für die Softwarebranche tun kann.

Konzept importiert

Auch in der BRD und im übrigen deutschsprechenden Raum werden die Sterling Software Produkte von SMM - Software Module Marketing GmbH, Düsseldorf, vertrieben, die eine direkte Tochter und damit ein Teil der Sterling Software Company sind. Die Umbenennung von SMM auf Sterling Software Marketing GmbH tritt in Kraft, sobald alle rechtlichen Schritte für einen Namenswechsel in der BRD abgeschlossen sind. Neben der deutschen Tochter gibt es bisher eine britische in London und eine französische in Paris. Weitere internationale Niederlassungen sind in Planung.

Es ist abzuwarten, ob das Sterling Softwarekonzept ein amerikanisches Muster bleibt oder ob auch die Softwarehäuser in der BRD und Europa marketingmäßig aus den Kinderschuhen wachsen werden.

* Elke Grabedunkel ist Administratorin der SMM Düsseldorf.