Nicht mit deutscher Gründlichkeit studieren, sondern

Der DV-Nachwuchs soll sich an der betrieblichen Praxis orientieren

01.11.1991

MÜNCHEN (hk) - Nicht mit deutscher Gründlichkeit, sondern zügig studieren und die Augen offen halten für die Entwicklungen des Marktes lauten die Empfehlungen von deutschen DV-Managern für den Informatik-Nachwuchs. Unter dem Motto "Die Zukunft der Datenverarbeitung und die Arbeitswelt im Jahre 2001" diskutierten Computer-Chefs auf der gutbesuchten Eröffnungsveranstaltung des 11. COMPUTERWOCHE-Karrierezentrums auf der Münchner "Systems".

Zunächst präsentierte G. A. O. - Geschäftsführer Lutz Martiny eine schonungslose Abrechnung mit dem gegenwärtigen Zustand der DV. 70 Prozent der Informatik-Spezialisten seien damit beschäftigt, ihre Systeme zu pflegen und zu warten. Die betriebsinterne DV-Landschaft sei gekennzeichnet durch nicht kompatible Hardware, nicht kompatible Software, veralteten Anwendungssystemen sowie einem PC-Wildwuchs in den Fachabteilungen.

Hinzu komme, daß der Wissensstand der Mitarbeiter veraltet und daß der Generationskonflikt noch nicht ausgestanden sei: "Die alten DV-Hasen, die mit Cobol und Assembler großgeworden sind, lassen die Jüngeren nicht hochkommen. " Martinys Fazit: Die heutige DV in Unternehmen stelle den technischen Stand von vor zehn Jahren dar, und Tatsache sei, daß "die DV-Branche in einer Krise steckt, auch wenn das Herr Liebich in einem Gastkommentar der COMPUTERWOCHE bestreitet".

Softlab-Geschäftsführer Rainer Frölich nahm den Faden auf und sprach seinerseits von einer Krise der Software. Er begründet diese Krise in erster Linie damit, daß Banken und Versicherungen gar nicht dazu kämen, neue Systeme einzuführen, weil sie die alten zu verwalten hätten. Darüber hinaus hätten es die DV-Abteilungen nicht geschafft, eine fruchtbare Kommunikation mit den Fachabteilungen, also mit den Anwendern herzustellen.

Hypo-Bank-DV-Leiter Karl Rudolf Moll widersprach diesen Einschätzungen. Von einer Softwarekrise könne keine Rede sein, auch davon nicht, daß sich Anwender zu 70 Prozent mit der Wartung und Pflege von Altsystemen beschäftigten. In seinem Unternehmen betrage dieser Anteil höchstens 30 Prozent; und auch die Kommunikation mit den Fachabteilungen würde problemlos funktionieren. Mit Modethemen ist kein Blumentopf zu gewinnen

"Wenn von einer Krise die Rede sei, dann von einer Krise der Schulung", meinte der Münchner DV-Chef. Sein größtes Problem bestehe darin, den Anwendern das nötige DV-Wissen beizubringen: "Die Fachabteilungen können höchstens zu 80 Prozent die Anwendungen nutzen. "

Wenn das Schulungsproblem so schwierig in den Griff zu kriegen sei, dann müsse auch etwas am Trainings-Management faul sein, analysiert Ralf Karabasz die Weiterbildungssituation in Unternehmen. Der Leiter für europäische Qualifizierungsprogramme bei SNI empfieht daher eine genaue Bedarfsanalyse der Weiterbildung und eine umfassende Beratung jedes einzelnen Anwenders.

Über die Zukunft der DV im allgemeinen und der Informatik-Qualifikationen im besonderen wollten sich die Diskussionsteilnehmer nicht lange aufhalten. Martiny glaubt, daß das, was heute auf der Messe zu besichtigen sei, im Jahre 2000 beim Anwender allgemeiner Standard sei. Zwar gebe es heute Unternehmen, die modernste Techniken einsetzten, aber nur als Insellösungen. Diese Insellösungen würden dann integrativer Teil einer modernen DV- Landschaft sein.

Um dies realisieren zu können, müßte nach Auffassung von Karabasz der ganzheitliche Denkansatz stärker berücksichtigt werden. Darunter versteht der SNI-Manager "Technik-Kompetenz, Fachkompetenz, Sozialkompetenz und Prozeßkompetenz".

Und was empfehlen die DV-Manager dem Nachwuchs? Moll: "Die Studenten sollen nicht mit deutscher Gründlichkeit ihre Diplomarbeit schreiben, sondern zügig ihr Studium beenden. " Martiny plädiert für die Eigeninitiative in Richtung Praktikum: "Wer nur studiert hat, kriegt bei mir keinen Job. " Und Frölich empfiehlt den Studenten, den Markt zu beobachten, "denn mit Modethemen an der Universität wie KI ist in der Realität kein Blumentopf zu gewinnen". Hier sei das Thema der nächsten Jahre offene Systeme und danach gelte es sich zu orientieren.