Weniger Aufgaben und weniger Personal\

Der DV-Leiter muß um seine Existenzberechtigung kämpfen

12.04.1991

STUTTGART (hk) - Die Gewinner der 1990/91er Gehaltsrunde in der Elektroindustrie sind nach einer Untersuchung der Interconsult Unternehmensberatung (IC), Vaihingen/Enz, die Geschäftsführer im Außendienst sowie Controller und Personalchefs, die mit zweistelligen Zuwachsraten abschnitten. Verlierer sind die DV-Liter und MIS-Manager, aber auch Berufseinsteiger, bei denen sich so gut wie nichts bewegte. Verdiente ein DV-Manager 1990 etwa 135 000 bis 161 000 Mark im Jahr, so sind es heuer 136 000 bis 165 000 Mark. Interconsult-Geschäftsführer Friedrich Thomer begründet diese Gehaltszurückhaltung der Arbeitgeber gegenüber den DV-Leitern damit, daß die Verantwortung eines DV-Managers sowohl vom Personalstand als auch von den Aufgaben her nicht größer, sondern eher geringer werde. Die Unternehmen versuchten, so seine Beobachtung, Aufträge extern zu verlagern, "weil es sehr häufig punktuelle Aufgaben sind". Oder die Betriebe nützten konsequent andere Dienstleistungen des eigenen Unternehmens, um Kosten zu sparen.

Einen weit schwereren Stand als der DV-Chef hat der Management Information Systems Manager. Sein Gehalt blieb im Vergleich zum Vorjahr unverändert. Es bewegt sich damals wie heute zwischen 119 000 bis 147 000 Mark. Zwar hätte es vor drei Jahren, so Thomer, eine große Euphorie in bezug auf Management Information Systeme (MIS) gegeben, heute jedoch "hat der MIS-Manger seine Existenzberechtigung verloren", denn diese Systeme hätten sich letztlich nicht durchgesetzt.

Auch für Hochschulabsolventen sind in einigen Zweigen der Elektroindustrie, speziell der DV-Branche, die Einstiegsgehälter nicht mehr so üppig. Hier merkt man eindeutig die Misere der DV-Hersteller. Ein Entwicklungsingenieur im Bereich Software verdiente im vorigen Jahr zwischen 60 000 bis 65 000 Mark, jetzt sind es 60 000 bis 67 000. Bei Minicomputern lag das Salär für den Entwicklungsingenieur 1990 bei 60 000 bis 65 000, jetzt bei 61 000 bis 67 000. Weniger positiv sieht es beim Serviceingenieur für Computerperipherie aus. Lag die untere Gehaltsgrenze für Einsteiger bei 60 000 Mark, ist sie jetzt auf 58 000 Mark zurückgegangen.

Diese Gehaltszurückhaltung kann damit begründet werden, daß viele große DV-Hersteller zur Zeit Verluste schreiben, was sich auf den Personalbestand auswirkt.

Weit besser sieht es für Absolventen aus, die anschließend im CAT-Bereich tätig sind. Das Einstiegsgehalt stieg von 59 000 bis 65 000 auf 62 000 bis 69 000. "Dieser Markt boomt", so Thomer, weil Unternehmen viel investierten. So verdienten Vertriebsingenieure beim Marktführer für offene Software im CAT-Bereich über 200 000 Mark im Jahr.

Bei den Außendienstmitarbeitern lag die Verbesserung des Festgehaltes von 1990 auf 1991 laut IC-Studie nur geringfügig über den tariflichen Erhöhungen. Auch die Provisionsbeziehungsweise Bonuszahlungen hätten sich im Vergleich zum Vorjahr nicht wesentlich verändert. Trotzdem seien sehr viele Positionen nicht besetzt aufgrund einer wenig attraktiven Einkommensverbesserung.

Zweistellig stiegen dagegen die Gehälter von Gesamtverkaufsleitern und Geschäftsführern bis 45 Jahre. IC begründet diese Entwicklung einerseits mit den gestiegenen Anforderungen an diese Position und andererseits in dem Mangel an qualifizierten Bewerbern in dieser Altersgruppe. Thomer führt hier ein Beispiel an, daß seiner Meinung nach nicht untypisch sei: AT&T habe die Anzahl seiner Büros in der Bundesrepublik von vier auf eins reduziert. Damit steige automatisch die Verantwortung des einzigen Büroleiters. Dieser habe heute zwar einen reduzierten Personalbestand, müsse sich aber mehr engagieren, da auch mehrere Mitarbeiter an ihn berichten.

Der ideale Kandidat arbeitet Tag und Nacht

Auf den Mangel an qualifizierten Managern angesprochen weist Thomer auf folgendes Dilemma hin: "Die Firmen suchen den Geschäftsführer zwischen 35 und 40, der Tag und Nacht arbeitet." Dem stünde entgegen, daß die reine Leistungsorientierung nicht mehr Mittelpunkt eines Managerdaseins sei. Sein Beispiel hierzu: Wenn ein Verkaufsleiter 180 000 Mark verdiene, trage er sehr viel weniger Verantwortung als ein Geschäftsführer. Dieser sei jedoch der erste, gerade bei einer amerikanischen Tochter, der dran glauben müsse, wenn es geschäftlich nach unten geht; so daß die 50 000 Mark mehr an Gehalt für die höhere Position nicht unbedingt erstrebenswert seien.

Überdurchschnittlich wuchsen die Gehälter der Controller und zwar von 142 000 bis 168 000 im Vorjahr auf 162 000 bis 196 000 in diesem Jahr. Gerade jetzt, da die Zinsen so hoch seien, gelte der Controller als Schlüsselfigur in Unternehmen, weiß der IC-Geschäftsführer.

Überraschend auch der Gehaltszuwachs bei den Personalverantwortlichen und zwar von 134 000 bis 165 000 Mark auf 145 000 bis 181 000 Mark. Das hänge nach IC-Auffassung damit zusammen, daß die Verantwortung des heutigen Personalchefs größer geworden sei. Thomer: "Früher war ein Personalleiter einer, der Papier bewegte, Bewerbungen sammelte und an die Fachabteilung weitergab."

Heute dagegen könne er eine qualifizierte Selektion vornehmen, etwa die Qualifikation eines Ingenieurs beurteilen.

Die größte, aber vielleicht unwichtigste Veränderung, fand bei der Auswahl der Firmen-Pkws statt. Voriges Jahr noch bevorzugten die Manager eindeutig Mercedes und Audi 100. In diesem Jahr löste der 5er BMW auf den vier Führungsebenen (Geschäftsführer, Gesamtverkaufsleiter, Regionalverkaufsleiter, Vertriebsingenieur) die anderen Marken ab.

Dieser Gehaltsvergleich in der Elektronikindustrie, der im Januar und Februar 1991 erstellt wurde, basiert laut IC auf Angaben von Positionen bei 116 Unternehmen - 96 Hersteller und 20 Distributoren -, die unter anderem aus den Bereichen Automatisierungstechnik, Minicomputer, Computerperipherie, Computersoftware, CAT und Bauelemente kommen.

Not macht erfinderisch

Die IBM wird im laufenden Jahr über 10 000 Arbeitsplätze abbauen. Diese Maßnahme bringt den Großkonzern in eine besonders mißliche Lage, galt hier doch seit den Gründerjahren das eherne Gesetz, niemals Mitarbeiter zu entlassen. Doch Not macht erfinderisch, und Schönfärberei soll den IBM-Mitarbeitern den Glauben an die gute blaue Zeit erhalten. Dabei ziehen die PR-Leute des Computerriesen alle Register. Und so werden in Presseverlautbarungen aus dem häßlichen Wort Entlassungen, und das ist es, was Big Blue plagt - "natürliche Fluktuation, Frühpensionierungen und andere freiwillige Maßnahmen" (0- Ton IBM).

In Deutschland gibt es für die IBM Oberhaupt keinen Stellenabbau, sondern hier findet eine "Sonderentwicklung" in Form einer " Verlagerung von Ost nach West" statt. Im Klartext heißt das, daß die gleiche Anzahl von Mitarbeitern die neuen Bundesländer noch mitversorgen muß.

Momentan flattern den Mitarbeitern noch keine blauen Briefe auf den Schreibtisch. Das mag sie zwar beruhigen, aber es ändert nichts an der Tatsache, daß IBM in diesem Jahr allein in Europa 4000 Arbeitsplätze

streicht. hp