Kolumne

"Der Deal des Jahres"

07.09.2001
Christoph Witte Chefredakteur CW

Viele Branchenbeobachter reagierten am Montag mit ungläubigem Staunen auf die Nachricht von der Übernahme. Auf das Staunen folgte der Schock: Wenn das wirklich geschehen ist, dann muss es der Industrie noch schlechter gehen, als bisher gedacht. Doch selbst bei nüchterner Betrachtung lässt sich über das Motiv, aus dem HP heraus Compaq schlucken will, nur spekulieren.

Die Produktpalette der kombinierten Company ergänzt sich nicht, sie ist weit gehend redundant. Sowohl im PC-, PC-Server und Unix-Server-Bereich als auch im Speicher- und Servicegeschäft machen sich HP und Compaq bisher Konkurrenz.

Natürlich würden mit dem Merger die Marktanteile rein rechnerisch enorm ansteigen. Im PC-Geschäft zöge man beispielsweise an der bisherigen Nummer eins Dell vorbei, das Gleiche gilt für die Segmente Imaging und Printing sowie Server. Auch die kombinierten Serviceaktiväten würdenn das fusionierte Unternehmen weltweit unter die Top-3-Dienstleister katapultieren. Doch das Problem liegt genau darin, diese theoretische Marktmacht erst einmal zu realisieren und dann - was noch schwieriger ist - zu erhalten.

Weil HP vor allem im Servicesektor weitgehend erfolglos um Größe kämpfte, vermuten einige Beobachter in dem Service-Umsatz von zusammen 15 Milliarden Dollar das eigentliche Motiv für die Übernahme. Das Problem daran ist nur, dass sowohl Compaq als auch HP, anders als EDS oder IBM Global Services, relativ produktnahe Dienstleistungen anbieten - also dort auch nur dann Wachstum generieren, wenn es im Produktsektor aufwärts geht.

Das neue Unternehmen dürfte die nächsten ein bis zwei Jahre mit vielen internen Angelegenheiten beschäftigt sein. Zwar steht die oberste Führungsriege, aber ungeklärt ist, welche Produktlinien und Marken überleben. In den regionalen Organisationen wird es ein Hauen und Stechen um Arbeitsplätze, lukrative Segmente und Einfluss geben. Die Integrationsteams sind nicht zu beneiden, lehrt uns doch ein Blick in die Branchenhistorie, das Großfusionen in der IT bisher erfolglos geblieben sind. Erinnern wir uns nur an die Probleme, die Compaq mit der Integration von Digital hatte.

Die Großakquisition findet vor dem Hintergrund einer starken Konsolidierung des IT-Marktes statt. Sie dürfte enormen Druck auf die anderen Player ausüben, sich ebenfalls zu größeren Einheiten zu verbinden. Denn zwei Vorteile hat der Merger unbestritten: Wenn sich das neue Unternehmen aufgestellt hat, repräsentiert es eine Einkaufsmacht, der sich kein Lieferant entziehen kann. Das dürfte wenigstens vorübergehend in geringeren Produktionskosten resultieren, die an die Anwender weitergegeben werden können. Das zweite Plus ist eher persönlicher Natur: Carleton Fiorina bekommt eine zweite Chance.