Die Anwender drängen auf Standardisiereung, aber

Der Datenbankmarkt entwickelt sich heterogener als jemals zuvor

18.12.1992

Ulrich Parthier ist Herausgeber des Datenbankmagazins "Datenbank Fokus", das im IT Verlag für innovative Technologien, Eichenau bei München, erscheint.

Auf dem Datenbankmarkt zeichnen sich zwei wesentliche Trends ab: PC-Datenbankprogramme und Entwicklungs-Tools sollen Schnittstellen zu unterschiedlichen Servern haben. Zudem sollen sie auf diversen Betriebssystemen und Benutzeroberflächen und in verschiedenen Netzwerken laufen können. Ulrich Parthier gibt einen Überblick über die wesentlichen Entwicklungen auf den sechs wichtigsten Marktsegmenten.

Die Frage, wie und in welche Richtung sich der Datenbankmark entwickelt, läßt sich pauschal mit "hetorogener denn je" beantworten. Einerseits rufen die Anwender nach Standardisierung, auf der anderen Seite antworten die Hersteller mit immer neuen eigenen Standards. Im folgenden wird eine Übersicht über Tendenzen in sechs wichtigen Sektoren des DV-Marktes gegeben.

Betriebssysteme und GUIs: Weiter mehrere Standards

Das Abrücken vom Mainframe und die Entwicklung zu den offenen Systemen - ein Begriff, den Unix okkupiert hat -, setzt sich fort. Allerdings wird die Idee des einen einzigen Unix-Standards ein Traum bleiben. Ob Ultrix, Sinix oder HP-UX, Unix-Anwender müssen mit den herstellerspezifischen Derivaten leben und ihre Tücken meistern. Genau das gleiche Phänomen beobachten wir im Bereich der grafischen Benutzeroberflächen, kurz GUIs (Graphical User Interfaces). Der Anwender auf der Suche nach seinem Standard steht vor der Qual der Wahl zwischen Windows, Macintosh, Nextstep, Presentation Manager, Open Look und Motif sowie im semiprofessionellen Bereich GEM und Geoworks.

Neben Unix hat sich DOS, nicht zuletzt mit Hilfe des Betriebssystem-Zusatzes Windows, in vielen Unternehmen durchgesetzt. Inzwischen ist Windows laut Microsoft weltweit weit über zehnmillionenmal ausgeliefert worden. Soweit die Jubelmeldungen. Es wird jedoch geschätzt, daß weniger als 50 Prozent der Windows-Besitzer die grafische Benutzeroberfläche tatsächlich nutzen, denn ohne den entsprechenden Prozessor und eine große und schnelle Festplatte stehen sie hinsichtlich der Performance mehr oder weniger wieder im 8086-Zeitalter. Aus diesen Gründen werden noch lange Zeit viele Anwender DOS bevorzugen.

Daß grafische Benutzeroberflächen aber dennoch der richtige Weg sind, verdeutlichen zwei Ansichten einer Tabelle. In Abbildung 1 ist sie unter DOS mit Paradox 4.0, in Abbildung 2 unter Windows mit Paradox für Windows dargestellt.

Microsoft propagiert Windows NT als das bahnbrechende 32-Bit-Betriebssystem der Zukunft. Anwender wie Hersteller sehen das anders. Abgesehen von der Verspätung im Microsoft-Fahrplan, kann ein erstes Release nicht nur wegen der Instabilität und der damit verbundenen Risiken niemals ad hoc das Nonplusultra sein. Grundsätzlich kann man erst mit Version 2.0 von einem ausgereiften 32-Bit-Betriebssystem sprechen.

Das beste Beispiel dafür ist OS/2. Mittlerweile sind auch von diesem Betriebssystem mehr als eine Million Kopien verkauft worden, vornehmlich an Großunternehmen. Diese Anwender haben schnell erkannt, daß der Windows-Weg in eine Sackgasse führt. Mit der OS/2-Wiedergeburt ist wieder ein Totgesagter auferstanden. Fazit: Unix, DOS und OS/2 werden den PC-/Workstation-Markt mittelfristig dreiteilen.

Client-Server-Computing ist derzeit der Modebegriff überhaupt. Nach Downsizing und Rightsizing soll nun das Client-Server-Zeitalter kommen. Viele Verantwortliche in DV-Unternehmen haben allerdings die Vorteile, aber auch die Problematik des neuen Ansatzes noch gar nicht erkannt.

Das Client-Server-Konzept trennt die Benutzung der Daten am Client oder auch Front-end von ihrer Verwaltung im Server oder auch Back-end. Die Vorteile liegen auf der Hand: Es ist sowohl eine höhere Produktivität bei der Anwendungsentwicklung als auch der unternehmensweite Zugriff auf Informationen möglich. Die Gefahren sind ebenfalls unübersehbar: Neben vorhandener Hard- und Software, Netzwerken und Protokollen, müssen geeignete neue Komponenten zum Aufbau eines Client-Sever-Modells ausgewählt und alles zusammen integriert werden.

In Client-Server-Konzepten von Großunternehmen spielen SQL-Server, zum Beispiel der SQL-Server von Microsoft oder SQLBase von Gupta, eine wichtige Rolle. Sie besitzen Gateways zu Großrechner-Datenbanken wie etwa DB2. Damit können Front-ends über SQL-Server auf unternehmensweite Datenbestände zugreifen.

In zunehmendem Mäße wird, ein weiterer Trend, der Server zu einem zweitrangigen Auswahlkriterium. Ob DB2, Informix, Ingres, Oracle, Sybase, Dataflex oder Unify 2000, fast alle bieten die gleichen Features. Mit der Einhaltung der referentiellen Integrität, dem Two-phasecommit-Protokoll, Online-Transaktionsmechanismen, Recovery-Maßnahmen etc. kann man allein kein Verkaufsargument mehr liefern. Die Tools zur schnellen Programmentwicklung rücken mehr und mehr in den Vordergrund.

Das ist die Stunde von neuen, noch kleinen, innovativen Firmen. Typische neue Produkte sind Powerbuilder von Powersoft/Milestone, Enfin/3 (Enfin Software), Supernova (Isco), JAM (Jyacc/Datenrevision), Uniface (Uniface/Cap debis GEI), Rosi/SQL (Halstenbach ACT) etc. Sie sind unabhängig von der Server-Seite, besitzen also Schnittstellen zu mehreren Servern, und sie verfolgen oft zudem eine Multiplattform-Strategie, sind also auf mehreren Betriebssystemen verfügbar. Das macht sie für Anwender, aber auch für Software- und Systemhäuser, die Applikationen damit entwickeln und diese auf andere Plattformen beziehungsweise auf verschiedene Server portieren wollen, so interessant.

Die Datenbankhersteller antworten auf diese Entwicklung mit der Offenheit ihrer Tools. Ein Beispiel hierfür ist SQL Forms 4.0. Oracle hatte bisher seine Tool-Welt weitestgehend abgeschottet. In einer DV-Welt, wo Anwender Offenheit vielleicht gar nicht nutzen wollen, sie aber einfach als Option fordern, geht das nicht mehr. Das haben die meisten Hersteller erkannt. SQL-Forms 4.0 in Verbindung etwa mit dem Sybase-Server - warum sollte das eine Fiktion bleiben?

Teilweise noch offen sind allerdings die Kompatibilitätsfragen. Um die scheren sich die Hersteller leider oft herzlich wenig. Typisch sind dafür Upgrades von Qracles SQL-Forms 2.3 auf 3.0 und nun auf 4.0 (derzeit im Alpha-Stadium). Die mitgelieferten Konvertierungsroutinen sind völlig unzureichend. Ähnliches gilt für Borlands Paradox. In puncto Kompatibilität von Paradox 3.5 auf 4.0 und auf die Windows-Version herrscht Fehlanzeige. Daß dies nicht so sein muß, zeigen Gegenbeispiele wie etwa Omnis 7 (Blyth Software/Connect Informationssysteme) oder Foxpro (Microsoft). Bei Omnis sind etwa auf dem Macintosh entwickelte Anwendungen 1:1 auf die Windows-Version übertragbar, bei Foxpro DOS-Applikationen auf die Windows-Version.

SQL-Schnittstellen noch zu herstellerspezifisch

Mittlerweile verstehen fast alle PC-Datenbanken die Abfragesprache SQL, so zum Beispiel Dbase IV, Paradox 4.0, Superbase 4 Version 2.0. Damit sind sie aber nicht gleich ohne weiteres auch als Front-end einsetzbar. Es muß auch jeweils eine Schnittstelle zu den verschiedenen Servern vorhanden sein. Dataease etwa bietet das schon lange, Paradox 4.0 kann gerade einmal mit dem hauseigenen Interbase-Server, Version 3.3, kommunizieren. Hier mangelt es an einer einheitlichen API (Application Program Interface-)Schnittstelle.

Mit der Abfragesprache SQL gibt es ein weiteres Problem: Ähnlich wie bei Unix, hat auch hier jeder Hersteller seine spezifischen Erweiterungen implementiert. Dies führt, wenn Applikationen in einer Programmiersprache der dritten Generation, etwa C oder Cobol, geschrieben wurden und über die Embedded-SQL-Schnittstelle eingebunden werden sollen, unweigerlich zu Problemen.

Waren es seit Anfang der siebziger Jahre die relationalen Datenbanken, die sich im Laufe eines Jahrzehnts etablieren konnten, so steht nun mit den objektorientierten Datenbanken eine neue Generation vor der Tür. Dennoch ist bisher eine Ablösung der relationalen Datenbanksysteme in absehbarer Zeit noch nicht zu erwarten.

Objektorientierte Datenbanken

Die objektorientierten Datenbanken müssen zunächst ihre Praxistauglichkeit beweisen. Von ihnen wird verlangt, die entscheidenden Anforderungen hinsichtlich Integration alter relationaler Datenbestände, Standards - Stichwort SQL - und Performance zu erfüllen. In puncto Standards versucht die Object Management Group Abhilfe zu schaffen. Objektorientierte Datenbanken werden zunächst in Nischen, wo in den letzten Jahren neue Anforderungen an Datenbanksysteme entstanden sind, etwa im CAD/ CAM/CIM-Bereich, ihre Verbreitung finden.

Multimedia-Anwendungen sind der neueste Trend

Bleibt als letzter Trend noch die Multimedia-Welle. Die Integration von Daten, Grafiken, Bildern und Sound wird die Hersteller ebenfalls zu kosmetischen Korrekturen am Datenbankdesign veranlassen. Datentypen wie die Blobs (Binary Large Objects) sind erste Ansätze hierfür.