Clustering/Die Rolle der Midrange-Plattform verändert sich

Der Datenbank-Server AS/400 als Hochverfügbarkeits-Cluster

19.11.1999
Seit der Betriebssystemversion OS/400 V3R7 ist Clustering auch für die AS/400 kein Fremdwort mehr. Klaus Grüning* beschreibt Funktionsweise und Einsatzmöglichkeiten.

Ursprünglich als reine Datenbankmaschine konzipiert und auf die Zielgruppe mittelständischer Unternehmen zugeschnitten, hat sich die Rolle der AS/400 in den vergangenen Jahren deutlich verändert. IBM öffnete die Plattform für unabhängige Protokolle wie TCP/IP, so daß sie heute auch als Web- oder Lotus-Domino-Server einsetzbar ist. Gleichzeitig wurden die als besonders robust geltenden Rechner immer häufiger auch für Anwendungen und in Unternehmen eingesetzt, die traditionell Mainframe-orientiert waren.

Das bedeutete, daß die Anforderungen an Speicher- und Rechenkapazität stiegen. IBM sah sich gezwungen, Möglichkeiten zu schaffen, um mehrere AS/400-Systeme zu vernetzen: Unter dem Begriff Cluster (Menge, Gruppe) versteht Big Blue in diesem Zusammenhang die Vernetzungsoptionen der AS/400, die mit dem Betriebssystem-Release OS/400 V3R7 erstmals erreicht wurden.

Die Möglichkeit der Cluster-Bildung nutzte der Hersteller aber nicht nur, um der Menge der Daten und der steigenden Komplexität der Anwendungen gerecht zu werden. Durch die Vernetzung wurde auch den Bedürfnissen der Anwender nach hoher Verfügbarkeit Rechnung getragen, zumal auch hier im Einsatz jenseits des Mittelstands die Bedürfnisse stiegen: In größeren Produktionsbetrieben ist der Rund-um-die-Uhr-Betrieb heute eine Selbstverständlichkeit, ein Rechnerausfall nicht akzeptabel.

Das Thema hohe Verfügbarkeit wurde auch deshalb wichtiger, weil immer mehr unternehmenskritische Anwendungen auf AS/400-Rechnern liefen. In dem Maß, in dem sich die AS/400 und die mit ihr verbundenen Client-Rechner zum Herzstück vieler Unternehmen entwickelten, wuchs der Bedarf nach permanenter Anwendungsverfügbarkeit. Dabei geht es keineswegs nur um den Schutz vor unerwarteten Ausfällen, seien diese von außen verursacht wie Brand oder Wasserschäden oder bedingt durch Hard- oder Software-Ausfälle. Auch jede planbare Ausfallzeit durch Wartungsarbeiten, Release-Wechsel oder die Tagessicherungen wird für immer mehr Unternehmen zum Problem.

In den großen Produktionsbetrieben ist der 24-Stunden-Betrieb an 365 Tagen im Jahr die Regel. Immer häufiger kommen aber auch kleinere Firmen in die Situation, alle oder zumindest die unternehmenskritischen Anwendungen permanent verfügbar zu halten. Als Schlagwort seien hier die langsam in Fahrt kommenden E-Commerce-Projekte genannt, deren wesentliche Attraktivität der Rund-um-die-Uhr-Zugriff ist. Sollen hier aktuelle Informationen im Web zur Verfügung stehen, wird es unabdingbar, daß bestimmte Anwendungen ständig in Betrieb sind: Informationen über Lieferfähigkeit und Preise oder die Verbindung zur Buchhaltung sollten aktuell und jederzeit abrufbar sein.

Aber auch für DV-Anlagen mit einer 40-Stunden-Woche kann die hohe Verfügbarkeit unverzichtbar sein, wenn im laufenden Betrieb der Ausfall bestimmter Anwendungen betriebswirtschaftlich untragbar ist. Die Spannbreite der Anwendungsverfügbarkeit kann von der Spiegelung einer einzigen, aber eben kritischen Anwendung bis zur ständigen Abbildung der gesamten Software reichen.

Den Sprachgebrauch verallgemeinernd, versteht IBM ab V3R7 des Betriebssystems OS/400 unter einem Cluster eine Menge von verschiedenen Computersystemen, die unter anderem zum Zweck der Anwendungsverfügbarkeit und des Lastausgleichs eng miteinander vernetzt sind. Im Clustering-Modell wird die Anwendungsverfügbarkeit dadurch erreicht, daß alle in der Datenbank gespeicherten Informationen, alle anderen zur Anwendung gehörenden Daten (Data-Areas, Data-Queues, Spoolfiles etc.) und alle Programme in Echtzeit auf andere Rechner des Clusters repliziert werden. Dadurch ist im Normalbetrieb eine Lastverteilung zwischen den Systemen möglich, da auf verschiedenen Rechnern Anwendungen sowohl im Echt- als auch im Backup-Betrieb laufen können.

Beispielsweise kann auf einer Maschine das Warenwirtschaftssystem im Produktionsbetrieb laufen, während gleichzeitig eine Backup-Version der Finanzbuchhaltungs- und Controlling-Software dort gehalten wird. Fällt ein Rechner des Clusters aus - durch eine Katastrophe oder aus anderen Gründen wie etwa Wartungsarbeiten -, so kann jede Anwendung innerhalb von Sekunden auf einem anderen Rechner wieder anlaufen.

Die Technik der Replikation, bei der lediglich die geänderten Daten übertragen werden, gestattet es, die Rechner eines Clusters an beliebigen Orten aufzustellen. Die theoretisch mögliche Entfernung zwischen den Einzelsystemen ist unbeschränkt. Dadurch läßt sich eine effiziente Katastrophenvorsorge erreichen. Auch die Anzahl der Einzelsysteme in einem Cluster ist theoretisch unbeschränkt. Für einen Hochverfügbarkeits-Cluster sind mindestens zwei Systeme erforderlich, in der Praxis liegt die Anzahl zwischen zwei und 20 Systemen. Die eigentliche Replikation der Daten und Anwendungen innerhalb des Clusters wird durch Softwareprodukte von IBM-Partnern übernommen, die sich auf das Thema Hochverfügbarkeit spezialisiert haben.

Ab der Version 4.4 des Betriebssystems OS/400 unterstützt IBM die Partnersoftware durch Werkzeuge und Schnittstellen. Dazu führt der Hersteller mit V4R4 die Möglichkeit der Definition sogenannter Cluster Resource Groups ein.

Einzelnen Rechnern im Verbund können damit verschiedene Rollen zugewiesen werden, beispielsweise dient ein Hauptrechner als System für die Produktionssteuerung, ein Backup-Rechner für die Finanzbuchhaltung und Produktionssteuerung (siehe Abbildung "Arbeitsteilung").

Mit dem neuen Heartbeating-Feature sind die Rechner in der Lage, sich gegenseitig zu überwachen und im Fehlerfall den Umschaltprozeß auf einen anderen Rechner auszulösen.

Für die Replikation der Daten bildet das Journalling die Basis. Journalling bedeutet bei der AS/400 die Protokollierung jeglicher Änderungen an der Datenbank. Mit der OS/400-Version V4R4 wurde diese Protokollierung auf die IFS-Streamfiles (das von manchen Anwendungen verwendete Unix-File-System auf der AS/400) ausgedehnt. Damit hat IBM die Voraussetzung für die Partnerfirmen geschaffen, auch diese Daten in ein Hochverfügbarkeitskonzept einzubeziehen.

Mit der Einführung des vom Großrechner her bekannten Prinzips der logischen Partitionierung (Betriebssystem VM) für die AS/400 ab Release V4R4 wird die Möglichkeit zur Nutzung der AS/400 in einem Hochverfügbarkeits-Cluster noch erweitert. Unternehmen können nach einer Analyse ihrer Geschäftsprozesse eine Verfügbarkeit ihrer Anwendungen erreichen, die von einer einfachen Absicherung der wichtigsten Abläufe bis hin zur Hochverfügbarkeit aller Anwendungen im 24-Stunden-Betrieb reicht, verspricht der Hersteller.

Angeklickt

Mit der Öffnung gegenüber Standards wie TCP/IP oder Lotus Notes hat IBM die Anwendungsmöglichkeiten der AS/400 erweitert. Daraus entstand auch die Notwendigkeit, mehrere Rechner in Netzwerke zu integrieren. Zugleich wurden die Applikationen, die auf den Midrange-Servern liefen, immer wichtiger für den reibungslosen Betrieb in den Unternehmen. Mit dem Betriebssystem-Release OS/400 V3R7 erhielten Anwender erstmals die Möglichkeit, mehrere Rechner in einem Hochverfügbarkeitsverbund zusammenzuschalten. In der Version V4R4 sind die Voraussetzungen für die Cluster-Bildung im Mikrocode integriert.

*Klaus Grüning ist Vertriebsleiter bei Datamirror Deutschland in Darmstadt.