Kinder und IT-Karriere

Der CIO als Daddy Cool

29.05.2014
Von 
Christiane Pütter ist Journalistin aus München.
Die Kinder von dwp Bank-CIO Klaus Weiß finden die Arbeit ihres Vaters "cool". Welche Ansprüche Männer an Vereinbarkeit von Familie und Beruf stellen, das wird etwa seit zwei Jahren intensiv diskutiert. Das beobachtet jedenfalls Coach Sascha Schmidt. Auch Andreas König (CIO von ProSiebenSat1) kann bestätigen, dass das Thema Kinder und Karriere eine Herausforderung ist.
Vereinbarkeit von Beruf und Familie ist auch für Männer ein Thema.
Vereinbarkeit von Beruf und Familie ist auch für Männer ein Thema.
Foto: detailblick - Fotolia.com

Sportlich war er nicht. Besonders stark oder schön auch nicht. Dennoch wurde Herbert Grönemeyer vor fast 30 Jahren, im Juni 1984, bundesweit berühmt - mit der simplen Frage: "Wann ist ein Mann ein Mann?" Auf Antwort wartet der Barde bis heute. Doch die so genannten neuen Männer gehen bereits einen Schritt weiter - sie diskutieren über die Rolle(n) des Vaters.

Ob die "neuen Väter" auch in der IT-Branche ein Thema seien, wollten wir von Andreas König, CIO bei ProSiebenSat1, wissen. Die Antwort kam prompt: "Absolut!" König sagt: "Ich bin der Meinung, dass wir Manager genauso wie Managerinnen sehr gut darin sein müssen, verschiedenste Rollen und Aufgaben gleichzeitig zu bewältigen." Das, so König weiter, sei "manchmal die hohe Kunst." Ein möglichst genauer Tagesablauf während der Woche soll dem CIO ausreichend Zeit für die Familie freihalten. Konkret: König verlässt das Büro konsequent um 18 Uhr. Gegen 21 Uhr klappt er den Laptop dann noch einmal auf, um noch ein paar Aufgaben zu erledigen und E-Mails zu beantworten.

Bei Klaus Weiß sieht Konsequenz anders aus. Der CIO der dwp-Bank sagt offen, dass es immer wieder schwierig ist, die Arbeit aus dem Kopf zu kriegen und sich auf die Familie zu konzentrieren. Lösung: Weiß hat sich mit den Seinen darauf geeinigt, dass Papa so lange arbeiten darf, wie er will - dann aber auch mit ganzer Aufmerksamkeit da ist, wenn er nach Hause kommt.

In einem Punkt sind sich die CIOs einig: "Ein cooler Papa zu sein, hat schon was", grinst König. Und Weiß führt aus, was die Kinder an seiner Arbeit cool finden: Videos auf Youtube, schräge Blogs, Facebook. Er selbst fühle sich ja eher der Technik verpflichtet, fügt er an.

Führungskräfte können sich im Umgang mit ihren Kindern hinterfragen

Doch ob Informatiker, Betriebswirt oder andere Berufe - Sascha Schmidt, Coach und Karriereberater aus München, will Väter zu mehr Intuition ermutigen, wie er im Gespräch mit uns sagt.

Herr Schmidt, seit wann wird die Vaterrolle diskutiert und warum?

Sascha Schmidt: Das Männerbild wird schon länger diskutiert. Speziell zur Rolle des Vaters beobachte ich seit etwa zwei Jahren eine starke Diskussion in den Medien. So hat die ZEIT diesem Thema Anfang dieses Jahres mehrere Dossiers gewidmet. Das steht in Zusammenhang mit Fragen der Vereinbarkeit von Beruf und Familie, hier geht es ja nicht nur um die veränderte Rolle der Frauen.

Diese Diskussion berührt Karrierefragen.

Sascha Schmidt: Ja, die Generation Y hat ganz andere Erwartungen an das Berufsleben als ihre Väter. Gerade in der IT ist ein Lebenslauf nach dem Motto "einmal Siemens, immer Siemens" nicht mehr gewünscht. Viele Unternehmen positionieren sich als Top-Arbeitgeber mit ihren Leistungen für die Angestellten. Die Erwartungshaltung der jungen Arbeitnehmer wächst.

Und damit können sie bei jungen Leuten punkten.

Sascha Schmidt: Ein Zertifikat als familienfreundlicher Arbeitgeber reicht noch nicht aus. Wichtig sind die Aktivitäten des Unternehmens. Die Praxis muss glaubwürdig sein.

Werden die jungen Männer ihre Ansprüche anmelden, wenn Theorie und Praxis auseinanderklaffen?

Sascha Schmidt: Das glaube ich nicht. Sie werden Konsequenzen ziehen und den Arbeitgeber verlassen.

Setzen denn die neuen Väter ihre veränderte Rolle bereits um?

Sascha Schmidt: Da sehe ich noch eine große Diskrepanz zwischen den verschiedenen Studien zu diesem Thema und der Realität. Faktisch arbeiten die meisten Väter immer noch Vollzeit, wenn überhaupt, nehmen sie nur die zwei Monate Elternzeit. Wie wichtig aber die Auseinandersetzung mit dem Vater-sein ist, zeigt die Flut an Ratgebern. Ich selbst habe ja auch einen geschrieben (lacht).

Sie schreiben, intuitiv sei jeder Mann ein guter Vater. Inwieweit ist das Wunschdenken?

Sascha Schmidt: Diese Aussage ist natürlich provokant, sie soll aber auch aufmuntern. Es spricht ja nichts dagegen, einen oder zwei Ratgeber zu lesen. Ich möchte aber nicht, dass die Männer bloß Anweisungen aus Büchern oder Zeitschriften folgen. Sondern ihrer Intuition. Dabei stehen sie vor einem Dilemma: das tradierte Rollenbild will man nicht mehr, neue sind noch wenig etabliert. Es gibt heute keinen Common Sense mehr darüber, wieviel oder wenig Autorität ein Kind braucht. Verschiedene Erziehungsstile sind möglich. Hier will ich die Männer ermutigen, mehr in sich hineinzuhorchen.

Sie sagen, persönliche Klarheit sei die Basis, um Familie und Karriere erfolgreich zu vereinbaren. Wie erreicht "mann" diese Klarheit? Was, wenn diese Klarheit fehlt - erst einmal nicht Vater werden…?

Sascha Schmidt: Nein. Wer Kinder haben will, soll welche bekommen. Der eigene Entwicklungsprozess ist ja auch nie abgeschlossen. Das ist ein lebenslanger Prozess. Und Kinder geben einem die Chance, die eigene Entwicklung zu spiegeln. Denn sie reagieren unmittelbar und direkt auf die Eltern. Gerade Führungskräfte können sich im Umgang mit ihren Kindern hinterfragen. Kriegen die Kinder etwas ab, das man im Job lassen sollte? Oder: Warum ist man als Vater plötzlich so harmoniebedürftig? Solche Fragen muss man sich stellen.

Den eigenen Vater plötzlich als Großvater erleben

Wer Vater wird, setzt sich ja auch mit der eigenen Kindheit als Sohn - und dem eigenen Vater - auseinander. Wie geht man damit um?

Sascha Schmidt: Jeder Vater wird noch einmal mit dem eigenen Vater konfrontiert. Er sollte das reflektieren: Wie war mein Vater zu mir? Ein anderer Aspekt: man erlebt den eigenen Vater plötzlich als Opa. Es kommt nicht selten vor, dass Opas den Enkeln geben können, was sie den Kindern nicht geben konnten. Das zu beobachten kann schmerzhaft sein. Es kann aber auch einen Heilungsprozess in Gang setzen. Über dieses Thema wird bisher noch viel zu wenig geredet. Und auch bei den Großvätern gilt: das tradierte Rollenbild ist ja nicht mehr das einzig mögliche.

Glauben Sie, dass IT-Entscheider durch ihre Arbeit einen gewissen Vorteil haben? Kleine Kinder lernen per Computerspiel oder iPad, was Informatik ist.

Sascha Schmidt: Das glaube ich nicht. Ich denke eher, dass Informatiker von ihren Kindern eine ganze Menge lernen können - zum Beispiel Medienferne. Einfach mal wieder Riechen, wie eine Blume duftet, und darüber Staunen. Wieder in der analogen Welt leben und nicht nur in der digitalen.

Soweit die Sicht des Coaches. dwp Bank CIO Weiß fügt allerdings an: "Eigentlich hoffe ich, dass es keiner expliziten Diskussion um ,neue Väter' bedarf, sondern wir als Gesellschaft schon grundsätzlich diese Offenheit ermutigen."