Der Aufstieg des computerintegrierten Managements

05.06.1987

Wer schnell und kundenindividuell auf Marktanforderungen reagieren will, muß auf Computer-Integration setzen. Das erfordert von der Informationstechnologie Netzwerkkommunikation, Ausfallsicherheit, Softwaretechnologie der vierten Generation, um Datenstrukturen flexibel an Strukturwandlungen bei Technologien und Märken anpassen zu können. Vor allem aber erfordert das von der Organisationsentwicklung eine Unternehmenstruktur, die zum Management des Wandels befähigt.

Der Aufstieg des computerintegrierten Managements: Neue Verantwortlichkeiten in verändertem Umfeld- Abbildung 13-verdeutlicht das Wechselspiel zwischen Informations- und Linienmanagement, angestoßen durch die Informationstechnologie, in ihrer Auswirkung auf die Unternehmensorganisation. Dramatische Veränderungen in der Informationstechnologie schaffen neue Verantwortlichkeiten in verändertem Umfeld. Stichworte: Software Engineering, Datenbankcomputer, Expertensysteme und Netzwerkkommunikation. Dabei wächst die Gefahr, daß sich immer weiter die Schere öffnet zwischen enormen technischen Möglichkeiten und erfolgreicher Implementierung in eine funktionierende Unternehmensorganisation.

Denn erstens wird, wer Wettbewerbspositionen erfolgreich verteidigen will, auf Computerintegration als dialoggestützte Unternehmensorganisation setzen müssen. Gemeint

ist damit die Einbindung aller Unternehmensbereiche in ein ganzheitliches Organisationskonzept mit dem Ziel verkürzter Durchlaufzeiten, flexibler Anpassung an individuelle Kundenbedürfnisse sowie schneller Reaktion auf den Strukturwandel bei Technologien und Märkten - alles weitestgehend mit Ausschöpfung der Kostenvorteile der Massenproduktion. Computerintegration ist dabei vor allem Ergebnis von Vision und Unternehmensstrategie, weniger der Hardware-und sicher etwas ganz anderes als die "Elektrifizierung des Ist-Zustandes". Auf jeden Fall aber bedeutet das dialoggestützte Organisationskonzept der Computerintegration eine ganz einschneidende Veränderung der Unternehmensorganisation (siehe Teil 1).

Engpaßfaktoren in der Organisation überwinden

Ausgelöst oder ermöglicht wurde diese Computerintegration zweitens durch dramatische Veränderungen in der Informationstechnologie. Um wachsende

Implementierungslücken bei der Organisationsentwicklung zu schließen, geht es bei diesen Technologiesprüngen vor allem um den zielführenden Einsatz der Softwaretechnologie der 4. Generation mit dem Ziel, durch geeignete Werkzeuge und Methoden die Programmierung als Engpaßfaktor der Organisationsentwicklung zu überwinden und die vielfältigen Anwendungsstaus im Unternehmen zu beseitigen. Gegenwärtig bindet die handwerkliche Datenverarbeitung in den meisten Unternehmen so viel Energien, daß für die strategische Organisationsentwicklung und Informationsverarbeitung zu wenig Kapazität verfügbar ist (siehe Teile 2 und 3).

Wie Abbildung 13 zeigt, eröffnet die Informationstechnologie dem Informationsmanagement neue strategische Alternativen der Informationsverarbeitung, verbunden mit einer Überprüfung der I/S-Strategie in Richtung auf vernetzte Abteilungsrechner und integrierte Kommunikationsnetze. Dies kann nicht ohne gravierende Auswirkungen auf die Unternehmensorganisation bleiben. Neben Computerintegration als Systemkonzept (siehe Teil 0 sowie geeigneten Werkzeugen und Methoden für Systemdesign und Programmierung (siehe Teile 2 und 3) müssen daher drittens die Auswirkungen der dialoggestützten und vernetzten Betriebsorganisation, das heißt die Auswirkungen der Systemimplementierung, auf Strukturen und Abläufe der Unternehmensorganisation und auf die Unternehmenskultur beobachtet werden.

Das hat zunächst dramatische Konsequenzen auf die Rollen von Informations- und Linienmanagement im Unternehmen. Stichwort: Anforderungsprofil des zukünftigen Informationsmanagers (CIO). Es hat weiter Auswirkungen auf Unternehmensstrategie und Management. Erweiterung des berühmten "structure follows procedure" zum "procedure (Technologie) follows strategy (unternehmerischer Vision)". Siehe dazu den CIM-Erfahrungsbericht der DEC-Fertigungschefs "Vergessen Sie das C bei CIM" (CW Nr. 19 vom 8. Mai 1987). Die Beherrschung des Akzellerationsgesetzes bei Technologien und Märkten erfordert darüber hinaus (und selbstverständlich neben vielem anderen) von den Unternehmen als Überlebensstrategie, planmäßig eine Unternehmenskultur zu entwickeln, die zum Management des Wandels befähigt- Innovations-Management gewissermaßen als High-Touch-Komponente der Computerintegration.

Die Systemeffizienz vor allem ändert sich

Die Informationstechnologie hat einschneidende Auswirkungen auf die Unternehmenskultur ("High Touch"). Organisationsentwicklung ("Orgware") ist gefragt. Neuer Wein in alten Schläuchen. .. Was sich ändert, ist vor allem die Systemeffizienz ("die Dinge richtig tun"). Systemimplementierung statt Systemempfehlung. Koalitionsstrategien statt Wettbewerbsstrategien. So verbindet beispielsweise das Just-in-Time-Konzept (JIT) Käufer und Verkäufer auf der Basis partnerschaftlicher Zusammenarbeit zu einem branchenübergreifenden Vertikalverbund in der Logistikkette. Derartige Interorganisationssysteme sind ebenso Boten der heraufziehenden verkabelten Gesellschaft (siehe 4. Phase im CISR-Entwicklungsmodell der Informationsverarbeitung, Abbildung 1 in CW Nr. 16 vom 17. April 1987) wie die weltweiten, firmeninternen Kommunikationsnetze mit ihren dramatischen Auswirkungen auf den Informations- und Managementprozeß (siehe Teile 4 und 5).

Führungshilfen für das Topmanagement

Viertens beginnt sich in der informationsgestützten Organisation (3. Phase im CISR-Entwicklungsmodell) aber auch die Qualität der Informationen zu verändern- und damit die Qualität der Informationsverarbeitung als zentrales Rückgrat der Organisation. Geeignete Benutzeroberflächen ermöglichen dem Linienmanagement inzwischen den Einsatz von Computern an ihrem Arbeitsplatz als Führungs- und Entscheidungshilfe. Das erfordert vom Informationsmanagement die Einbindung des End User Computing (EUC) in die ganze Organisation. Damit entwikkelt sich jedoch die informationsgestützte Organisation, bei der sich die Führungsinformation zum Nervenzentrum des Unternehmens entwikkelt. Diese Entwicklung wird geprägt von der Suche nach den kritischen Erfolgsfaktoren (CSF) des Unternehmens für die Ausrichtung der Unternehmensstrategie sowie eines geeigneten Führungsinformationssystems zu ihrer optimalen Durchsetzung. Erste Ansätze hierzu sollen in diesem Teil angedeutet werden.

Auf der CISR Summer Session 1986 unter dem Generalthema "Beherrschung der Informationstechnologie - Neue Verantwortlichkeiten in verändertem Umfeld" über das Management der 90er Jahre berichtete der CISR-Direktor über einen neuen Trend, den das CISR ausgemacht hatte: Der Firmenchef geht Online. John F. Rockart berichtete über eine erstaunliche Entwicklung, die unter dem Fachkürzel "Executive Support System" beschrieben wird. ESS - computergestützte Führungshilfen für das Topmanagement, zur Zeit noch viel belächelt, dennoch rasch verbreitet.

Offenbar gibt es drei Kategorien für den Aufbau einer solchen Führungshilfe: zunächst zur Lösung einer geschäftlichen "Schieflage"; als Krisenmanagement (Problemlösungswerkzeuge) soll das Managementkontrollsystem ("status access") verbessert werden. Der geschäftsorientierte Executive Support zielt auf die Verbesserung der Effektivität. Bei der zweiten Kategorie soll da gegen die Effizienz der Executives gesteigert werden durch Einbindung des Topmanagements in die Bürokommunikation (elektronische Post, Bild- und Textverarbeitung, Tabellenkalkulation, Geschäftsgrafiken). Hier geht es um wirkungsvollere Kommunikationskanäle und leistungsfähigere Werkzeuge für die Tagesarbeit ("office automation").

Im dritten Fall soll der Organisation ein Signal gesetzt werden, daß die Informationstechnologie für die Schaffung strategischer Erfolgspotentiale konsequent ausgeschöpft werden soll ("query and analysis"). Hier herrscht offenbar das Bedürfnis vor, die Aktivitäten des Unternehmens besser zu verstehen. Gewonnen werden soll ein besseres Bild dessen, was das geistige Modell des Chief Executives wirklich ist.

Informationsgestützte Organisation im Anzug

Ob CISR hier das Ohr am Puls der Managementzeit hat, mag offen bleiben. Zweifelsfrei aber hat sich der Stellenwert der Information für das Unternehmen geändert. Herrschten in der Phase der Prozeßabrechnung verdichtete Zahlen über die einzelnen Prozesse im Unternehmen vor zum Beispiel Kundenumsatz nach (...)parten), waren es in der Phase der Prozeßsteuerung die Kennzahlen zur Steuerung der betrieblichen Prozesse (zum Beispiel Lagerumschlag und Servicegrad für Bedarfsprognosesysteme). In der informationsgestützten Organisation gewinnt die Information dagegen eine wesentlich abstraktere Funktion. Bei den Führungshilfen für das Topmanagement sollen hochverdichtete Schlüsselzahlen die kritischen Erfolgsfaktoren (CSF) ausweisen; die Chancen und Risiken der eigenen Wettbewerbsposition; die abstrakten Meßlatten, die Handlungsbedarf bei wichtigen Geschäftsdaten des Unternehmens anzeigen.

Topmanagement als Sponsor

Damit ein Executive Support-System erfolgreich arbeiten kann, benötigen seine VIP-Benutzer ein besonderes Maß an Hilfestellung durch das Informationsmanagement, als Einführungstraining für die Anwendung der geeigneten Programmiersprachen und Werkzeuge, für Aufbau und Pflege der Datenbank sowie für Konzept, Design und Implementierung ihrer Systeme. Die Wirkungen derartiger ESS-Systeme auf die Organisation sind erstaunlich. So fassen verschiedene Chief Executive Officers (CEO) aus dem Kreise der Fortune-500-Unternehmen ihre Erfahrungen zusammen:

-Ich gebe der Organisation ein Signal für eine stärker zahlenbezogene Führung des Unternehmens. Ich möchte, daß meine Mitarbeiter analytischer denken. Und sie tun es. .. 0

-Durch unser ESS wissen die Unternehmensbereiche sehr viel genauer, auf welche

Informationen es ankommt. Plötzlich stehen die erforderlichen Informationen sehr viel schneller zur Verfügung...

-Das ESS hat mir geholfen, mein geistiges Modell des Unternehmens und der Branche zu verbessern. Ich bin zuversichtlicher, daß ich die Operationen unserer Firma und ihre Zukunftsentwicklung von überblicke..

Konkrete Emissionspläne hegt die Markt + Technik AG, Haar bei München. Noch in diesem Sommer will der auf den Vertrieb von PC-Software und Mikrocomputer-Publikationen spezialisierte Verlag (Jahresumsatz 1986: 117,9 Millionen Mark, Umsatzrendite: 4,5 Prozent) seine Aktien in München und Frankfurt in den amtlichen Handel einfuhren; bisher notierten M+T im geregelten Freiverkehr. Zu ihrem Einstand wollen die Vorstände Carl-Franz von Quadt und Otmar Weber 100 000 neue Aktien in die heiligen Börsenhallen mitbringen. Die Emission und die mit ihr verbundene Erhöhung des Grundkapitals von 1 0 auf 15 Millionen Mark müssen von der Hauptversammlung am 7. Juli abgesegnet werden - pro forma, denn die beiden Gründer und Vorstände halten je 40 Prozent des Kapitals.

Auch Leo Schleupen wittert Börsenluft: Die Ettlinger System- und Softwarehausgruppe plant, wie Geschäftsführer Arno Petzoldt vor Anwendern verkündete, die Umwandlung in eine Aktiengesellschaft. Da der Firmenname "Leo Schleupen Systemanalyse GmbH" außerhalb der DV-Szene nicht sonderlich bekannt ist, hat das Unternehmen als potentielle Anleger findigerweise seine Anwender ausgeguckt-vergleiche Info AG...