Die Probleme mit der Textverarbeitung sind auf zwei Wegen lösbar:

Der Anwender zwischen Textsystem und Mikro

28.06.1985

In der jüngsten Vergangenheit wurden bereits an vielen Stellen in Betrieben Schreibmaschinen durch teure Textverarbeitungsanlagen abgelöst, in anderen Betrieben steht man kurz vor einem solchen Schritt. Probleme gibt es in beiden Situationen.

Der Ausgangspunkt stellt sich meist so dar:

- Das Leistungspotential bestehender Systeme wird oftmals nicht annähernd ausgenutzt, das heißt diese Anlagen werden vom Bedienungspersonal - häufig Sekretärinnen und Schreibkräfte - lediglich wie eine bessere Schreibmaschine genutzt.

- Potentielle Kunden zögern eine aus Rationalisierungsgründen benötigte Installation heraus. Sie wollen abwarten, wie sich der Bürokommunikationsmarkt entwickelt.

Warum Schreibautomaten unzureichend genutzt werden, läßt sich am besten anhand eines Praxisfalles darstellen. Es handelt sich hierbei um ein größeres Unternehmen in Düsseldorf mit 50 Angestellten im Verwaltungsbereich. Nachdem mit guten Erfahrungen verschiedene Verwaltungsaufgaben bereits durch DV-Anlagen unterstützt wurden, entschloß man sich im Jahr 1983, zehn Arbeitsplätze verschiedener Abteilungen mit Textverarbeitungsanlagen auszurüsten. Die angestrebte Rationalisierung der Korrespondenz und des Berichtswesens war dem Unternehmen rund 250 000 Mark für Hard- und Software wert.

Die Ausbildung der Schreibkräfte, Sekretärinnen und Sachbearbeiter beschränkte sich auf den im Lieferumfang enthaltenen, eintägigen Herstellerlehrgang. Der Lehrgang vermittelte den DV-Anfängern ein Grundwissen über die Bestandteile des Schreibautomaten sowie über das Anlegen, Überarbeiten und Drucken von Dokumenten. Darüber hinaus mußten die Anwender mit Bedienungsanleitungen zum Selbststudium und den Handbüchern zurechtkommen.

Infolge dieser Situation und der Notwendigkeit die normalen Tagesaufgaben auch weiterhin zu erledigen, erweiterten die Anwender ihre Systemkenntnisse lediglich auf das Notwendigste. Möglichkeiten der Arbeitsvereinfachung wurden ausgelassen. Eine Rationalisierung der Schreibaufgaben, etwa durch Mischen von Datei und Text oder durch den Aufbau einer Bausteinbibliothek für die programmierte Textverarbeitung wurden nicht erreicht.

Unorganisiertes Vorgehen bei der TV-Einführung

Der typische Fehler des Unternehmens liegt im unorganisierten Vorgehen bei der Einführung der Textverarbeitungsanlagen. Sie wurden aufgestellt wie neue Schreibmaschinen, während eine Einführungsstrategie, wie bei allen anderen DV-Anwendungen durchgeführt, nicht erarbeitet wurde. Eine gezielte Vorbereitung und Unterstützung der Anwender wurde vernachlässigt. Wir schlagen in einem solchen Fall von vornherein den Aufbau einer Textanwendungsberatung im Unternehmen vor.

Zur erfolgreichen Einführung eines Textanwendungsberaters (das kann natürlich auch eine Dame sein) dienen die folgenden Tips:

1) Ein Mitarbeiter, möglichst schon DV-erfahren und in der Lage Wissen zu vermitteln, sollte ausgewählt werden und die Aufgaben des Textanwendungsberaters übernehmen.

2) Dieser Mitarbeiter baut umfassende Systemkenntnisse auf und erarbeitet ein Organisationskonzept für die Textverarbeitung:

- Handbücher (gegebenenfalls maschinell) für firmenspezifische Anwendungen

- Dateien

- Textbausteinbibliothek

3) Er übernimmt die Datenorganisation, Datei- und Datenbestandspflege,

4) Die Hauptaufgabe dieses Mitarbeiters ist es als Berater der übrigen Textverarbeitungsanwender zu fungieren, das heißt

- er führt die Anwender im Bereich der Textverarbeitung, also häufig DV-unerfahrene Sekretärinnen und Schreibkräfte, an das System heran,

- dient als ständige und kompetente Anlaufstelle für Problemlösungen der Anwender,

- sorgt im Laufe des Einsatzes des Systems dafür, daß jeder Anwender die Aufgaben und Anforderungen seines Arbeitsplatzes selbständig und umfassend übernehmen kann.

Denn es ist genauso unwirtschaftlich, mehrere Mitarbeiter zu beschäftigen, die das Textsystem "ein wenig" beherrschen, als nur einen Mitarbeiter zu haben, der das System vollkommen beherrscht. Jeder muß das können, was benötigt wird. Der Textanwendungsberater motiviert den einzelnen Benutzer seine Fähigkeiten weiterzuentwickeln und ermöglicht ihm durch Beratung, das Leistungspotential einer Textverarbeitungsanlage auszunutzen. Er beginnt Ideen zu entwickeln und umzusetzen und findet damit zu Erfolgserlebnissen am neuartigen Arbeitsplatz. Das ist die Vorraussetzung für effizienteres Arbeiten mit modernen Textverarbeitungsanlagen.

Gegenwärtige Marktsituation verunsichert Kunden

Die zweite Situation, die des Herauszögerns einer Entscheidung, beruht auf der gegenwärtigen Marktsituation. Viele Hersteller bieten für Mikrocomputer bereits Gesamtkonzepte an, andere kündigen diese an. In diesen Fällen arbeiten Textverarbeitungsprogramme auf PCs, die gleichzeitig für andere Einsatzgebiete zur Verfügung stehen und außerdem die Möglichkeit eines Verbundsystems offenhalten.

Die Entscheidungssituation, ob jetzt ein reines Schreibsystem für die geplanten Einsätze installiert werden soll oder aber oben erwähnte Mikros mit entsprechender Software, läßt viele Unternehmen zögern.

Bisherige Schreibsysteme sind in ihren speziellen Einsatzgebieten noch nicht zu übertreffen, da die Textverarbeitungssoftware für Personal Computer das Niveau der Schreibsysteme noch nicht erreicht.

Wir fordern die Unternehmen in einer standardisierten Bedarfsanalyse zur Klärung auf, was sie wollen und brauchen.

Dazu zwei Hinweise:

- Benötigt ein Unternehmen eine Lösung für reine Schreibaufgaben an Arbeitsplätzen, die lediglich für Brief- und Dokumentenerstellungen zuständig sind und für diese Aufgaben einen hohen Arbeitskomfort bieten müssen, so sind Schreibsysteme heute die richtige Lösung.

- Soll ein Computer vielseitig eingesetzt werden (vielfach in kleineren Unternehmen) oder bedarf der Arbeitsplatz mehrerer Anwendungsgebiete, wie beispielsweise Finanzbuchhaltung und Textverarbeitung, so bietet ein Mikro mit leistungsfähiger Software die bessere und wirtschaftlichere Lösung.

Die naheliegende Frage, ob sich ein reines Schreibsystem überhaupt in ein Gesamtkonzept integrieren läßt, ist ein diffizieles Problem. Hier liegen kaum Anwendererfahrungen vor, da Schreibsysteme fast, ausschließlich für Schreibaufgaben genutzt werden.

Integrationsproblem

Will man ein reines Schreibsystem in die zukünftigen Bürokommunikationssysteme mit ihren umfangreichen Möglichkeiten:

- Btx

- Teletex

- Elektronische Post

- Mehrplatzsystem

- Datenbank

integrieren, so dürften hier erhebliche Schnittstellenprobleme auftreten.

Um nun dem Entscheidungsträger eine Hilfe zu geben, sich heute zu einer Installation zu entschließen, schlagen wir folgende Vorgehensweise vor:

1 ) Durchführung einer Bedarfsanalyse zur Textverarbeitung und Bürokommunikation mit Wirtschaftlichkeitsbetrachtung,

2) Auswahl und Einführung eines einheitlichen Systems für das gesamte Unternehmen, entweder in bezug auf ein Schreibsystem oder aber auf die Installation eines Bürokommunikationssystems; -

3) Beteiligung der künftigen Anwender an den vorgenannten Prozessen;

4) Schulung beim Geräte- beziehungsweise Softwarehersteller mit dem sofortigen Ziel, für das Unternehmen ein eigenes Know how aufzubauen, das später als interne Textanwendungsberatung fungieren kann;

5) Erarbeitung und Umsetzung eines Organisätionskonzeptes für die Textverarbeitung, Textbausteine, Dateien und maschinell geführtes "Texthandbuch".

6) Ordnung und Kontrolle der Datenorganisation und Datei- beziehungsweise Datenbestandspflege.

Sicherungskonzept gegen Mehrfacherfassung

Die Textverarbeitung wächst und wächst, man verliert leicht die Übersicht. Entrümpeln Sie also von Zeit zu Zeit die gewachsenen Dateien und entwerfen Sie ein Sicherungskonzept, um aufwendige und lästige Mehrfacherfassungen zu vermeiden.

Vor allem aber: Führen Sie die Textverarbeitung sofort ein. Meine ganze Praxiserfahrung besagt, daß die Anwender die neue Technik ob reines Schreibsystem oder Mikrocomputer - bereits nach wenigen Wochen akzeptieren und nicht mehr missen möchten. Häufigste Bemerkung: "Das hätten wir schon viel früher haben müssen."

*Thomas Hamann ist Bürokommunikationsspezialist der Zündel + Partner Untemehmensberater, Nettetal.