Denkanstoesse aus der Subkultur

15.10.1993

Keine zwei Jahre ist es her, da fand in Grossanwenderkreisen kein Gespraech ueber Anwendungsentwicklung statt, ohne dass das Kuerzel AD/Cycle auftauchte. Im Juli 1992 war der Spuk vorueber: Ploetzlich und unerwartet erklaerte die IBM den Bankrott ihres Mainframe- zentrierten CASE-Konzepts. Die Entwicklungsabteilungen verloren ihre Orientierungsmarke.

In der Folge hat sich klammheimlich eine Art Subkultur herausgebildet. Statt in grossangelegte CASE-Umgebungen zu investieren, holen sich die Unter- nehmen lieber Windows- basierte 4GL- und GUI-Werkzeuge ins Haus. Die ganz Mutigen experimentieren sogar mit objektorientierten Sprachen.

Die Beweggruende fuer diese Entscheidung liegen in einem doppelten Druck von seiten der Benutzer sowie des Managements: Sind die PC- verwoehnten "Endanwender" nicht laenger gewillt, wochen- oder monatelang auf ihre Applikationen zu warten, so fordert die Unternehmensleitung einen nachweisbaren Return on Investment, sprich: moeglichst rasch sichtbare Ergebnisse. Oh, alte DV- Herrlichkeit, wohin ...

Aus der Not geboren, gilt der Einsatz "schneller" Entwicklungswerkzeuge in den wenigsten Unternehmen als strategisch. Doch bisweilen fuehren auch pragmatische Entscheidungen zu einer im Grundsatz veraenderten Verhaltensweise.

Das in den GUI-Werkzeugen verankerte Prototyping-Prinzip sowie der objektorientierte Ansatz per se unterscheiden sich vom klassischen Top-down-CASE in einem wesentlichen Punkt: Sie ermoeglichen nicht nur, sondern fordern regelrecht die Kommunikation zwischen Entwickler und Benutzer.

Auf diese Weise laesst sich die Klippe umschiffen, an der die grossen CASE-Dampfer aufgelaufen sind, die Tatsache naemlich, dass die Applikationen - so sie jemals fertig wurden - nicht mehr den tatsaechlichen Anforderungen der Benutzer entsprachen. Um der Wahrheit die Ehre zu geben: Nebenher basteln die grossen Entwicklungsabteilungen selbstverstaendlich immer noch an unternehmensweiten Daten- und Funktionsmodellen - aus Gruenden, die vor allem mit dem Zauberwort Konsistenz zu tun haben. Aber das ist eine andere Geschichte. qua