Renaissance der Terminals unter X-Windows, denn

Den seriellen Flaschenhals muß es schon jetzt nicht mehr geben

19.07.1991

Bis vor wenigen Jahren waren Terminals die gängige Schnittstelle zwischen Rechner und Anwender. Vor allem grafische Terminals mit und ohne lokale Intelligenz kamen häufig in CAD/CAM-Anwendungen zum Einsatz. Diese Situation hat sich grundlegend verändert.

Die klassische Konstellation aus Mainframe und Terminals hatte nämlich gravierende Nachteile in der Performance, da der Rechner jegliche Bildschirminformation aufbereiten und über die serielle Schnittstelle an das Endgeräte senden mußte.

Die mangelnde Akzeptanz dieser Terminallösung stellte die Systemhäuser vor ständige Anpassungsprobleme, um leistungsfähigere Terminals zu unterstützen. Mit dem Aufkommen der ersten Unix-Workstations wurden die Mainframe-Anwendungen auf diese portiert, konnte doch damit endlich die vom Anwender geforderte Leistungsfähigkeit erreicht werden.

Mit dem Verfall der Hardwarepreise für PCs und Workstations ging die Ära der klassischen Rechner-Terminal-Konfiguration zu Ende.

Viele DV-Leiter in kleinen und mittleren Betrieben, die ihr EDV-Konzept auf der PC- und Workstation-Schiene realisiert haben, klagen über den enormen Aufwand bei Wartung und Pflege der Systeme und vermissen oft eine saubere Lösung der Datensicherung. Ihnen ist die "Freiheit am Computer-Arbeitsplatz" zum Problem geworden.

So werden in einem Betrieb meist unterschiedlichste Hardwareprodukte verwendet, was einen erhöhten Konfigurierungsaufwand bedeutet.

Wegen dieser Problematik gehen DV-Berater heute wieder dazu über, Unix-basierte Workstation-Terminal-Lösungen zu empfehlen.

Unix, bis vor kurzem nur im technischwissenschaftlichen sowie im CAD/CAM-Umfeld verbreitet, findet vermehrt Verbreitung in sämtlichen Anwendungsbereichen. Dieser Durchbruch ist wohl dem Umstand zu verdanken, daß sich - wie schon unter DOS mit MS-Windows oder unter OS/2 mit dem Presentation Manager - nun auch unter Unix benutzerfreundliche Bildschirmoberflächen etablieren. Der Grundstein hierfür wurde durch das vom MIT und DEC entwickelte X-Window-System gelegt, welches die Hardware-unabhängige Grundlage für Grafikoberflächen unter Unix definiert. Die Mehrheit aller derzeit entwickelten Benutzeroberflächen für Unix basieren auf X-Windows. Beispiele sind "Motif" (OSF), "Open Look" (AT&T, Sun) sowie "Looking Glass" (Intergraf). Die Akzeptanz von Unix wird durch diese grafischen Oberflächen wesentlich gesteigert, nachdem der Umgang mit Unix auf Kommandoebene über alphanumerische Terminals zuvor nur softwaremäßig vorgebildeten Anwendern zugemutet werden konnte.

Verfolgen wir die Vorstellungen des DV-Leiters weiter, so wird klar, daß er die "Anwendungen" unter seiner Kontrolle behalten möchte. Dies bedeutet, daß die Anwendung in jedem Fall zentral gesteuert, für alle Benutzer über das Netzwerk zugänglich, abläuft. Was in jedem Falle ausgelagert werden kann, ist die gesamte Interaktion mit dem System. Dies bedeutet im speziellen, daß Fenstertechnik, Grafikaus- und -eingabe sowie das gesamte Netzwerk-Handling von einem Terminal erledigt werden können.

Renaissance für Terminale unter Unix

Diese Aufgabenteilung wird durch den Einsatz von X-Windows-Terminals erreicht. Das eigentliche Programm läuft auf dem Rechner und kommuniziert mit dem Terminal, welches als "Server" für die Grafikausgabe dient. Die Kommunikation erfolgt hierbei im Netzwerk über TCP/IP oder aber auch über ein anderes Protokoll.

Anwendung und Grafik sind also klar getrennt. Der Rechner wird nicht mehr mit Grafikberechnungen belastet, es gibt keinen seriellen Flaschenhals mehr, und auch die Informationsmenge, welche zwischen Rechner und Terminal transportiert wird, ist minimal. Die Anwendung fordert nur noch Fenster, Grafikelemente oder Eingaben an, die über das X-Terminal abgewickelt werden. X-Terminals sind also eine neue Form von grafischen Terminals mit höchster Leistungsfähigkeit.

Für den Aufbau eines abteilungsübergreifenden DV-Systems mit zentral geführten Datenbeständen spricht der Einsatz von X-Terminals. DV-Ablauf und Kommunikation lassen sich damit entscheidend verbessern. Damit ist eine Renaissance der Terminals mit X-Windows unter Unix zu erwarten.