Platz 2 - Thomas Henkel, Amer Sports

Den Gummistiefeln entwachsen

25.11.2010
Von 
Horst Ellermann ist Herausgeber des CIO-Magazins und Ambassador für CIOmove in Deutschland.

There is no T in CIO

Alles keine Techie-Antworten. Auch das Projekt, mit dem Henkel seine Bewerbung zum "CIO des Jahres" angereichert hat, liest sich so gar nicht technisch: "Global One erhöht die Wettbewerbs- und Zukunftsfähigkeit der Amer Sports Group durch eine Prozess-, Stammdaten- und Berichtsharmonisierung." 32 Vertriebsgesellschaften und sieben Marken sollen die gleichen Arbeitsabläufe, gleichen Stammdaten und gleiche Performance Reports nutzen. "Dabei werden folgende Hauptgeschäftsprozesse betrachtet: Idea to Product (Produktentwicklungsprozess), Plan to Deliver (Planungsprozess), Source to Pay (Fertigungs- & Einkaufsprozess), Order to Cash (Vertriebsprozess); sowie die folgenden Hilfsprozesse: Finance & Control (Rechnungswesen), Performance Reporting (Business Warehouse) und Distribution & Transportation (Transport- & Lagerprozesse)."

Henkel verliert kein Wort darüber, mit welchen technischen Mitteln er die Prozesse vereinheitlichen will. "There is no T in CIO", erklärt er. Erst auf die explizite Frage, welche IT-Produkte zum Einsatz kommen, antwortet er: "SAP ERP, SAP-BI, SAP AFS, RetailPro und Magento für E-Commerce." Spielt aber keine so große Rolle.

Viel wichtiger ist Henkel, dass er im Rahmen des Mammutprojekts das "eher Abstrakte" richtig rüberbringt. In den Jahren 2007 und 2008, also in der Zeit des globalen Prozess-Mapping und der Template-Erstellung, war er deshalb rund 85 Prozent seiner Zeit unterwegs. Amer ist dezentral aufgestellt. Das Headquarter in Helsinki lässt selbst zentrale Funktionen wie die IT aus München steuern, wo der deutsche Vertrieb und das europäische Headquarter sitzen. "Da steckt immer noch viel Macht in den Marken", erklärt Henkel.

Besonders gut kommt bei der Jury des "CIO des Jahres" immer an, wenn IT-Chefs ihren Unternehmen Chancen in neuen Geschäftsfeldern eröffnen, zum Beispiel indem sie neue Produkte oder Services schaffen. Genau dies ist bei Henkels Vorzeigeprojekt auch der Fall: Amer hat durch Global One, beziehungsweise durch die globale Retail-Lösung den Start ins Endkundengeschäft in 28 Läden geschafft. Der Prototyp für eine B2C Lösung läuft. Und die Vertriebskanäle sind durch E-Commerce (B2B) sowie eine mobile Auftragserfassung erweitert - was immerhin einen Umsatz von 730 Millionen Euro tangiert.

Mittlerweile reist der CIO erheblich weniger. Global One ist in den zentralen europäischen Märkten etabliert. Gerade folgen Länder wie Polen, Slowakei und Tschechien beziehungsweise die Amerikas. Neuere Märkte wie zum Beispiel China, Malaysia und Russland hat Amer von vorneherein mit den einheitlichen Prozessen aufgesetzt. Henkel hat bei der Preisverleihung zum CIO des Jahres auch eine Auszeichnung für seine internationale Ausrichtung erhalten. Der "Global Exchange Award", den COMPUTERWOCHE und CIO 2010 erstmals gemeinsam mit den IDG-Kollegen vom CIO Executive Council vergeben, belohnt internationale Projekte, an denen Mitarbeiter aus mindestens zwei Kontinenten beteiligt waren. Die Projekte müssen erfolgreich abgeschlossen worden oder in der Implementierung sein und einen hohen Stellenwert für das Unternehmen haben. Ob ihm das ebenfalls international ausgerichtete MBA-Programm von Kellog dabei geholfen hat?

"Nein", antwortet Henkel: "Beim Thema Multikulti hat mir das reale Berufsleben viel mehr gebracht als das MBA-Studium." Der CIO hält die Unterschiede zwischen den Disziplinen - also beispielsweise zwischen Logistik und Finanzen - ohnehin für viel ausschlaggebender als die zwischen den Kulturen. "Die Russen sind auch alle auf die amerikanischen Business-Schools gegangen", sagt Henkel, dem der Wechsel zwischen den kulturellen Welten längst selbstverständlich geworden ist: "Wenn ich in Japan ins Büro gehe, verbeugt sich auch niemand mehr."

Trotzdem freut er sich über den ersten Platz beim "Global Exchange Award" ähnlich wie über den zweiten Platz in der Kategorie "Großunternehmen". Obwohl: Bei der letzteren Auszeichnung gefällt ihm die Bezeichnung nicht. "Der Titel ist eigentlich schlecht", sagt Henkel. "Klar ist der CIO derjenige, der den schönen Preis abholen darf. Aber eigentlich hat mein Team den Preis verdient."

Steckbrief

Thomas Henkel ist VP Global IT bei der Amer Sports Corporation. Er sagt: "Ein CIO ist dann erfolgreich, wenn seine Partner ihn als einen der ihren sehen und sich gar nicht mehr vorstellen können, wie sie in der Vergangenheit ohne eine neue IT Lösung arbeiten konnten."

Zum Unternehmen:

  • Name: Amer Sports Corporation.

  • Branche: Sportartikel-Hersteller.

  • Größe: 6.500 Mitarbeiter.

  • Zahl der IT-Mitarbeiter: 185.

  • IT-Budget: 29.9 Millionen Euro (1.7 Prozent vom Umsatz).

Das eingereichte Projekt:

  • Name: Global ONE Business Transformation Program.

  • Projektbeschreibung: Vollständige globale Prozess-, Stammdaten- und Berichtsharmonisierung. 32 Vetriebsgesellschaften und sieben Marken-Hauptniederlassungen nutzen global die gleichen Arbeitsabläufe, gleichen Stammdaten und gleiche Performance Reports.

  • Zeitrahmen: Juli 2007 - Dez. 2012.

  • Eingesetzte Produkte: SAP ERP, SAP-BI, SAP AFS, RetailPro (Retail), Magento (E-Commerce).

  • Zahl der IT-Projektmitarbeiter: 24 IT-Mitarbeiter (davon 12 externe), 28 Fachbereichsmitarbeiter.

  • Besondere Herausforderungen: Mit sehr schlanken Vertriebsorganisationen neben dem Tagesgeschäft dieses große Projekt umzusetzen; sehr selbständige Landesgesellschaften dabei begleiten, die gleichen Dinge gleich zu tun (und vor allem den Nutzen davon zu vermitteln); Datenmigration von offenen Aufträgen im Wert von 332 Millionen Euro sowie mehr als 30.000 Kundenstämmen, die vorher aus verschiedenen Altsystemen zusammengeführt werden mussten.