Oft ist das technisch Machbare nicht ergonomisch:

Den Einsatz von Farbe sorgfältig planen

22.07.1983

Die Welt der Computer ist nicht länger grau in grau. Sinkende Preise bei Farbterminals bringen dem Anwender Farbe für seinen zukünftigen Computereinsatz ins Bewußtsein. In traditionellen Anwendungen wie CAD ist Farbe schon längere Zeit eine Selbstverständlichkeit. Kommt jetzt auch die farbige Finanzbuchhaltung?

Besonders ausgeprägt ist die Verfügbarkeit von Farbe im Bereich der Personal Computer. Nahezu jeder Hersteller bietet Anschlußmöglichkeiten für Farbbildschirme an. Bildschirmtext, der neue Informationsdienst der Deutschen Bundespost, erschließt seinen Teilnehmern eine bunte Informationswelt.

Betrachtet man einige der typischen Eigenschaften von Farbsystemen, so lassen sich bereits viele der wertvollen Eigenschaften von Farbe erkennen:

Computer Aided Design (CAD)

Bei der Erstellung komplexer Grafiken werden Farben zur besseren Übersicht verwendet. Teilstrukturen lassen sich dadurch deutlich herausheben. Beim VLSI-Design, dem Layout von mikroelektronischen Schaltungen, hat sich dieses als besonders vorteilhaft erwiesen.

Bildverarbeitung

Oftmals müssen farbige fotografische Bilder weiterverarbeitet werden. Hier bietet sich der Einsatz von Farbsystemen natürlich an. Auch bei der Analyse von einfarbigen Vorlagen mit feinen Grauabstufungen stellt die Einfärbung von verschiedenen Grauwerten mit verschiedenen Farben eine für den Menschen wertvolle Unterstützung des Sehsystems dar. Besonders bei der Analyse von Röntgenbildern (Tomografie) und Satellitenaufnahmen hat man sich erfolgreich Farbsystemen bedient.

Prozeßüberwachung

Werden von Menschen wichtige Überwachungsaufgaben wahrgenommen, die ein schnelles Erkennen und Handeln im Dialog mit dem Computer erfordern, so hat sich auch hier der Wert von Farbterminals mehrfach erwiesen. In Eisenbahnbetriebszentralen, chemischen Werken und Kraftwerken sind Computerdialoge in Farbe nicht mehr wegzudenken.

Dies ist nur eine Auswahl von wenigen Anwendungen, in denen Farbterminals bereits einen festen Stellenwert haben.

Die besonderen Eigenschaften von Farbe lassen sich abrißhaft wie folgt zusammenfassen:

- Visualisierung von Informationsbeziehungen;

- Trennen von Informationen;

- Hervorhebung von Information zur schnellen Erkennung;

- Markierung von Information zur Wiedererkennung.

Es ist naheliegend zu untersuchen, ob diese wertvollen Eigenschaften von Farbe nicht auch Dialogsysteme im Bereich der Büroanwendungen bereichern könnten. Sieht man sich die Bürowelt genauer an, fällt auf, daß auch dort Farbe häufig als Hilfsmittel der Büroorganisation verwendet wird. Farbige Formulare, Ordner, Einsteckhüllen, Randnotizen oder Markierstifte unterstützen den Büroarbeiter wesentlich. Farbe erzielt auch hier dieselben Wirkungen, wie bei den oben genannten Anwendungen. Sie ist von so grundlegender Bedeutung für den Menschen, daß man nur aus guten Gründen auf ihre Nutzung verzichten sollte.

Eigene Erfahrungen mit dem Einsatz von Farbe in Computerdialogen haben wir durch die Erstellung und kritische Bewertung einiger prototypischer Systeme zur Formularmanipulation, zur Unterstützung von Planungsaufgaben und zur Softwareproduktion.

Die vielleicht auffälligste Feststellung war, daß die Mehrzahl der Befragten bei diesen Systemen nicht mehr auf Farbe verzichten möchten. Dies überrascht um so mehr, da bei Anwendungen in diesem Bereich Farbe häufig für überflüssig gehalten wird.

Ergonomische Gesichtspunkte spielen bei der Verwendung von Farbe eine bedeutende Rolle. Physiologische und psychologische Untersuchungen zeigen einige der Grenzen und Einschränkungen, die bei der Konzeption von Hardware wie Software zu berücksichtigen sind. So führt ein geringer Kontrast von Hintergrund- und Schriftfarbe zu einer schlechten Lesbarkeit von Texten.

Manche Farben haben eine höhere Alarmwirkung als andere (Rot versus Blau). Blau eignet sich deshalb eher als Hintergrundfarbe, Rot für Fehlermeldungen. Verschiedene Farbkombinationen werden als unangenehm empfunden. Eine ständige Überprüfung von Designentscheidungen durch prototypische Systeme ist daher notwendig.

Beim Farbeinsatz zur Dialogunterstützung gilt nicht: je mehr desto besser. Mit der Verwendung von etwa fünf bis sieben Farben ist eine Grenze erreicht, jenseits der weitere Farben meist mehr verwirren als helfen. Diese Zahlen lassen sich bei vielen Experimenten der kognitiven Psychologie als Grenzwert für die Aufnahmekapazität des menschlichen Kurzzeitgedächtnisses wiederfinden (Beispiel: kurzzeitiges Merken von Telefonnummern).

Wichtig ist ein konsistenter Einsatz von Farbe. Die übliche Bedeutung von Farben sollte so weit wie möglich beibehalten werden. Der menschliche Dialogpartner kann sich nur so ein Modell über die Schematik der einzelnen Farben bilden. Rote Ampeln in unserer Umwelt bedeuten schließlich auch immer "Halt" und nicht etwa gelegentlich "freie Fahrt".

Neue Dimension der Kommunikation

Ihr Signalwert und damit ihr Nutzen ginge sonst verloren. Konsistenz ist eine wichtige Voraussetzung für benutzerfreundliche Systeme. Leider wird bislang in den wichtigsten Anwendungen dieser Forderung auch ohne die Verwendung von Farbe Rechnung getragen. Diese Aufgabe wird unter Einbezug von Farbe sicher nicht einfacher.

Farbe ist nicht der einzige Aspekt neuer Dimensionen der Mensch-Computer-Kommunikation. Dialogsysteme der Zukunft werden sich nicht auf traditionellen Bildschirmen mit 24 mal 80 Zeichen ohne Grafikfähigkeit und Zeigeinstrument realisieren lassen. Eine neue Generation von großen (mindestens DIN A4), hochauflösenden Rasterbildschirmen (mindestens 25 Bildelementen pro Zentimeter) mit einer Maus als Zeigeinstrument, Grafikfähigkeiten und einer hoffentlich ergonomisch gut gestalteten Tastatur bietet sich an. Diese Systeme werden zunehmend an zu Netzen gekoppelten Arbeitsplatzrechnern angeschlossen sein.

Auf diesen Bildschirmen stehen beliebige Zeichensätze zur Verfügung. Bildschirme dieser Art unterstützen die Realisierung von Fenstersystemen, die dem Benutzer paralleles Arbeiten an verschiedenen Aufgaben erlaubt. Dabei können sich Fenster gegenseitig wie Schriftstükke auf dem Schreibtisch überlappen.

Grafik ermöglicht die teilweise Abbildung der gewohnten Arbeitsumgebung auf dem Bildschirm. Der Benutzer kann Objekte (Dokumente, Ordner, Ablagen, Postfächer, Zeitpläne) ikonisch anstatt wie bisher textuell ansprechen und bearbeiten. Dies mag wieder durch Farbe vorteilhaft unterstützt werden.

Farbsysteme mit all diesen Merkmalen sind heute kaum verfügbar und für die meisten Anwender als Ausstattung für alle Bildschirmarbeitsplätze aus wirtschaftlichen Gründen nicht vertretbar. Für viele Anwendungen sind Eigenschaften wie hohe Auflösung, Größe und Maus wichtiger als Farbe.

Graustufen, Schraffuren und Gestalt müssen gegebenenfalls die Funktionen von Farbe so weit wie möglich übernehmen. Die Preisentwicklung der letzten Jahre stimmt zuversichtlich, daß auch solche Systeme mit Farbe erschwinglich werden.

Systemumgebung auf Benutzer abstimmen

Für die Dialogsysteme der Zukunft sind die aufgezeigten Bildschirmeigenschaften grundlegend. Sie entscheiden über das äußere Erscheinungsbild eines Anwendungssystems. Die inneren Qualitäten dürfen dabei auf keinen Fall vernachlässigt werden.

Von den neuen Anwendungssystemen erwarten wir intelligentes und benutzerorientiertes Verhalten. Dies wird sich nur einstellen, wenn die Systeme selbst Wissen über Anwendung, Problemlösetechniken sowie ein Modell vom menschlichen Dialogpartner haben.

Ein System mit hervorragender externer Repräsentation ohne umfassendes Wissen gleicht einem fähigen Rhetoriker, der nichts zu sagen hat, während ein wissensbasiertes Programm ohne ansprechende äußere Schnittstelle einem Experten gleicht, der sich nicht ausdrücken kann.

Das Ziel ist eine Verbindung beider Qualitäten, eine integrierte Umgebung, in der vielfältige Expertise unter einer homogenen, benutzerorientierten Dialogschnittstelle vereinigt ist. In dieser mag dem Einsatz von Farbe eine große Bedeutung zukommen, jedoch muß vor einer nicht auf die sonstige Systemumgebung und die Gewohnheiten und Eigenschaften des menschlichen Benutzers abgestimmten Verwendung von Farbe gewarnt werden. Auch hier gilt, daß das technisch Machbare in der Regel nicht mit dem ergonomisch Wünschenswerten identisch ist.

*Michael Herczog und Dieter Maier sind wissenschaftliche Mitarbeiter im Forschungsprojekt "Inform" am Institut für Informatik der Universität Stuttgart. Das Projekt "Inform" (gefördert vom Bundesministerium für Forschung und Technologie) ist ein Forschungsvorhaben mit der Zielsetzung, Systeme zur Verbesserung der Mensch-Maschine-Kommunikation zu entwerfen.