Value Added Reselling erfordert mehr als schöne Verträge:

Dem Mehrwert gemeinsam auf der Spur

03.03.1989

AACHEN - Handfeste Geschäftsinteressen bekommen eine neue Dimension, wenn Marktteilnehmer mit der Value Added-Schiene kokettieren. Dem Wunsch nach "Partnerschaft mit Mehrwert" steht im Innenverhältnis Aufwand gegenüber, der pekuniär nicht greifbar ist: Integration im Sinne von Vertrauensbildung fordert unternehmerische Kraft.

"Value Added Reselling" ist in einem aufgeweckten, intelligenten Markt nur ein Kanal, um Produkte an den Mann zu bringen. Von der Idee her einfach, liegen die Tücken dieses Vertriebs im Zusammenspiel der Kräfte, von denen der Endanwender selten ahnt.

Die Problematik solcher Kooperation mit Zusatznutzen liegt neben der geschickten Produkteinbindung in Gesamtpaletten darin begründet, daß ein Verkäufer-Käufer-Verhältnis zu einer echten Partnerschaft ausreifen muß. Am Beispiel der GEI Rechnersysteme GmbH, Aachen, und ihrer Partner sei erläutert, auf welche Punkte und Verhaltensweisen Wert zu legen ist, denn vor die schwarze Zahl in der Bilanz hat der liebe Gott die BWL gesetzt.

Wichtig: Wahl des Partners und Produkts

Vom konventionellen Weg des Vertriebes in der Datenverarbeitung, bei dem der Hersteller eines Systems direkt an den Endkunden liefert, unterscheidet sich das Value Added durch Zwischenstationen, die sukzessive eine Produktverfeinerung vornehmen, um aus einem sogenannten "erkl_RUngsbedürftigem Gut" die beste Leistung rauszukitzeln. Der Hersteller, in diesem Falle Acer aus Taiwan, liefert über seinen Value Added Distributor (VAD genannt, hier die GEI Rechnersysteme GmbH) an mehrere VARs (Value Added Reseller), die als Systemhäuser oder qualifizierte Händler den Endkunden betreuen. VAR ist als gangbare Vertriebsschiene erst mit der weitgehenden Hardwareunabhängigkeit des Betriebsystemes Unix auf breiter Front zum Durchbruch gekommen.

Value Adding etabliert sich mehr und mehr bei Lösungen für Klein- und Mittelunternehmen, während die konventionelle Vertriebsschiene ihre Freunde und wirtschaftlichen Vorteile im Großkundengeschäft behält.

Aus dieser Kurzdefinition des Value Addings ergeben sich zwei Komponenten, die Value Added Selling für alle Beteiligten erst spannend machen: die Wahl des passenden Produkts und des erträumten Partners.

Bei der Produktwahl stand die GEI vor dem Problem, so Michael Büning, Marketing Manager für Multiprozessoren, ein Umfeld zu bedienen, das sich aus dem bisherigen Vertrieb des Unternehmens im Lauf der Zeit entwickelte. Im Unix-Bereich vertrieben die Aachener bislang mit C- und der Trace-Linie US-amerikanisches Material im oberen Sektor von Technik und Wissenschaft. Produktstrategische Überlegungen verlangten nun eine Hardware unterhalb der C-Linie, gut ausbaufähig und kommerziell verwendbar. Gleichzeitig, so die Forderung, war der Brückenschlag zudes (leicht betagten) 16-Bit-Rechner GEI6000 zu vollziehen, die heute nur noch an OEMs verkauft und in Embedded-Steuerungen eingesetzt wird.

Marktbeobachtung vor Ort (sprich: USA) weckte Aachener Aufmerksamkeit für ein System von Counter point. Counterpoint ist ein sogenannter Silicon-Valley-Starter, der von Convergent-Mitarbeitern ins Leben gerufen wurde. Es handelt sich bei dem Produkt (System 19K) um einen Mehrprozessor mit Gehäuse-modularem Ausbau, der vollständig unter Unix läuft und für den kommerziellen Bereich durch eine automatische Lastverteilung gut denkbar ist. Ein Zusatzvorteil aus Aachener Sicht: Es gibt für den 68020-Motorola-Prozessor des Systems genügend Cobol-Compiler für den Einsatz im kommerziellen Umfeld.

Bei der GEI Rechnersysteme begann zu diesem Zeitpunkt parallel zu den Produkttests die Phase eines vertriebsorientierten Brainstormings, in der viele verschiedene Distributionsmodelle auf den Prüfstand kamen, erläutert Büning. Sie umfaßten den Direktvertrieb genauso wie die Analyse der Großkunden, die für dieses System als potentielle Abnehmer in Frage kamen oder den Vertrieb durch die GEI-Gruppe mit Erstellung eigener Branchensoftware.

Einen besonderen Touch erhielt der Deal mit Counterpoint durch die Übernahme des US-Hauses durch Taiwans PC-König Acer, der sich via Sertec-Tochter für den Unixbereich interessierte. In dieser Firmenhochzeit behielt Counterpoint als neue Acer-Tochter die Verantwortung für Entwicklung, Marketing und den Support der Unix-Hardware

Büning führt hier positive Aspekte taiwanesischer Mentalität ins Feld, die auch auf eigene VAR-Verträge durchschlagen. Es komme dem Partner aus Fernost nämlich nicht so sehr darauf an, "die schnelle Mark" zu machen, sondern langfristig gute Geschäftsbeziehungen aufzubauen.

Der Counterpointvertrag der GEI also wurde von Acer übernommen. Zu dem System 19K, das von Counterpoint zwischenzeitlich zu einem System 22E aufgerüstet wurde, steuerte Acer dieser Verbindung ein Unix-System auf 386-Basis bei, das System 15, und - neu auf der CeBIT - das System 16.

Die erste Komponente eines Value-Added-Vertriebes ist durch diese Entscheidung, die die GEI zum exklusiven Distributor der Unix-Systeme des taiwanesischen Unternehmens macht, also festgeschrieben, jetzt galt und gilt es, den Vertrieb mit Leben zu erfüllen.

Schon während der Produktauswahlphase und der Vorüberlegungen rein technischer Natur wurde deshalb der Markt auf potentielle Partner abgeklopft. "Wir haben schon mal in unserem Kundenstamm rumgehört und auch auf Messen oder mit Mini-Mailings das Thema VAR angeschnitten", meint Büning und gibt eine Erfahrung weiter, die schon in dieser ersten Lernphase auftrat: "Uns fiel frühzeitig auf, daß die Systemhäuser vom Produktspektrum her und auch von der Mentalität Probleme mit großen Hersteller-/Distributoren haben".

Die Anlässe zur zeitlich folgenden Kontaktaufnahme auf der kleinen Schiene sind mannigfaltig -und haben GEI als VAD aus Fehlern anderer lernen lassen: Unzufriedenheit mit bestehenden Verträgen, Frustration durch unbesprochene Produktveränderungen, mangelnde Unterstützung durch den Partner, aber auch programmgemäße Erweiterung der eigenen Systemhauspalette und Altkontakte mit der GEI wurden ins Feld geführt.

Ein Systemhaus interessierte sich für eine Partnerschaft durch einen technischen Artikel über das System 19K, von Büning aus anderem Anlaß selbst verfaßt; eigene Benchmarktests der Profis von der Kundenfront im Hause GEI mit dem aktuellen System haben dann eine erste Vertrauensbasis geschaffen und vor allem für den jetzigen Partner eins bewirkt: Sie erbrachten den Nachweis, daß das Mehrprozessorkonzept gegenüber dem bislang von diesem VAR verwendeten Einprozessorsystem für die Aufgabenstellung von größerem Vorteil war.

Als Schock empfand es ein anderer VAR, der angesprochen wurde, nach eigenen Worten, als von einem "Made in Taiwan" die Rede war - die Ansiedlung des Systemwissens in den USA allerdings zerstreute die Bedenken vor allem nach dem Eingangstest recht rasch.

Bevor es dann zu Bund und Siegel kommt, durchlaufen beide Seiten intensive Prüfung: Es ist schon gut zu wissen, mit wem man sich in eine Partnerschaft begibt. Der Check beginnt mit schlichter Bankauskunft, und geht dann über in eine psychologisch/technische Komponente, bei der sowohl das Umfeld als auch das vorhandene Know-how mit in die Überlegungen einbezogen werden. Bei einem VAR beispielsweise gab die Mischung aus kaufmännisch orientiertem Geschäftsführer und "absolut fähigen" Technikern mit den Ausschlag für das GEI-Akzept: "Bei den Benchmarktests in unserem Hause wurden die Maschinen von den Systemhaustechnikern so ausgelastet, wie wir es zu dem Zeitpunkt selbst noch nicht probiert hatten," erzählt Büning.

Auch junge Unternehmen haben eine Chance

Die starke Berücksichtigung des technischen Aspektes in der ersten Phase öffnet so auch ganz jungen Unternehmen eine Chance, zu einem VAR-Partner zu werden. "Man bekommt im Laufe der Zeit ein Gefühl für die Möglichkeiten," so Büning, "und da wir als GEI Rechnersysteme auch die Anfangsphase noch nicht vergessen haben, sind wir hier durchaus offen und flexibel''.

Aber auch die GEI stand in dieser Phase auf dem Prüfstand. So wurde von denen, die bislang einen VAR-Vertrag mit der GEI unterschrieben haben, vor allem auch die Durchgängigkeit der Produktlinie unter Aspekten der eigenen Produktstrategie und des Kundenpotentials abgeklopft. Auch hier zählt der persönliche Eindruck des VARs bei seinen Kontaktbesuchen zu den wichtigeren Kriterien der Entscheidung: Ruf des Unternehmens im Markt, wirtschaftlicher Background, technisches Feeling und Know-how werden bewertet. Die Imagebroschüre allein reicht nicht, so VAR-Tenor im Einklang, gibt aber erste Hinweise vor allem auch auf den Ausbildungsstand des zukünftigen Hardwarelieferanten.

Das Selbstverständnis eines Systemhauses, das sich zu einem VAR-Vertrag entschließt, ist eine Komponente, mit der der VAD durchaus zu rechnen hat. ,.Wir sind und bleiben autark und autonom, auch wenn es dem VAD mal nicht schmecken sollte," lautet eine durchaus charakteristische Aussage.

Ganz in diesem Sinne fixierte sich ein Systemhaus auf Grund eines Beitrages in der US-Presse zu Anfang auf das Counterpoint-Konzept des Systems 15, um dann erst auf die GEI als Exlclusiv-Vertreiber in Deutschland zuzukommen.

Nach dem Beschnuppern dann zur praktischen Vertragserfüllung. Der neue VA-Partner erhält eine Entwicklungsmaschine zu günstigsten Konditionen geliefert - Aufrüstungen innerhalb des ersten Jahres kommen ebenso in den Genuß des Rabattes, Ausbildungsmaßnahmen werden abgesprochen, genauso wie eventuelle Werbeunterstützung.

Was letztlich den Vertrieb angeht, so werden die Vorgaben und somit die Rabattstaffeln den jeweiligen Möglichkeiten des Partners angepaßt - aber auch hier macht sich die Flexibilität eines Hauses in dieser Größenordnung für den VAR positiv bemerkbar. Man redet auf dem gleichen Level.

Vom gegenseitigen Know-how profitieren

Der VAD versteht sich in seiner Position als zusätzliches Bindeglied zum Hersteller und - so die eigene Einschätzung - entlastet das Systemhaus letztlich von allem, was nicht mit seiner konkreten Aufgabenstellung zu tun hat. Die Zusammenarbeit gestaltet sich dementsprechend eng. Zum einen fungiert der VAD durchaus als Sprachrohr gegenüber dem Hersteller und gibt Anregungen des Marktes weiter, zum anderen ist aber ein großer Bestandteil der Partnerschaft im Austausch gegenseitiger Erfahrungen und Unterstützung - auch artfremder Fragen und Probleme - zusehen.

Das beginnt beim Weiterreichen von Endkundenanfragen durch die GEI und endet bei gemeinsamen Meetings der VARs, die nicht nur der Vertiefung der Produktkenntnisse dienen, sondern auch dazu führen sollen, vom Know-how der anderen VARs zu profitieren. Dem VAD kommt in diesem Falle eine wichtige Integrationsaufgabe zu, meinen Vertragspartner der GEI. Meetings, wie sie im Falle Acer bereits zweimal abgehalten wurden, eignen sich gut zum Kennenlernen. Es seien nicht nur die natürlichen Revierabgrenzungsaspekte zu berücksichtigen, sondern auch - im besten Falle - Möglichkeiten zu schaffen, Doppelentwicklungen zu vermeiden und von dem gegenseitigen Know-how der VAR-Partner zu profitieren. Hier ist auch Eigeninitiative unter Schirmherrschaft des VAD gefragt. Der Einsatz übergreifender Werkzeuge wie beispielsweise Uniface bei der Entwicklung hilft hier viel.

Unabhängige VADs, also solche, die nicht zugleich Distributor und Hersteller sind, weisen im Innenverhältnis noch einen Vorteil auf: Ihre Position macht es ihnen möglich, bei Spezialproblemen auch mit (artfremden) Drittprodukten und dem eigenen Know-how auszuhelfen oder gegenüber herstellerbedingten Produktwechseln als Puffer aufzutreten, folglich mehr Sicherheit für den Endkunden zu bieten - durchaus im Sinne der VARs.

Die Anforderungen an eine solche Partnerschaft sind hoch. Zu den häufigsten Fehlern seitens der VADs zählt nicht nur häufiger Wechsel im Betreuungsmanagement, wie er aus der Erfahrung der Reseller häufig in Großunternehmen stattfindet, sondern auch ein abrupter Produktwechsel sowohl der Hardware als auch der Betriebssoftware. (Ganz zu schweigen von knallharten Vertragsbedingungen: Es soll schon vorgekommen sein, daß ein Hersteller dem Reseller vertragsvereinbarte Abnahmemengen trotz Aufschubbitte einfach vor das Office stellte.)

Es gibt dennoch allgemeine schwache Signale, die auftreten und ein baldiges Ende der Geschäftsbeziehung ankündigen: Das Einschlafen der Kommunikation ist in diesem Falle häufig nicht als (positiver) Gradmesser für die Reibungslosigkeit der Geschäftsbeziehung zu werten, sondern als ernstes Alarmsignal. Die Kommunikation klappt meistens dann nicht mehr, wenn die Leistung nicht mehr stimmt, so eine VAR-Erfahrung aus abgeschlossenen Partnerschaften. Der Abbruch der Geschäftsbeziehung liegt als Selbstschutzmechanismus auf der Hand, "denn wir als VARs haben die Probleme mit dem Kunden draußen."

Auch Änderungen der Gepflogenheiten, wie zum Beispiel die Unterstützung bei Präsentation oder Messebesuch sollten, sind sie vorher gute Übung gewesen, sämtliche roten Lampen leuchten lassen.

Deshalb sei es für VARs von Vorteil, so wie bei GEI praktische Realiät, auch in die Weiterentwicklung eines Produktes und strategische Überlegungen zum Markt einbezogen zu werden. Kritik üben viele Reseller deshalb auch an Großherstellern, die weder Zeit noch Muße noch den Willen aufbringen, VAR-Probleme ernstzunehmen, die häufig im Gesamtkontext des Großherstellers als gering, draußen an der Front jedoch als überlebenswichtig gelten.

Ein Fazit aus dem GEI/Acer/VAR-Geschäft: Partner gleicher Größenklassen haben es leichter, da sie gegenseitig mehr Verständnis aufzubringen in der Lage sind.

*Martin Hoffmann ist freier DV-Fachjournalist in München