Big Blue sitzt in der Klemme

Dem IBM-Vertrieb fehlt das technische Know-how für OS/2

07.02.1992

SAN MATEO (IDG) - Die Gründe für die fehlende Akzeptanz von OS/2 sucht die IBM jetzt bei sich selbst. Als wesentlicher Aspekt wird die fehlende technische Kompetenz des Vertriebspersonals genannt.

Gegenüber der CW-US-Schwesterzeitschrift "Infoworld" erkärte ein IBM-Offizieller, daß den IBM-Vertriebsleuten die Fähigkeit fehle, die Stärken von OS/2 den Anwendern klar zu machen. Folge: Die Anwender schwenken zu Windows oder schränken ihre ursprünglichen OS/2-Pläne ein. Lee Reiswig, Assistant General Manager of Programming für IBMs Personal Systems, erklärte weiter, daß das Unternehmen jedoch alles tun werde, um seine Marketing-Leute technisch auf den nötigen Stand zu bringen.

Windows 3.1 soll im April kommen

Ob diese Einsicht und diese Anstrengungen zum richtigen Zeitpunkt kommen, wird in der Branche bezweifelt - schließlich soll OS/2 2.0 Ende März den Vertriebsleuten zur Auslieferung übergeben werden. Reiswig selbst mußte einräumen, daß die intensive Schulung des Vertriebs in Sachen OS/2-Technologie bis zu sechs Monate in Anspruch nehmen könnte.

Marktbeobachter sind sich sicher, daß für Big Blues OS/2 Strategie alles von einer erfolgreichen Markteinführung der Version 2.0 abhängt. Sollte das Unternehmen gar den avisierten Termin vom 31. März 1992 nicht halten können, werde es zum großen Verlierer in dieser Angelegenheit.

Schließlich will Betriebssystem-Wettbewerber Microsoft im April die Version 3.1 von Windows ausliefern. Bis zum Jahresende dann soll Windows New Technology (NT) kommen; ein Betriebssystem, daß gerade bei professionellen Großanwendern zu einem noch größeren Konkurrenten für OS/2 werden könnte. Darüber hinaus sorgt Hewlett-Packard mit seinem Windows-Zusatz New Wave für eine zusätzliche Verbreitung von Windows.

Die IBM versuchte unterdessen durch Präsentationen bei wichtigen Großkunden die Attraktivität von OS/2 herauszustellen. Aber gerade dabei hat das Unternehmen offensichtlich viel Glaubwürdigkeit verloren. Branchenbeobachter sehen die OS/2-Anstrengungen denn auch als Feuertaufe für die gerade umorganisierte Personal Systems Group der IBM. Eines der Ziele dieser Umorganisation ist die Möglichkeit zu schnellerer und wirkungsvollerer Reaktion auf aggressive Wettbewerber wie Microsoft. Ein US-Anwender gibt der IBM nur dann eine Chance, ihre Rolle im Betriebssystem-Bereich zu halten, wenn es gelingt, das Personal dieses "vor sich hin treibenden, verunsicherten Unternehmens dazu zu bringen, daß ihm klar wird, wo die Möglichkeiten der Firma liegen".