"Zugriffslücke" zwischen Haupt- und Massenspeichern nicht geschlossen:

Dem Bubble-Boom widersetzt sich der Bitpreis

16.01.1981

MÜNCHEN - Hauptspeicher und Zentralprozessor arbeiten wesentlich schneller, als die Daten von den magnetisch-motorischen Massenspeicher-Subsystemen gelesen werden. Die Hersteller von Bauelementen bemühen sich seit geraumer Zelt, die "Zugriffslücke" Innerhalb der Speicher-Hierarchie zu schließen. Ein preiswerter Speicherchip für Massendaten hat sich am Forschungshorizont noch nicht gezeigt.

Versuche, Magnetblasenspeicher (Bubble Memories) und Ladungstransportspeicher (CCD = Charge Coupled Devices) als Datenträger mit schneller Zugriffsmöglichkeit einzusetzen, erzielten bisher noch nicht den gewünschten wirtschaftlichen Durchschlag.

Aufgetragen in einem Koordinatenkreuz, an dessen y-Achse der Preis pro Bit des Speichermediums aufgetragen ist und dessen x-Achse die Zugriffszeit ablesen läßt, stehen die bipolaren RAMs (Random Access Memories) ganz oben links. Sie werden in Pufferspeicher (Cache Memories) eingebaut. Etwas billiger pro Bit kommen die MOS (Metal Oxid Semiconductor) RAMs, die dafür aber eine etwas längere Zugriffszeit haben. Üblicherweise bestücken sie den Arbeitsspeicher. Zwischen diesen beiden Halbleiterspeichern, die durch einen wahlfreien Zugriff gekennzeichnet sind, und den magnetisch-motorischen Datenträgern klafft eine Lücke in Preis und in der Zugriffszeit.

Das Magnetband stellt den pro Bit billigsten Massenspeicher dar, was durch eine hohe und damit auch teuere Zugriffszeit kompensiert wird. Ihm folgt die Magnetplatte.

Die magnetisch-motorischen Datenträger haben außer ihrer langen Zugriffszeit einen weiteren Nachteil: Die mechanischen Teile der Antriebsgeräte sind reparaturanfällig gegenüber elektronischen Komponenten. Der Preis pro Bit liegt zwar in der Skala der Speichermedien am unteren Ende, hinzu kommen aber Kosten der Geräte- und Datenträgerwartung. Im Vergleich zu Halbleiter- oder Magnetblasenspeichern ist mit einer relativ hohen Ausfallzeit zu rechnen; auch unterlaufen beim Lesen und Schreiben häufiger Fehler.

Besonders in einer unwirtlichen Umwelt mit großen Feuchtigkeits- und Temperaturschwankungen, Staub und Vibrationen weisen die magnetomotorischen Datenträger eine hohe Fehlerrate auf. Mit den neuen Speichermedien, die die Zugriffslücke schließen sollten, erreichten die Entwickler nicht den gewünschten Preis pro Bit.

Anfang der 70er Jahre war noch ein hoffnungsfrohes Glitzern in den Augen der "Non-RAM" -Entwickler zu erkennen. Die CCD-Väter Boyle und Smith ordneten 1969 MOS-Kondensatoren eng nebeneinander in einer Reihe an. Auf eine geeignete Folge von Taktimpulsen hin bewegte sich die Ladung von einem Kondensator zum nächsten. Noch 1977 vertrat Hans Joachim Harloff, Siemens AG, in einem NTG-Fachberichte-Aufsatz die Meinung, CCDs könnten auf jeden Fall mit den MOS-RAM-Bausteinen konkurrieren. Damals sprach er vom Faktor vier was den Preis pro Bit angeht. In mittleren und großen Datenverarbeitungsanlagen habe man zuerst geplant, heißt es in dem Aufsatz, CCD-Speicher als Seitenspeicher (Paging Memory) im virtuellen Arbeitsspeichersystem anstelle von Trommel- oder Festkopfplattenspeichern einzusetzen. Die Diskussion verallgemeinerte sich dann in Richtung auf mehrstufige Arbeitsspeichersysteme mit großer Kapazität oder auf eine mehrfache Anwendung des Pufferspeicher-Prinzips.

Nach heutiger Ansicht des DV-Entwicklers hat sich die CCD-Technik nicht durchgesetzt. Nur Fairchild fertige noch solche Speicher, die zwei US-Unternehmen als Puffer vor der Platte verwendeten. 64 KBit packt Fairchild eigenen Angaben zufolge

auf einen Integrierten Schaltkreis (IC). In der Entwicklung befinden sich Bausteine mit 256 KBit. Andere Halbleiterproduzenten haben die Fertigung eingestellt, die Entwicklung wie Intel reduziert oder, wie Siemens, die Produktion der Ladungstransportspeicher nicht aufgenommen. Der Preisverfall der RAMs, mit deren Fertigung und Anwendung bereits weitreichende Erfahrungen gesammelt wurden, macht es den neuen Substitutionsmedien schwer, an Boden zu gewinnen.

Auch Bubbles schafften es nicht

Die Magnetblasenspeicher erlitten ein ähnliches Schicksal Außer den Vorzügen eines elektronischen Mediums wie geringe Ausfallzeit, einer Fehlerrate, die nach Angaben der Intel Corp. für das 7110 Bubble Memory in normaler Anwendung mindestens 10 100 mal besser hegt als bei den meisten Floppy-Disks und einem mittleren Fehlerabstand, der bei einem 1-MB-Blasenspeicher drei- bis fünfmal so groß sei wie den üblichen Plattenlaufwerken, ist der Blaseninhalt nicht flüchtig. Der magnetische Datenträger unterscheidet sich darin wesentlich von den Hableitern. Auch ohne Spannung bleibt der Blaseninhalt gespeichert, während die Inhalte der RAMs gelöscht werden, wenn die Spannung wegfällt.

Bei großen DV-Anlagen hilft man sich, indem in Krisenfällen der Speicherinhalt noch schnell auf magnetisch-motorische Datenträger geladen wird. Der Vorteil der Nichtflüchtigkeit eröffnet Anwendungsbereiche, die den Bubble vor dem CCD-Schicksal bewahren. In diese Richtung bewegt sich nach Angaben von Ulrich Fkowronek, Engineering Manager in der Abteilung Speichermedien bei Texas Instruments auch die weitere Blasenforschung und -Entwicklung.

Ein weiterer Vorteil sei in der Modularität gegenüber den magnetomotorischen Medien zu sehen die sich nur als sehr große Einheiten kostengünstig darstellten. Die Stoßrichtung, im Preis unter die RAMs zu kommen, habe man aufgegeben. In diesem Bereich sei mittlerweile eine Menge passiert 16 000 Bits kosteten heute vier Mark, ein dynamisches RAM komme mittlerweile auf 25 Millipfennig pro Bit. Mitte 1982 würden die Blasenspeicher seiner Einschätzung nach bei 50 Millipfennig pro Bit angelangt sein. Die Zugriffszeit liegt nach Intel-Angaben gegenwärtig bei 40 Millisekunden. Siemens halt einen Durchbruch in fünf bis zehn Jahren für möglich. Am selbst vorhergesagten Masseneinsatz seien die Hersteller schon zu oft gescheitert

Um andere Lückenfüller wie den BeaMOS wurde es noch viel schneller still. General Electrics berichtete 1975 auf der New Yorker National Computer Conference von dieser Neuentwicklung. Mikrobit hatte nach Angaben von Fkowronek auch ein Produkt geplant, das aber nie auf dem Markt auftauchte. Beim Beam Adressable MOS werden Ladungszustände in der Oxidschiht einer Siliziumplatte innerhalb einer Kathodenstahlröhre vom Elektronenstahl eingeschrieben beziehungsweise abgetastet.

Auch der Magnetdraht- und der holographische Speicher sind aus der Diskussion um eine Schließung der Zugriffslücke verschwunden. Die RAMs scheinen das Rennen um den Speicherchip als Datenträger zu machen. Durch die Möglichkeit, mehr Bits auf einem IC unterzubringen, konnten auf gleichem Raum wesentlich mehr Speicherzellen aufgetragen werden. Bei der kürzlich angekündigten IBM 3081 beispielsweise verminderte sich der Platzberdaf des Prozesorkomplexes nach Herstellerangaben um 23 Prozent. Die Zugriffslücke verengt sich also, indem der Preis pro Bit bei den herkömmlichen Chips auf der y-Achse nach unten rutscht. Die Magnetblasenspeicher- einzige, sterbende Hoffnung zur Zeit - schaffen weder den Preis- noch den Geschwindigkeitssprung . Werden die RAMs billiger, so kommen sie auch als Massenspeicher in Betracht.