Bei voreiligem Unterschreiben einer Übernahmeerklärung:

Dem Anwender bleibt rechtlich eine Hintertür offen

29.01.1988

Mancher Anwender hat sich schon selbst ein Bein gestellt, indem er schriftlich den Empfang einer DV-Anlage einschließlich Software quittierte und erst später feststellte, das die Lieferung gar nicht vollständig war. Der Leasinggeber verlangte trotzdem seine Raten. Aus solchen Vertragsfallen gibt es jedoch einen Ausweg, wie Otto Müller, München, juristisch begründet.

Besteht der für einen einheitlichen Verwendungszweck bestimmte Gegenstand eines Leasingvertrages aus mehreren selbständigen Teilen, die wie die Hard- und Software in ihrer technischen Funktionsfähigkeit nicht vom Vorhandensein des jeweils anderen Teils abhängig sind, und wird nur einer der Teile dem Leasingnehmer übergeben, so liegt eine Teilleistung und nicht etwa ein Mangel der Gesamtanlage vor. Die Rechtsfolgen richten sich dementsprechend nicht nach dem Gewährleistungsrecht oder den im Leasingvertrag darüber getroffenen Vereinbarungen, sondern nach den allgemeinen mietrechtlichen Bestimmungen über die Nichterfüllung. Denn die vertragsmäßige Beschaffenheit des gelieferten Teils ist in einem solchen Fall nicht beeinträchtigt.

Auch besteht auf seiten des Leasinggebers nicht die Vorstellung, die ihm als Hauptpflicht obliegende Vertragsleitung der Gebrauchsüberlassung vollständig und vertragsgemäß erbracht zu haben. Der Leasingnehmer hat daher grundsätzlich das Recht, beim Ausbleiben des noch geschuldeten Teils der Gesamtleistung zu kündigen, ohne sich auf die Sachmängelgewährleistung verweisen lassen zu müssen. Diese Feststellung ist sehr erheblich, weil sie die Rechte des Leasingnehmers verstärkt.

Jedoch muß der Leasingnehmer darauf achten, daß er die wesentlichen Erklärungen gegenüber dem richtigen Empfänger abgibt. Erfüllt er nicht die dafür zu stellenden formalen Voraussetzungen, braucht ihm sein Erklärungsgegner nicht auf diesen Fehler hinzuweisen und ihn insoweit rechtlich zu belehren, sondern kann die Unwirksamkeit der Erklärung geltend machen.

Soweit nun das Mietrecht des BGB (Paragraph 542) für einen Kündigungsgrund eine Fristsetzung oder andere formale Voraussetzungen vorsieht, kann derselbe Grund nicht zum Anlaß einer auf den Grundsatz von Treu und Glauben gestützten außerordentlichen fristlosen Kündigung genommen werden, ohne daß besondere, die Vertragsbeziehung erheblich gefährdende Umstände hinzutreten.

Software ist meistens Teil der Vertragsleistung

Die Unwirksamkeit einer Kündigung führt indessen nicht ohne weiteres dazu, daß der auf Leasingraten und Schadensersatz gerichtete Anspruch auf Zahlungsverzug voll begründet ist. Jedenfalls gilt dies, wenn die Zahlungsverpflichtung erst mit der Übernahme der Leasingsache beginnt. Wenn eine Teillieferung vertraglich nicht vorgesehen ist, setzt die Übernahme eine vollständige Auslieferung voraus, wobei. allerdings eine unwesentliche Unvollständigkeit außer Betracht bleiben muß. Die Anwender-Software ist aber regelmäßig ein wesentlicher Teil der Vertragsleistung, so daß wegen Fehlens dieses Teils eine die Zahlungspflicht auslösende Übernahme nicht angenommen werden kann.

Wenn nun der Leasingnehmer trotz Unvollständigkeit der Leistung eine Übernahmeerklärung abgegeben hat, begründet diese Bestätigung trotzdem noch keine Anerkennung der Vertragsmäßigkeit oder einen Verzicht auf etwaige Einwendungen. Sie stellt nur eine Quittung für die empfangene Leistung dar, die den Aussteller zum Beweis zwingt, wenn er später die Unrichtigkeit geltend machen will. Etwas schwieriger wird es allerdings, wenn die Übernahmeerklärung auch die Anerkennung der erbrachten Leistung als vertragsgemäß enthält. Daraus folgt aber auch nur die Umkehrung der Beweislast; dies schließt nicht etwa generell alle auf der unvollständigen Lieferung beruhenden Einwendungen aus.

Wenn nun nach dem Vertragstext der Eingang einer uneingeschränkten Übernahmeerklärung für den Leasinggeber einen unbedingten Anspruch auf Zahlung der vollen Leasingraten begründet, benachteiligt eine solche Klausel den Leasingnehmer auch im kaufmännischen Verkehr in unangemessener Weise. Sie ist daher unwirksam, wie der Bundesgerichtshof im Urteil vom 1. 7. 1987 - VIII ZR 117/86 -festgestellt hat.

Durch eine solche Klausel wird nämlich dem Leasingnehmer das volle Vertragsrisiko aufgebürdet, auch wenn die Leasingsache nicht übergeben worden ist, der Leasinggeber seine Hauptleistung - die Gebrauchsüberlassung - nicht erfüllt hat und mangels Leistungsfähigkeit des Lieferanten möglicherweise auch nicht mehr erfüllen kann. Diese Risikozuweisung widerspricht dem Grundgedanken der vertraglichen Ausgeglichenheit und kann schon aus diesem Grunde keinen Bestand haben. Daß der Leasinggeber aufgrund der Übernahmebestätigung möglicherweise den Kaufpreis an den Lieferanten zahlt und dadurch einen Schaden erleidet, rechtfertigt gegebenenfalls einen Ersatzanspruch, nicht aber die vollständige Erfüllungsleistung des Leasingnehmers.

Mitverantwortung des Leasinggebers vorbehalten

Unangemessen ist die Regelung ferner, wenn sie die nicht generell auszuschließende Mitverantwortlichkeit des Leasinggebers unberücksichtigt läßt. Soweit die Übernahmeerklärung nicht der tatsächlichen Auslieferung entspricht, ist dies in aller Regel nicht nur dem Leasingnehmer bekannt, sondern auch dem Lieferanten, dessen sich der Leasinggeber ähnlich wie bei der Vorbereitung eines Vertrages auch bei der Gebrauchsüberlassung und der damit verbundenen Erstellung der Übernahmebestätigung als seines Erfüllungsgehilfen bedient. Ist die Lieferung unvollständig und damit nicht vertragsgemäß, müßte der Lieferant den Leasingnehmer darauf hinweisen, daß eine deutliche Einschränkung der Erklärung angezeigt wäre.

Versäumt er diesen Hinweis oder setzt er selbst einen unklaren Text auf, so muß sein Verhalten in der Regel dem Leasinggeber zugerechnet werden, weil er insoweit nur die ihm übertragene Aufgabe der Gebrauchsverschaffung und Abfassung der Übernahmeerklärung erfüllt. Wenn den Leasinggeber nur eine Mitverantwortung trifft, ist die Vertragsklausel in ihrem gesamten Inhalt wegen Unangemessenheit unwirksam. Ein Zahlungsanspruch läßt sich auf diese Bestimmung nicht stützen.

Auch der Leasinggeber hat schutzwürdige Interessen

Wenn die Leasingsache zu keiner Zeit vollständig übergeben worden ist, kommt auch für einen späteren Zeitraum ein fälliger Anspruch auf Mietzinszahlung nicht in Betracht. Jedoch können dem Leasinggeber unter Umständen Schadensersatzansprüche zustehen. Ein solcher Schadensersatzanspruch kann sich aus der unrichtigen Übernahmeerklärung ergeben, wenn der Leasingnehmer bei der Abwicklung des Leasingvertrages die Interessen des Leasinggebers nicht hinreichend berücksichtigt hat. Dafür müssen aber konkrete falsche Angaben in der Übernahmebescheinigung enthalten sein. Ist sie nur unvollständig, so ist sie nicht ohne weiteres falsch.

Jedoch kommt unter Umständen auch ein Mitverschulden des Leasinggebers in Frage. Es kann sich aus der Erstellung der Übernahmebescheinigung ergeben, ferner auch aus der Nichtbeachtung des Inhalts der Erklärung. Ein Mitverschulden kann aber auch darin liegen, daß der Leasinggeber nicht rechtzeitig klärt, ob der Vertrag noch durchgeführt werden kann, wenn eine Verwertung der Anlage zu einem höheren Preis hätte erzielt oder Rückzahlungen von dem Lieferanten hätten erreicht werden können.