HP Enterprise CEO Meg Whitman im Interview

"Dell/EMC investiert in veraltete Technologien"

20.04.2016
Von 


Florian Maier beschäftigt sich mit diversen Themen rund um Technologie und Management.

Cisco, die Cloud und Cognitive Computing

Schauen wir uns doch einen anderen Konkurrenten von HPE an - Cisco. Dessen Stärken liegen zwar vor allem im Bereich Netzwerk und Server, doch durch Partnerschaften könnte Cisco künftig auch im Storage-Bereich aufholen. Wie sehen Sie das Unternehmen?

Meg Whitman: Die Kernkompetenz von Cisco liegt klar im Bereich Data Center, Switches und Netzwerkkomponenten. Sie machen seit vielen Jahren einen bemerkenswerten Job. Wir sehen unsere Chance vor allem im 'Campus, Branch & Edge'-Segment, denn die meisten CIOs wollen hier eine Alternative zu Cisco und würden gerne unsere Netzwerktechnologien in einer Umgebung mit geringerem Risiko testen.

Durch die Akquisition von Aruba lernen die Kunden nun auch unsere Kompetenzen in Sachen Data Center zu schätzen. Ich rate Kunden dazu, auf ihre Konkurrenzfähigkeit zu achten und sich über die neuesten Trends und Entwicklungen in diesem Bereich auf dem Laufenden zu halten. Schließlich sollten sie alles daran setzen, einen 'Vendor Lock-in' zu vermeiden, während sie versuchen, ihre Kosten zu reduzieren und ihre Agilität zu steigern.

Ich glaube also, dass wir hier eine echte Chance haben. Wir sind derzeit die Nummer zwei auf dem Networking-Markt und haben gute Aussichten auf die Marktführerschaft - sicherlich vor allem im 'Campus, Branch and Edge'-Bereich, vielleicht sogar im Bereich Data Center. Geht es um Converged Infrastructure, wird uns HPE Synergy einen Vorteil gegenüber Cisco verschaffen, den wir ausnutzen müssen, um diesen Markt zurückzugewinnen.

Wir sind das einzige Unternehmen, das Server, Storage und Netzwerke unter einem Dach vereint. Das bedeutet auch, dass wir trotz unserer Referenzarchitekturen nicht so stark von Partnerschaften abhängig sind. Ich denke also, wir sind diesbezüglich in einer sehr guten Situation. Allerdings ist Cisco ein sehr starker Konkurrent. Wir müssen deshalb auch in Zukunft sicherstellen, dass wir das Leben der Menschen mit unseren Innovationen einfacher, kostengünstiger und schneller gestalten.

Sprechen wir über die Private Cloud: Wie lange wird das noch eine Notlösung sein? Sehen Sie hierfür überhaupt noch eine Zukunft? Was denken Sie, wie lange es dauert, bis die Unternehmen einen Großteil ihrer Applikationen und Prozesse in die Public Cloud verlagern?

Meg Whitman: Das ist die große Preisfrage. Meiner Meinung nach muss man hier differenzieren. Manche Workloads werden wohl ziemlich schnell ihren Weg in die Public Cloud finden. Vor allem kundenorientierte Web-Apps und andere für Unternehmen unkritische Applikationen. Andere Applikationen dürften hingegen niemals den Weg in die Public Cloud finden - vor allem solche, die auf Mainframes laufen. Alleine schon aus Kostengründen dürften etwa Banking-Applikationen kaum eine solche Migration erfahren.

Natürlich hängt das auch davon ab, in welcher Branche sie sich bewegen. Sind sie Teil einer nur leicht regulierten, kundenorientierten Branche, ist eine Migration von Applikationen in die Cloud meiner Meinung nach deutlich schneller möglich. In einer durch Compliance oder Daten hochregulierten Branche kann man sich hingegen nur langsam bewegen. Keine Frage, Cloud Computing ist ein Trend-Markt. Wir wollen sicherstellen, dass wir unseren Kunden dabei helfen können, die für sie richtigen Entscheidungen zu treffen. Deswegen sind wir auch eine Partnerschaft mit Microsoft eingegangen. Kunden, die ihre Anwendungen in die Public Cloud migrieren wollen, empfehlen wir daher auch einen Wechsel zu Azure.

Haben nicht sowohl HP Enterprise als auch Dell/EMC und Cisco ein "Millenial-Problem"? Schließlich wird künftig nahezu jedes aufstrebende, junge Unternehmen auf die Cloud setzen.

Meg Whitman: Das ist richtig. Wenn jedes dieser neuen Unternehmen seine IT-Infrastruktur komplett anders aufstellt, müssen wir herausfinden, wie wir für diese Firmen weiterhin relevant bleiben. Der überwiegende Teil des Gesamtmarktes setzt dennoch weiterhin auf die herkömmliche Infrastruktur - also eine solche, die bereits mehr als fünf Jahre im Einsatz ist. Genau hier liegt meiner Meinung nach unsere Chance: Wir wollen Unternehmen mit herkömmlicher Infrastruktur die Migration ihrer Umgebungen ermöglichen, damit sie mit den jungen, aufstrebenden Unternehmen Schritt halten können.

Interessanterweise ist zu beobachten, dass viele junge Unternehmen, die in einer reinen Cloud-Umgebung gestartet sind, nun mit dramatischen Kostenexplosionen zu kämpfen haben. Dropbox beispielsweise hat seine Infrastruktur auf AWS-Basis aufgebaut und sich nun dazu entschieden, aus Kostengründen zu einer etwas traditionelleren Umgebung zu wechseln: der Private Cloud. Für viele neue Firmen, die sich auf dem Weg zum großen, globalen Unternehmen befinden, werden sich, auch aufgrund der Datenschutz-Diskussion in Europa, an dieser Stelle Probleme ergeben. Denn ich rechne damit, dass die Cloud in Europa aufgrund der Datenschutz-Problematik deutlich später ankommen wird.

Wir konzentrieren uns verstärkt darauf, Partnerschaften mit kleinen, jungen Unternehmen einzugehen, die wir dann für den Enterprise Markt 'kuratieren'. Viele CIOs haben mich schon gefragt, wie sie mit all diesen Silicon-Valley-Startups umgehen sollen und woher Sie wissen, dass diese auch wirklich expandieren können. Genau an dieser Stelle wollen wir künftig tätig werden. Wir müssen junge Unternehmen als 'Kurator' in unsere Lösungen integrieren und sicherstellen, dass wir sie weltweit unterstützen können. Ich glaube, das wird unserer Relevanz am Markt sehr zuträglich sein.

Klar ist aber: Wir können nicht jedes Start-Up kaufen. Dafür gibt es viel zu viele. Der wesentliche Vorteil der "Adoption" junger Unternehmen ist folgender: Sollte sich eines Tages herausstellen, dass die Lösung eines anderen Unternehmens viel attraktiver für unsere Kunden ist, sind wir nicht an eine Firma gebunden, weil wir 200 oder 300 Millionen dafür ausgegeben haben. Damit verfolgt HP Enterprise einen völlig neuen Ansatz, der auch einen großen Wandel der Unternehmenskultur mit sich bringt. Schließlich waren wir bisher in erster Linie gewohnt, nur das zu verkaufen, was uns auch gehört.

In der Vergangenheit war von HP-Entscheidern wie Mark Hurd oder Léo Apotheker immer wieder zu hören, HP müsse sich stärker in Richtung einer Software-Company entwickeln. Wie sieht ihre Strategie in Sachen Software aus?

Meg Whitman: Ich würde an dieser Stelle zwischen Anwendungs- und Systemsoftware unterscheiden. Wie Sie sicher wissen, waren wir, wenn es um Systemsoftware geht, schon immer gut am Markt vertreten, weil unsere Infrastruktur ohne diese Software nicht läuft. In diesem Bereich werden wir auch weiterhin führend sein.

Was den Markt für Application Software angeht: wir werden weiterhin in diesen Bereich investieren. Wenn es heißt, wir wären keine Software Company, muss ich ganz klar widersprechen. Unsere Softwareprodukte stehen für rund 3,8 Milliarden Dollar Umatz, was uns zur Nummer vier oder fünf in der Welt macht. Und denken Sie auch an Aruba, ebenfalls eine Software Company. Auch wenn ich sagen würde, dass es hier mehr um System-, denn um Anwendungssoftware geht.

Zäumen wir das Pferd doch einmal von hinten auf - was werden Sie nicht tun, wenn es um Software geht?

Meg Whitman: Nun, wir werden kein ERP anbieten. Wir werden weder Salesforce noch Workday noch eine ähnliche Firma kaufen. Wir werden uns auf die Geschäftsfelder Automation, Application Lifecycle Management, IT-Security und Big Data fokussieren - aber wir werden nicht ins ERP-Business einsteigen.

Ein Feld das derzeit klar im Trend liegt, ist Cognitive Computing. IBM pocht hierbei dank Watson auf seinen Führungsanspruch. Wie sieht die Strategie von HPE in diesem Bereich aus?

Meg Whitman: Beim Thema Cognitive Computing fällt mir als erstes Vertica ein. Zu den Kunden von Vertica gehören unter anderem Facebook, Uber und Airbnb. Was Vertica macht, ist Cognitive Computing: Maschinen- und User-Daten werden hier benutzt, um tiefere Einblicke in Markt und Kundenverhalten zu gewinnen.

Zudem betreiben wir in den Hewlett Packard Labs auch Forschungsarbeit in diesem Bereich. Wir machen also eine Menge interessante Dinge in diesem Bereich - wie auch IBM. Auch sie kaufen junge Unternehmen zu, zum Beispiel aus dem Healthcare-Bereich. Trotzdem: Ich würde unsere Lösungen Vertica oder auch Haven OnDemand jederzeit gegen solche mit Watson-Technologie antreten lassen. Bei vielen Kunden erweisen sich die Watson-Lösungen im Praxiseinsatz übrigens als weit weniger ihrer Zeit voraus, als es die Werbung Glauben macht.

Wenn es nach Ihnen geht - wie sollen die Menschen HP Enterprise wahrnehmen? Wie würden Sie die Rolle von Hewlett Packard Enterprise in einem Satz beschreiben?

Meg Whitman: HP Enterprise ist das Unternehmen, auf das Sie sich verlassen können, wenn es darum geht Ihre IT-Infrastruktur an den 'new style of IT' anzupassen.

Aus Arbeitnehmersicht gefragt: Wie haben Sie es nach der Teilung und dem massiven Stellenabbau geschafft, die Mitarbeiter von HP Enterprise moralisch aufzubauen und den Glauben an die eigene Innovationskraft aufrecht zu erhalten?

Meg Whitman: Zunächst einmal war es uns wichtig, unsere Ziele und Fokuspunkte klar zu kommunizieren. Unser Consumer-Business findet nun ausschließlich bei HP Inc. statt - wir sind also ein reines B2B-Unternehmen. Dann war es ebenso wichtig, ein Gefühl für Dringlichkeit zu vermitteln. Der IT-Markt ist geprägt von extrem starkem Wettbewerb. Deshalb können wir bei HPE keine Leute gebrauchen, die sich nicht voll und ganz mit der Company identifizieren und darüber hinaus nicht fähig sind, sich den rasanten Marktveränderungen anzupassen. Die Zukunft gehört heute denjenigen, die schnell sind. Wenn wir kein schneller und zuverlässiger Technologiepartner sind, haben wir schon verloren. Wenn wir es sind, haben wir ziemlich gute Aussichten darauf, zu den Siegern zu gehören. Es geht also um Agilität und natürlich darum, zu gewinnen. (fm/jm)