VMS bleibt das Betriebssystem der Wahl, doch

DEC kann sich dem Sog der offenen Systeme nicht entziehen

09.11.1990

MÜNCHEN (CW) - Der Unix-Sog reißt DECs proprietäres VMS-Betriebssystem mit sich fort: Es soll künftig nicht nur über offene Schnittstellen mit Fremdsystemen zusammenarbeiten, sondern sich zudem über die Einbeziehung von Unix-Statements an das offenen Betriebsystem Nummer eins anpassen.

Nicht bestätigen wollte die deutsche Digital-Niederlassung Meldungen des britischen Branchendienstes "Computergram", wonach DEC an einem Betriebssystem auf Unix-Basis arbeitet, auf dem VMS als Gastsystem laufen soll. Eine weitere Information, nach der umgekehrt Unix und Unix-Applikationen demnächst unter VMS betrieben werden könnten, beruht nach DEC-internen Vermutungen auf einem Mißverständnis.

Was Digital plane, sei zum einen die weitgehende Öffnung des bisher proprietären VMS-Betriebssystems bezüglich der Schnittstellen und zum anderen die Annäherung au Normen, wie sie bei Unix gebräuchlich seien. So soll die VMS-Version der neuen RISC-basierten VAX 6000 eine Reihe von Kommandos und Systemaufrufen von Unix übernehmen.

Ansonsten versucht DEC, seinem Betriebssystem im Laufe des Jahres 1991 durch die Ausrichtung auf die Richtlinien für portable Betriebssystem-Schnittstellen von IEEE, Posix und X/Open ein zeitgemäßeres Outfit zu verleihen. "Diese Standards machen VMS zum Wahl-Betriebssystem für die Benutzer", wirbt DEC.

Das US-Blatt "Computerworld" nennt Gründe für die nach wie vor starke Stellung von VMS: Zwar verfüge die Ultrix-Version 4.0 inzwischen über viele der Möglichkeiten, die die Anwender von anderen Unix-Varianten kennen, herausragende Features gebe es jedoch nicht. Außerdem rangiere für DEC-Chef Ken Olsen Unix erst an zweiter Stelle hinter VMS, unabhängig davon, wie der Rest seiner Mannschaft dazu stehe.

Infolgedessen haben es die Ultrix-Verkäufer schwer, ihren Kunden die Ernsthaftigkeit der jüngsten Unix-Bekenntnisse zu vermitteln. Sie versprechen, daß Digital sowohl das Multiprozessor-fähige OSF/1-Betriebssystem als auch die ebenfalls von der Open Software Foundation angekündigte verteilte Anwendungsumgebung DCE adaptieren werde. Aber auch hier fehlt es an Klarheit. So setzt das Unternehmen auf PC-Seite weniger auf die OSF-Produkte als auf das AT&T-Unix (siehe auch Seite 27).