Crash

Debitel: Unkonventionelle Idee führt zum Image-Crash

07.03.2008
Von WIWO WIWO
Debitel hat sich verrechnet: Ein innovativer Mobilfunktarif war so günstig, dass es sich für den Provider nicht gelohnt hat. Nun zog das Unternehmen die Notbremse.

Der Mobilfunkmarkt in Deutschland ist fast gesättigt. Beim Kampf um Marktanteile kam der Anbieter Debitel aus Stuttgart vor gut einem halben Jahr auf eine unkonventionelle Idee: Die Schwaben begannen damit, auf einer Webseite Mobilfunktarife zu versteigern. Offenbar ein für das Unternehmen nicht in allen Fällen rentables Modell. Jetzt tritt Debitel auf die Notbremse und verärgert einen Großteil der bis dahin glücklichen Kunden.

Dabei handelte es sich gar nicht um eine echte Auktion, wie man sie etwa von Ebay oder anderen Anbietern im Internet kennt. Der potenzielle Kunde musste nur schnell genug klicken, um den von ihm gewünschten Tarif zu ergattern. Besonders attraktiv war damals der so genannte "crash 5"-Tarif: Für 5 Cent pro Minute in alle Netze telefonieren zu können - bei einem monatlichen Grundpreis von nur 2,95 Euro und einer Mindestvertragslaufzeit von nur einem halben Jahr -, war vor sechs Monaten in der Tat ein Novum. So war die eigens von Debitel für den Vertrieb dieser Tarife eingerichtete Webseite crash-tarife.de schon bald kein Geheimtipp mehr.

Anfangs konnten Interessenten den "crash 5"-Tarif kaum bekommen. Der Stuttgarter Mobilfunker hatte jedoch von vorneherein darauf hingewiesen, dass dieser Tarif "streng limitiert" sei. Nachdem es immer mehr Beschwerden hagelte und auch die Verbraucherschützer hellhörig geworden waren, um zu prüfen, ob es sich bei der Offerte lediglich um ein Lockvogel-Angebot handele, tauchte "crash 5" häufiger in der Tarifbörse auf.

Wer einen "crash 5" erklicken konnte, war glücklich - und nutzte den Vertrag mehr oder weniger ausgiebig. Umso größer war das Erstaunen einiger Kunden jetzt, als ihnen eine Mail von Debitel ins Postfach flatterte. Darin kündigte der Anbieter den Vertrag mit Ablauf der sechsmonatigen Mindestvertragslaufzeit. Der Aufschrei in der Mobilfunk-Gemeinschaft war groß. Viele warfen dem Anbieter rüden Umgang mit seinen Kunden vor. Doch aller Widerspruch war zwecklos. Denn, so bestätigt auch Peter Lindackers von der Düsseldorfer Verbraucherberatungsstelle auf Anfrage von wiwo.de, haben grundsätzlich beide Parteien das Recht, einen Vertrag "unter Einhaltung von Frist und Form" zu beenden.

Offenbar hat sich Debitel gerade bei der Gestaltung des "crash 5"-Tarifs verrechnet. Zum einen verfügt das Unternehmen als so genannter Service Provider nicht über ein eigenes Netz, sondern kauft Mobilfunkleistungen von den vier Netzbetreibern ein. Zum anderen fallen bei der Weiterleitung von Handygesprächen von einem in ein anderes Netz Verbindungsentgelte an. Telefoniert ein Kunde also vor allem in Fremdnetze, kann es sehr schnell geschehen, dass die Rechnung für den Anbieter nicht aufgeht. Debitel-Pressesprecher Bernd Eilitz gibt auch offen zu, dass für die Kündigungen von "crash 5"-Kunden aufgrund einer Wirtschaftlichkeitsprüfung erfolgt sind: "Es wurden daher Kunden anhand bestimmter Nutzerprofile gekündigt, die für uns als Anbieter nicht kostendeckend waren." Dies betreffe "also nur einen Teil" der Kunden.

Freilich bietet Debitel den Betroffenen eine Alternative an: Sie können in einen anderen Tarif wechseln - und bekommen sogar noch kostenlos ein durchaus schmuckes Handy dazu. Doch bei näherem Hinsehen entpuppt sich diese Großzügigkeit eher als Nachteil für den Kunden, denn der angebotene Ersatztarif ist alles andere als attraktiv. Neben einem höheren monatlichen Grundpreis soll der Kunde künftig 39 Cent pro Minute für seine Handytelefonate zahlen. "Niemand ist gezwungen, auf dieses Angebot einzugehen", stellt Verbraucherschützer Lindackers dazu fest. Inzwischen gebe es eine Vielzahl attraktiver Tarifmodelle am Markt. Der Kunde könne daraus den für sich besten auswählen, sagt der Experte.

Seine bisherige Rufnummer soll der "crash 5"-Kunde übrigens zum neuen Anbieter mitnehmen können. Zwar hatte Debitel diese Möglichkeit anfangs verneint, was dann wohl die Bundesnetzagentur auf den Plan gerufen hätte. Deren Pressesprecher Rudolf Boll lässt daran keinen Zweifel: "Jeder Anbieter muss seinen Kunden erlauben, die Rufnummer zu einem anderen mitzunehmen." Nach Aussage von Debitel-Sprecher Eilitz arbeiten die Techniker des Unternehmens derzeit daran, diese Vorgabe nun umzusetzen.

Der "crash 5"-Tarif ist auf der Webseite übrigens immer noch zu haben. Sehr schwer zu bekommen ist er wieder, und jetzt hat Debitel die Mindestvertragslaufzeit auf zwölf Monate verdoppelt und auch den Grundpreis auf 4,95 Euro pro Monat erhöht. Außerdem ist der Tarif nur noch in einem Netz verfügbar.

Dass das öffentlich ausgetragene Hickhack um den "crash 5"-Tarif zu einem Image-Crash für Debitel geführt hat, dürfte inzwischen schwer von der Hand zu weisen sein. Das Unternehmen selbst scheint seine Lehren aus dieser Erfahrung gezogen zu haben. Eilitz: "Wir haben den 'crash 5'-Tarif zu einem Zeitpunkt auf den Markt gebracht, als eine ganze Reihe von Angeboten eine weiteren Entwicklung bei den Preisen erwarten lies, und haben mit 'crash 5' eine Entwicklung antizipiert, die so zumindest für Service Provider wie Debitel nicht eingetreten ist." Daher habe der Anbeiter reagieren müssen, erklärt der Pressesprecher weiter, "um die Wirtschaftlickeit des Produkts sicherzustellen".