Web

Neues Switches für das Web

De-Cix: Der europäische IP-Hauptbahnhof baut an

18.04.2008
Von Handelsblatt 
Frankfurt soll zum größten Internetknoten der Welt werden. Das Unternehmen "De-Cix" versucht, mit der wachsenden Datenflut im Web mitzuhalten. Kein leichtes Unterfangen: Marktforscher warnen bereits jetzt vor dem großen Datenstau.

Frank Orlowski hat große Pläne. Der Manager des Frankfurter Internetknotens "De-Cix" will sein Daten-Drehkreuz zum größten der Welt ausbauen. Dabei hat Orlowski vor allem die wachsenden osteuropäischen Volkswirtschaften im Blick. "Wir profitieren davon, dass Frankfurt am nächsten an Osteuropa liegt", sagt der Manager. Schon heute seien russische Netze über De-Cix mit den großen Anbietern im Netz wie Google verbunden. Der Internetknoten in der Stadt am Main ist bereits jetzt die am schnellsten wachsende Schaltstelle im World Wide Web und die wichtigste zwischen Zentral- und Osteuropa. Ein wachsender Teil des Internet-Verkehrs in Osteuropa und dem Nahen Osten läuft über die Vermittlungsstelle nach Westeuropa und in die USA.

Allein im vergangenen Jahr habe sich die Menge des durchgeleiteten Datenverkehrs am De-Cix verdreifacht, während sich diese an den anderen Übergabestellen der Welt nur verdoppelt habe, sagt Orlowski. Zu Spitzenzeiten wickelt der Frankfurter Knoten schon jetzt bis zu 350 Gigabit pro Sekunde ab. Der De-Cix war ursprünglich ein Projekt von drei Internet-Service-Providern. 1995 übernahm der Verband der deutschen Internetwirtschaft (Eco) den Webknoten. 2007 erzielte das Unternehmen einen Umsatz von Euro 4,5 Millionen Euro. Das Wachstum liegt bei 20 Prozent jährlich. Rund 250 Provider aus 30 Ländern tauschen hier ihre Daten aus. Die Preise für die Übertragung richten sich nach den Kapazitäten der angemieteten Datenleitungen.

Der angekündigte Ausbau soll De-Cix fit für die wachsende Informationsflut im Internet machen. Erst kürzlich warnte der US-Marktforscher Nemertes vor Staus auf den Datenautobahnen. Wenn die Netzbetreiber nicht in zusätzliche Kapazitäten investierten, gebe es ab 2010 die ersten Engpässe, so die Amerikaner. Ein Grund für das steigende Datenaufkommen ist die wachsende Zahl von schnellen Datenanschlüssen. "Immer mehr Haushalte wechseln zu DSL- oder Kabelanschlüssen mit Übertragungsgeschwindigkeiten von zwei Megabit pro Sekunde und mehr", sagt Manfred Breul, Telekom-Experte des Branchenverbands Bitkom.

Eine weitere Herausforderung entsteht für die Netzbetreiber durch veränderte Nutzungsgewohnheiten. Neben der Informationssuche oder dem Versand von E-Mails - bei dem das Transportvolumen nur wenige Kilobit beträgt - tauschen die Surfer Videos und Musik aus, speichern Daten im Netz oder nutzen Software, die immer mehr Anbieter auf Online-Plattformen bereit stellen. Breul hält das Wachstum des Internetverkehrs aber für beherrschbar: Die Netzbetreiber hätten das Problem erkannt, sagt der Experte.

Auch De-Cix-Manager Orlowski sieht kaum Gefahr: Das Unternehmen müsse halt regelmäßig alle paar Monate die Kapazität aufstocken und zusätzliche Switches installieren. "Zurzeit investieren wir zusätzlich Millionen, um das System flexibler und ausfallsicherer zu machen. "Im Mittelpunkt steht dabei die Umstellung auf eine sternförmige Anordnung von sechs äußeren Übergabestellen zum Kunden, sogenannten Access Switches. Diese installiert das Unternehmen an unterschiedlichen Standorten in der Stadt und verknüpft sie über zwei Hauptschaltstellen, sogenannte Core Switches. Diese garantieren, dass der Datentransport weiterläuft, wenn ein Gerät ausfällt. "Beide Switches laufen parallel, so dass jeder die Aufgaben des anderen sofort übernehmen kann", sagt Orlowski.

De-Cix setzt bei den Switches auf Technik des US-Netzwerkspezialisten Force10 Networks. Mitte Juni soll die neue Infrastruktur einsatzbereit sein. Dann verfügt das Unternehmen nach eigener Einschätzung über die weltweit leistungsfähigste Plattform für den Austausch von Internet-Verkehr. Diese soll einen Datendurchsatz von bis zu 1,4 Terabit pro Sekunde ermöglichen - das Vierfache der heutigen Menge. Die Kunden bekommen von der Umstellung nichts mit - trotz des Aufwands. "Das ist so, als wenn Sie bei einem Auto bei Tempo 200 die Reifen wechseln", sagt Orlowksi. Nur, dass der Wagen auf den neuen Rädern dann ganz schnell die Schallgeschwindigkeit erreichen könnte.