Softwarefirmen organisieren sich

DDR-Softwerker wollen eine gemeinsame Front bilden

01.06.1990

Die junge DDR-Softwareszene forciert den Informationsaustausch. Regelmäßig treffen

sich Vertreter aus 0st und West in einem Seminar, um über Themen wie Joint-ventures,

juristische Probleme oder Möglichkeiten der Organisation zu reden. Ulrich Köhler* war bei einer solchen Sitzung dabei.

UIrich Köhler ist Vertriebsleiter der Compal Datenverarbeitung GmbH Ostberlin, Plauener Str. 163, DDR-1092 Berlin.

Zum zweiten Mal hatte die Projektgruppe "Softwarestrategien" des Instituts für Theorie, Geschichte und Organisation der Wissenschaften Vertreter der Software-Industrie nach Berlin eingeladen. Über 50 Direktoren, Leiter und Geschäftsführer von jungen Software-Unternehmen aber auch von den etablierten DDR-Softwarehäusern der Kombinate Robotron und Datenverarbeitung folgten der Einladung.

Ebenfalls anwesend waren Mitarbeiter von Softwareteams, die sich demnächst selbständig machen wollen. Mathias Weber, einer der Organisatoren dieser Seminarreihe, verwies zunächst auf die Notwendigkeit einer verbesserten Kommunikation zwischen den Softwareunternehmen der DDR. Gemeinsam sollte die Betriebe seiner Ansicht nach ihre Chancen im bevorstehenden Wettbewerb suchen - auch wenn deutliche Rückstände in den Bereichen Hardware, Technologie und Marketing unübersehbar sind.

Dieses Ziel will auch der neugegründete "Unternehmensverband Informationssysteme e.V." (UVI) verfolgen, dessen Gründungskomitee sich am 10. Mai 1990 im Ostberliner Zentralinstitut für Kybernetik und Informationsprozesse konstituierte.

Offizieller Gründungstermin ist der 6. Juni 1990.

Über Erfahrungen und aktuelle Probleme bei Aufbau und Organisation von Joint-ventures berichtete Robotron-Mitarbeiter Wittsack vom Projekt Dresden, dem größten Softwarehaus der DDR. Schnell wurde klar, wie schwierig es ist, uneffektive Strukturen - auch mit Unterstützung westlicher Partner - in konkurrenzfähige zu verwandeln.

Heute zeigt sich bereits, daß der Dresdner Software-Riese mit über 1000 Beschäftigten und einem Umsatz von ehemals mehr als 200 Millionen DDR-Mark nur durch eine Zergliederung in verschiedene Joint-ventures mit westdeutschen Unternehmen weiter existieren kann. Ob die Ostdeutschen dabei eine eigene Strategie verwirklichen können, bleibt fraglich.

Ebenso ungewiß sind die Auswirkungen einer möglichen Konkurrenz zum vormaligen Stammhaus Robotron, das sich offensichtlich nicht mit denselben Partnern liiert hat wie das Robotron-Projekt Dresden. Bereits 60 Mitarbeiter dieser Gruppe bereiten sich derzeit im Siemens-Schulungszentrum auf ihre neuen Aufgaben vor.

Die schwierige rechtliche Lage gegenwärtig in der DDR war ebenfalls Thema der Veranstaltung. Schon am Beispiel des ersten deutsch-deutschen Joint-ventures zwischen dem Robotron-Projekt Dresden und dem Westberliner Unternehmen Data-print zeigten sich juristische Probleme: Bis Ende April hatten die DDR-Behörden diese Zusammenarbeit noch nicht genehmigt.

Auch Dieter Herden, Geschäftsführer des CAD/CAM-Anbieters IAC GmbH in Leipzig, einem Unternehmen, daß von ehemaligen Mitarbeitern des Kombinats Polygraph gegründet wurde, betonte, wie unsicher der rechtliche Rahmen für Firmengründungen gegenwärtig noch ist. Dabei spielen mangelnde Erfahrungen im Umgang mit dem in der DDR jahrzehntelang unberücksichtigten GmbH-Recht ebenso eine Rolle wie Probleme im Umgang mit den derzeitigen Leitern der Industrie.

Diese Schwierigkeiten - dazu zählen vor allem Aspekte des Eigentums unter den derzeitigen Bedingungen in der DDR - standen auch im Mittelpunkt der Ausführungen von Uta Kensy vom Institut für Unternehmensführung. Sie verdeutlichte, daß die schnelle Rechtsangleichung zwar wünschenswert sei und für das Steuerrecht sicher auch schnell vollzogen werde, daß aber für eine vollständige Anpassung sicher auf beiden deutschen Seiten noch beträchtliche Arbeit zu leisten sei.

Wilfried Köhler-Frost, Mitarbeiter eines Westberliner Markt-forschungs-Instituts, stellte schließlich eine Methode zur systematischen Markterschließung vor. In strukturierter Form und auf Grundlage übersichtlicher Bewertungsschemata wurden der Markt, eigene Stärken und Schwächen sowie die Erfordernisse zur Markterschließung aufbereitet. Vor allem junge Unternehmer werteten die Hinweise als Hilfe bei der Bestimmung und Sicherung der eigenen Marktchancen.

Das große Interesse an der Seminarreihe äußert sich nicht nur in zahlreichen Anmeldungen dafür, sondern auch in dem Anliegen der Teilnehmer eigene Beiträge beizusteuern.