Einsatz von Telekommunikation nur bei gesamtgesellschaftlichem Bedarf:

DDR hat mit neuen Medien noch nicht viel im Sinn

20.01.1984

Begriffe wie Telekommunikation und "neue Medien" sind zwar auch in der DDR keine Fremdworte mehr, doch werden nach offizieller Einschätzung nur einige dieser "Dienste" überhaupt Bedeutung erlangen. Verschiedene Formen der Telekommunikation überschneiden sich demzufolge zum Teil in ihren Zielsetzungen oder werden mehrfach realisiert. Auf der Leipziger Frühjahrsmesse 1983 präsentierten die DDR-Vertreter am Stand des Kombinates Nachrichtenelektronik immerhin einige Neuentwicklungen und Anwendungen.

Die Planungen der DDR stehen nur solchen Entwicklungen positiv gegenüber, für die ein "gesamtgesellschaftlicher Bedarf in ausreichendem Maß" vorhanden ist. Hierzu zählten offenbar eine mikrorechnergesteuerte digitale Vermittlungszentrale, eine digitale Richtfunkeinrichtung für die Übertragung von Informationen mit einer Bitrate von 704 Bit pro Sekunde sowie ein Datenübertragungssystem mit einer digitalen Telegrafieeinrichtung mit Lichtleitertrakt.

Mit der optischen Nachrichtenübertragung befaßt sich in der DDR speziell das Institut für Nachrichtentechnik in Ostberlin. In Zusammenarbeit mit dem Kombinat Kabelwerke Oberspree und dem Institut für Post- und Fernmeldewesen wurde bereits 1979 ein siebenadriges Lichtleiterkabel vom Zentrum in Ostberlin zur Stadtperipherie nach Berlin-Oberschöneweide verlegt und bis Mitte 1980 erprobt. Am 31. März 1981 ist dann das gesamte Lichtleitersystem offiziell zur Nutzung übergeben worden. Die insgesamt rund 16 Kilometer lange Kabelstrecke besteht aus einem 13 Millimeter dicken Glasfaserkabel, den dazu gehörenden Leitungsendeinrichtungen in den Fernsprechämtern und den erforderlichen Zeichenverstärkern. Insgesamt können 120 Gespräche über eine Leitung übertragen werden. Neben dieser Lichtleiterstrecke ist in der DDR noch eine, allerdings nicht näher beschriebene Glasfaserkabelstrecke für eine Nutzung freigegeben worden. Ob sich die DDR inzwischen für weitere Glasfaserstrecken für bestehende oder neue Fernsprechnetze entschieden hat, ist nicht bekannt, jedoch langfristig aufgrund der möglichen Einsparungen von Kupferimporten für Koaxialkabel wahrscheinlich.

Kabelverteilnetze in Neubaugebieten

Mit der Installation von Groß-Gemeinschafts- und Kabelfernsehanlagen hat man in der DDR ebenfalls etwa Anfang der achtziger Jahre begonnen. In einem engbebauten Wohngebiet im Zentrum Neubrandenburgs und in einem Neubauviertel wurden rund 20 000 Neubrandenburger über ein Kabelverteilnetz mit DDR-Hörfunk- und Fernsehprogrammen versorgt. Ein weiteres Kabelverteilnetz ist im Bezirk Erfurt in Betrieb genommen worden. Obwohl die Planungen bis 1990 eine weitere Verkabelung in anderen Wohngebieten vorsehen, beschränken sich die Aktivitäten wegen der relativ hohen Investitionskosten nur auf Neubaugebiete.

Eher zurückhaltend ist die DDR bisher auch auf dem Sektor des Satelliten-Hörfunks und -Fernsehens. Nach inoffiziellen Meldungen plant man im Norden Berlins eine Anlage für den Empfang verschiedener per Satellit ausgestrahlter Fernseh- und Rundfunkprogramme. Diese Anlage soll dem Vernehmen nach bis zum Beginn der nächsten Sommerolympiade im amerikanischen Los Angeles fertiggestellt sein. In dem am 1. Januar 1979 in Kraft getretenen Zuteilungsplan für die Orbitpositionen und Funkfrequenzen von den über Satellit ausgestrahlten Programmen wurde unter anderem für einen künftigen DDR-Satelliten eine gemeinsame Orbitposition mit dem Polens, der CSSR, Ungarns, Rumäniens und Bulgariens festgelegt.

Telekommunikation mit Delta-Netz

Entwicklung und Aufbau öffentlicher Datennetze und deren Nutzung insbesondere für eine Datenübertragung in Rechnernetzen werden in der DDR seit längerer Zeit als eine vordringliche Aufgabe erachtet. 1977 veröffentlichten offizielle Stellen erste Informationen des Zentrums für Rechentechnik an der Akademie der Wissenschaften über Ziele und Entwurfsprinzipien sowie über das Modell eines Rechnernetzes. Bei dem in dem Akademie-Institut entwickelten Modell handelt es sich um ein allgemeines Konzept eines nicht lokalen Rechnersystems, das in "Beachtung volkswirtschaftlicher Bedürfnisse" entwickelt wurde. Aufgrund der gewonnenen Erkenntnisse und Erfahrungen implementierten die Wissenschaftler eine erste Einsatzvariante, die seit Anfang 1981 im "experimentell-produktiven Betrieb" im Bereich der Akademie der Wissenschaften arbeitet. Mit ihren Arbeiten verfolgt die Forschergruppe das Ziel, schrittweise über einen Ressourcen-, Daten-, Verfügbarkeits- und Funktionsverbund einen weitreichenden rechnergestützten Kommunikationsverbund zu realisieren. Das vorgestellte Rechnermodell Delta soll helfen, Erfahrungen zu gewinnen. In seiner gegenwärtigen Ausbaustufe umfaßt es folgende Hardware-Komponenten:

Rechner vom Typ BESM 6 (Großrechner der dritten Generation aus sowjetischer Produktion) und Eser-Rechner (EDVA EC 1055 aus der DDR sowie EDVA EC 1022 aus der UdSSR), Peripheriegeräte, Modems und Multiplexer.

Das Konzept von DELTA basiert auf einer dezentralen Steuerung hierarchisch angeordneter Kommunikationsdienste und umfaßt folgende Subsysteme:

- das Kommunikationssystem Komet auf Basis der Paketvermittlung für die Kommunikationsfunktion,

- Arbeitsrechnersysteme für die notwendigen Verarbeitungs- und Speicherfunktionen sowie

- Terminalsysteme für die Realisierung von Zugriffsfunktionen.

Über die Bereitstellung von Großrechnerkapazitäten für Institute und Einrichtungen der Akademie der Wissenschaften hinaus ist für die Teilnehmer die Möglichkeit gegeben, zusätzlich eine Reihe von Rechnernetzdiensten in Anspruch zu nehmen. So sind im Rechnernetz Delta die Übertragung von Jobs zu einem örtlich entfernten Rechnersystem, die Möglichkeit des Austauschs von Datenfiles mit Hilfe der Fileübertragung (File-Kopierdienst) und die Nutzung rechnergestützter Telekommunikationsdienste gegeben.

Speziell mit Blick auf die angebotenen rechnergestützten Telekommunikationsdienste wird darauf verwiesen, daß sowohl eine interaktive Telekommunikation zwischen Terminals, den Arbeitsrechnersystemen von Komet als auch speicherorientierte Telekommunikationsformen (Mailboxdienste) möglich sind.

Erster Probebetrieb mit Teletex

Rund zwei Jahre nach der Einführung des Teletex-Dienstes der Deutschen Bundespost, wurde 1983 nunmehr auch in der DDR eine erste Anlage zum Empfang von Teletex an der Technischen Hochschule Karl-Marx-Stadt entwickelt und in Betrieb genommen.

Mit der Anlage soll es möglich sein, Empfang, Aufbereitung und Ausgabe von Teletex, das Umsetzen von Teletex in Fernschreibtext sowie der Aufbau eines internen Büronetzes zu realisieren. Da es sich im gegebenen Fall noch um den Beginn einer Vorlaufforschung handelt, kann man vorerst mit einer Einführung von Teletex in der DDR nicht rechnen.

Über die Einführung von Bildschirmtext sind überhaupt noch keine Aktivitäten bekannt geworden. Fest steht jedoch, daß man im Falle einer Einführung von Btx die französischen Systeme Antiope und Teletel favorisieren wird und diesen Kommunikationsdienst dann hauptsächlich in wissenschaftlichen Institutionen, so zum Beispiel an der Akademie der Wissenschaften oder an Hochschulen und Universitäten einzusetzen gedenkt. Erst sekundär will man - falls es zu einem Einsatz kommt - Btx für Dienstleistungsangebote nutzen. Auch für Videotext gibt es derzeit noch keine Anzeichen für eine in absehbarer Zeit bevorstehende Einführung.

Btx mit den Franzosen

Zusammenfassend kann festgestellt werden, daß es in der DDR zwar bereits verschiedene Aktivitäten im Bereich der Telekommunikation gibt, die sich aber noch in einer Vorlaufphase befinden. Mit dem Durchbruch "neuer Medien" dürfte aber erst Mitte der achtziger Jahre zu rechnen sein.

* Klaus Krakat ist Mitarbeiter bei der Forschungsstelle für gesamtdeutsche, wirtschaftliche und soziale Fragen, Berlin.