"Wer zu spät anfängt, erlebt eine Krise"

Datumsumstellung 2000 treibt Gehälter in die Höhe

27.09.1996

Anbieter für die Datumsumstellung lehnen bereits zum jetzigen Zeitpunkt die Annahme von Aufträgen ab. Die IBS Conversions Inc. in Oak Brook, Illinois, schlug beispielsweise ein Angebot von 15 Millionen Dollar für das Umschreiben von 15 Millionen Zeilen des PL/1-Codes eines großen Versicherungsunternehmens aus. Der Grund: Der Kunde wollte IBS kein Pilotprojekt durchführen lassen und machte den Ausgang des Gesamtvorhabens dadurch zum Risiko.

Unternehmen werden bei der Umstellung daher häufig auf sich selbst gestellt sein. Wer Hilfe findet, wird sich das etwas kosten lassen müssen. Die Gartner Group schätzt, daß die Honorare für Berater und Auftragnehmer mit Blick auf die 2000-Arbeit ab 1997 zwischen 20 und 50 Prozent wachsen werden, weil die Nachfrage anschwillt. Die Honorare freier Programmierer werden nach Meinung von Joe Allegra in die Höhe schnellen. Sein Unternehmen, die Princeton Softech Inc., New Jersey, entwickelt Tools für die Jahrtausendumstellung.

"Noch vor einem Jahr waren Cobol-Programmierer leicht beunruhigt", hat William A.Grady, Personalberater der Romac International Inc. in Boston, beobachtet. Jetzt sind ihre Fähigkeiten so sehr gefragt, daß sie für Umstellungsprojekte nicht selten zwischen 80 000 und 100 000 Dollar fordern.

Eine der größten Herausforderungen für Chief Information Officers (CIO) in Verwaltungen und Unternehmen ist, nach Einschätzung von Kathleen Adams, das obere Management dazu zu bringen, mehr Ressourcen und Geld für die Umstellung zur Verfügung zu stellen. Adams betreut ein Umstellungsprogramm bei der Sozialversicherung in Baltimore.

Allerdings halten einige CIOs die Warnung vor einem Mangel an Experten für übertrieben. "Ich sehe keine Knappheit bei Großrechnerspezialisten. Was ich hingegen sehe, sind eine ungeheure Menge an Beratungsfirmen, die Panik verbreiten", meint dazu David Starr, CIO bei ITT in New York.

Das Beratungsunternehmen KPMG hat bislang noch keinen Jahr-2000-Auftrag abgelehnt. Aber das 400-Mann-Team wird "wahrscheinlich im selben Boot sitzen wie andere Service-Anbieter" und künftig eventuell überlastet sein. Einige vorausblickende IT-Chefs haben die Mitarbeiterfrage dahingehend gelöst, indem sie die Umstellungsarbeit bereits im Rahmen von Client-Server-Projekten eingeführt haben. Alternativ besteht die Möglichkeit, Inhouse-Ressourcen mit Outsourcing zu kombinieren.

Starr von ITT wendete den Kunstgriff an, einen Großrechner im Wert von 40 Millionen Dollar durch ein zwei Millionen Dollar teures Client-Server-System für die Finanzsoftware zu ersetzen.

Die Verwaltung der Sozialversicherung in Baltimore hat im voraus geplant. Das Abwickeln der Umstellung parallel zur Client-Server-Migration "ist für uns eine Frage des Überlebens", sagt Adams. Bereits ein Drittel der Datumsumstellung sei bewältigt geplant ist das Ende dieses Projekts für Ende 1998. Diese Verwaltung stellt eine Ausnahme dar: Sie hat bereits 100 Mann-Jahre Arbeit aufgewendet, um die Systeme IBM Cobol/CICS mit einem Kostenaufwand von 30 Millionen Dollar umzustellen. Das Jahr-2000-Projekt wurde schon in den frühen 90er Jahren in Angriff genommen. "Wer zu spät anfängt, wird eine echte Krise erleben", warnt Adams.

Aber auch Vorreiter wie die Union Pacific Corporation, die Assembler-Programmierer im April dieses Jahres anheuerte, um mit dem Transport-Kontrollsystem der Bahngesellschaft in Omaha zu beginnen, haben Schwierigkeiten, Spezialisten zu bekommen.

Vorausgesetzt, Unternehmen finden überhaupt das benötigte Personal, sollten sie mit der Suche jetzt beginnen, bevor das Verhältnis von Angebot und Nachfrage die Gehälter in schwindelerregende Höhen treibt. Dies trifft besonders auf Spezialisten in wenig verbreiteten Programmiersprachen wie Algol und PL/1 zu. Unternehmen, die in der Lage sind, Expertenwissen aus dem eigenen Hause zu nutzen, profitieren von der Vertrautheit der Mitarbeiter mit dem System und sparen dadurch Zeit.