Diskussion um "Papa" geht weiter:

Datex-Politik macht Post zum Computer-Händler

05.10.1979

"Papa mag pragmatisch sein - die Lösungskonzeption ist veraltet." An diesem Standpunkt hält Professor Thomas H. Adenauer, der die Diskussion über das Projekt "Papa" (Pilotanwendung des öffentlichen Datenpaketvermittlungsdienstes für den Verbund zwischen Servicerechenzentren und RZ-Kunden) in Gang brachte (CW-Nr. 33 vom 17. 8. 79), trotz Widerspruch von seiten des Bundesministeriums für das Post- und Fernmeldewesen fest (CW-Nr. 37 vom 14. 9. 79, Meinungen). Die Kritik des Mainzer Wirtschaftswissenschaftlers zielt vor allem auf das Versäumnis der Post, sich rechtzeitig um eine Datenübertragungskommandosprache zu kümmern. Positiv hebt er den freien Zugang zu dem von der Post bereitgestellten Netz hervor, die die monopolähnliche Marktstellung der etablierten Hersteller etwas auflockert. Bei der jetzt verfolgten Datex-Politik bestehe allerdings die Gefahr, daß sich entweder die Post zum Computerhändler aufschwinge oder aber die Förderung nur deutscher Hersteller in Gefahr geriete.

Die Post hat in den letzten Jahren die technischen Möglichkeiten für einen neuen Datenübertragungsdienst geschaffen: die sogenannte Transportebene des Datex-P-Dienstes in den Spezifikationen der X.25- bzw. X.29-Prozedur. Für die Benutzung des Dienstes wird eine feste Grundgebühr pro Anschluß, eine zeitabhängige Gebühr für die Dauer der Verbindung und eine zwar nicht proportionale, aber mengenabhänige Gebühr erhoben. Die bisher genannten Gebührensätze sind zwar absolut viel zu hoch angesetzt. Das Entscheidende für die Wirtschaftlichkeit der Benutzung des Dienstes ist aber die Entfernungsunabhängigkeit des Berechnungsmodus. Genau sie macht auch verzweigte Netze mit sporadischem Datenaufkommen wirtschaftlich tragbar.

Als zweites ebenso wichtig ist die Freizügigkeit des Dienstes. Jeder Eigentümer einer DFÜ-fähigen Maschine, der einen Anschluß hat, kann Daten an andere angeschlossene Eigentümer DFÜ-fähiger Maschinen übertragen und von ihnen empfangen. Außerdem sind Betreiber von größeren eigenen Netzen nicht mehr gezwungen, entweder mit Gerät nur eines einzigen Herstellers oder mit Gerät einer ganz bestimmten Hersteller-Kompatibilität zu arbeiten. Die Eigenschaft der Freizügigkeit des Datex-P-Dienstes stellt vielmehr die Gerätekompatibilität ganz allgemein her.

Hier liegt des Pudels Kern: Die Bedeutung des Datex-P-Dienstes liegt in seiner Leistung der Datenübertragung, in der Art des Berechnungsmodus und eben ganz entscheidend auch in der Freizügigkeit des Zugangs in das von der Post bereitgestellte Netz, eine Eigenschaft wahrlich volkswirtschaftlicher Bedeutung, weil sie monopoloide, technische Marktpräferenzen der etablierten Hersteller ein wenig abbaut.

Entsprechend ihrem Auftrag hat sich die Post lange, wie ich meine allzu lange, um die Realisierung nur der sogenannten Transport-Ebene des neuen Dienstes gekümmert und sie abgeschlossen. Für die Vermarktung bei den Firmen, die Daten übertragen, muß auch eine Datenübertragungskommandosprache zur Verfügung stehen, damit sich die Geräte unterschiedlicher Hersteller gegenseitig betreiben können. Ich habe bereits 1973 im Juni-Heft der "bürotechnik" (Seite 587) auf die Gerätekompatibilität hingewiesen, die als Folge der schon damals geplanten Freizügigkeit des heute Datex-P genannten Übermittlungsdienstes entsteht. Als ich damals darüber schrieb, war schon lange konzeptionell an dem Datenübermittlungsdienst gearbeitet worden. Die Notwendigkeit einer abstrakten Datenübertragungskommandosprache liegt seit weit mehr als sechs Jahren auf der Hand.

Als Unding erscheint mir, die Übertragungskommandosprache jetzt holterdipolter von verhältnismäßig kleinen Datenverarbeitern entwickeln zu lassen. Dabei sieht es so aus, daß die maßgeblichen Hersteller und die wirklich großen Benutzer ausgeschaltet sind. Überdies wird diese öffentlich als vorübergehende Zwischenlösung bezeichnete Version mit hohen Beiträgen aus einem Topf finanziert, der eigentlich für die Wissenschaftsförderung bestimmt ist. Bezüglich der großen Hersteller besteht vielleicht auch die Hoffnung, sie unter Druck setzen zu können.

Als das vergleichbare Cobol Ende der 50er Jahre definiert wurde, waren daran neben den zu der Zeit wichtigen Herstellern vor allem auch die großen Anwender beteiligt, Giganten wie General Electric, Bank of America, United Steel und andere. Diese Zeitung hat vor gar nicht langer Zeit unwidersprochen gedruckt, daß bis dahin nur sieben der inzwischen 24 Papa-Väter über die technischen Einrichtungen für DFÜ verfügen. Ich kann einfach nicht einsehen, warum ausgerechnet diese Gruppe für Post und Gerätehersteller Produktentwicklung betrieben sollen, selbst wenn der Steuerzahler Rechnung begleicht.

Im übrigen ist in der Stellungnahme von Post und Verband Deutscher Rechenzentren (VDRZ) meinen weiteren sachlichen Einwendungen mit keinem Wort widersprochen worden:

1. Den Ausgaben für die Realisierung der abstrakten Datenfernübertragungskommandosprache sollte deren verbindliche internationale Normung vorangehen. Andernfalls - also, wie gegenwärtig vorgesehen - bekommen die jetzt geplanten Ausgaben Kinder und Kindeskinder.

2. Es ist Sache der Hersteller, nach der Normung jeweils das eigene Gerät Datex-P-fähig zu machen und dieses Attribut im Anschluß daran zu pflegen.

3. Die Realisierung der Datenübertragungskommandos durch die Hersteller und deren Pflege bezahlt der Benutzer später durch Aufstecken eines oder einiger PROMs. Nach dem Papa-Konzept muß er pro Anschluß einen Vorschaltrechner kaufen, der ohne die Entwicklungskosten zigtausende von Mark kostet.

4. Es besteht die Gefahr, daß sich Vorschaltrechner - ähnlich wie die Post nach Entwicklung bei der Telekopie - auch noch zum Computer-Händler aufschwingt. Sie könnte einfach sagen, Datex-P darf nur benutzen, wer auch die Vorschaltrechner kauft, und zwar pro Anschluß einen.

5. Sollten jedoch später die Vorschaltrechner von ihren Herstellern verkauft werden, ist die Einhaltung der Förderungsbestimmungen fraglich, die nur eine Förderung deutscher Hersteller zulassen.

Papa mag pragmatisch sein, die Lösungskonzeption ist veraltet.

*Thomas H. Adenauer ist Professor an der Fachhochschule Mainz.