Was die Kosten betrifft, tappen die Probanten im Dunkeln:

Datex-P-Kunden warten auf die Postrechnung

13.03.1981

MÜNCHEN - Allzu reich an Erfahrungen mit dem Paketvermittlungsdienst Datex-P ist weder die deutsche Bundespost als Anbieter noch der Kreis der mittlerweile 181 zum Teil nur willigen Teilnehmer. Der Versuch läuft seit nicht einmal einem Jahr. So läßt sich erklären, daß einige Nutzungswillige sich noch nicht über den internationalen Datenverkehr und die Kostenstruktur des seit 26. August 1980 offiziell angebotenen Dienstes im klaren sind.

Bislang noch beziehen die Nutzer von Datex-P den Dienst der Bundespost, ohne daß ihnen eine Rechnung zugestellt wird. Der einjährige Zeitraum zum "Üben ohne Gebühren" dient den Postkunden, eigene Erfahrungen mit der Paketvermittlung zu sammeln, die in Zukunft Wähl- und Mietleitungen für den Datentransport ersetzen beziehungsweise ergänzen soll. Dieter Steuer, im Verband deutscher Rechenzentren als Leiter verantwortlich für das Pilotprojekt "Papa", hält deshalb die Tarifstruktur für einen Bereich, in dem es dem Kunden an Durchblick fehlt. Sehr günstig stellt sich seiner Einschätzung nach die Übertragung geringer Datenmengen über große Entfernungen im nationalen Raum dar, für den der Dienst bisher nahezu ausschließlich gilt. Vorteile wie das Reinwählen in verschiedene Netze erklärte Friedhelm Hillebrand, Postdirektor im Bundesministerium für Post- und Fernmeldewesen, in der CW Nr. 8, Seite 20 ff ausführlich.

Keinesfalls günstiger als der Hauptanschluß für Direktruf (HfD) wird Datex-P nach Angaben von Steuer im Ortsbereich sein, was Hillebrand bestätigt. Auch dann, wenn große Datenmengen über weite Entfernungen hin übertragen werden, stehe sich der Benutzer mit dem HfD günstiger, erläutert Steuer. Für 2500 Mark im Monat könne er soviel Daten wie technisch möglich übertragen. In der Grauzone des Nahbereiches jedoch sei der Anwender auf seine eigenen Berechnungen für den günstigsten Übertragungsweg angewiesen.

Doch die Bundespost kommt ihren Kunden entgegen. Die Teilnehmer an dem Versuch trugen an die Postverwaltung den Wunsch heran, auch während der gebührenfreie Probephase mal eine Rechnung zu sehen. Nach Aussagen von Hillebrand hatten sich die Fernmelder auch vorgenommen, dieser Bitte nach zusätzlichem Service zu entsprechen. Im Januar sollten die "Als-Ob-Rechnungen" verschickt werden, so daß die Kunden nicht nur über die tatsächlichen Leistungen, sondern auch über die Kosten - wenn auch nur simuliert - unterrichtet wären.

Bei der Software-Entwicklung für die Gebührenabrechnung tauchten bei der Post allerdings Probleme auf, so daß das Programm nicht termingerecht fertiggestellt wurde. Die Datex-P angeschlossenen Unternehmen sind also noch eine Zeit lang auf ihre eigenen Berechnungen angewiesen. Eine Aufstellung über das Verkehrsvolumen wird ihnen aber, wie Hillebrand erklärt, noch im März zugehen. Da den Kunden ihre Volumina bekannt seien, müßten sie den Kosten-/Nutzenvergleich mit dem vorher praktizierten System auch durchführen können, ohne daß die Post ihnen eine Pseudo-Rechnung zukommen lasse. Die Gegenüberstellung ließe sich auch für den Nahbereich durchführen, da hier wie über alle anderen Entfernungen innerhalb der Bundesrepublik nur die übermittelte Datenmenge, nicht aber die Entfernung zählt.

Für die Berechnung der Datenvolumen-Gebühr werden sogenannte Datensegmente als Berechnungsbasis herangezogen, beschreibt IBM das Verfahren. Ein Segment besteht aus -64 Zeichen des Datenfeldes eines Datex-P-Paketes. Ein Datex-P-Paket mit 128 Zeichen kann zwei anrechenbare Segmente beinhalten.

Der Post kann man vorwerfen, daß sie unrealistische Versuchsbedingungen geschaffen habe, um ihren neuen Dienst gleichzeitig auch werblich zu promovieren. Natürlich, auch Zigarettenfirmen verteilen kostenlose Probepäckchen, damit sich die Raucher mit dem neuartigen Geschmack ohne Hemmschwelle im Geldbeutel vertraut machen können. Die Post laßt in ihrer Versuchszeit einen wesentlichen Marktfaktor außer acht, wenn sie den Dienst kostenlos zur Verfügung stellt Alternativen aber berechnet. Datex-P steht zumindest während der Testphase konkurrenzlos da, weil für die Nutzung weder Grund- noch Verbindungsgebühren anfallen. Der Teilnahmewillige muß nur seinen Maschinenpark entsprechend umstellen, eine Hürde, die er früher oder später nehmen muß. Ähnlich wie in den Tests für Bildschirmtext wäre zu kritisieren, daß die Post Sales-Promotion betreibt und darüber das Testergebnis verfälscht. Von Benutzerseite läßt sich hier verständlicherweise keine Kritik hören.

Grenzbedenken

Das Problem der internationalen Verbindung stellt sich vor allem für die Timesharing-Rechenzentren. Im Gegensatz zu Konzernen, die über reine Inhouse-Netze arbeiten, koppeln sie öffentliche Netze mit privaten. Bislang wählen die Kunden beispielsweise den Konzentrator in Düsseldorf an. Von dort aus gehen die Daten über eine Mietleitung nach Amsterdam, werden dann nach London transferiert und von dort nach Toronto geschickt .

Die I.P. Sharp GmbH, Düsseldorf, nutzt eigenen Angaben zufolge seit etwa fünf Jahren ein eigenes Programm zur Paketvermittlung auf betriebseigenen Leitungen. Selbst wenn alle 330 Kunden gleichzeitig die Zentraleinheit in Toronto in Anspruch nahmen, läge die Antwortzeit unter einer Sekunde. Vorteile von Datex-P gegenüber dem jetzigen System des Kundenanschlusses sieht der Timesharer dann, daß er seine Leistungen dann in allen Städten der Bundesrepublik anbieten kann.

Nachteilig für den Kunden könne sich aber die höhere finanzielle Belastung, verglichen mit dem gegenwärtig genutzten System, auswirken. Gegenwärtig würde dem Kunden nur die tatsächliche Nutzung, ohne Grund- und Installationsgebühren, berechnet.

Aus den bisher gemachten und publik gewordenen Erfahrungen mit dem bundesdeutschen Paketvermittlungsdienst ließe sich noch nicht ablesen, ob Datex-P auch dann zufriedenstellend arbeite, wenn viele Benutzer gleichzeitig am Werk sind. Wichtiges Merkmal für das Unternehmen zur Beurteilung des Dienstes werde die Antwortzeit sein, die weiter unter einer Sekunde liegen müsse. Falls es der internationalen Normungskommision der nationalen Postorganisationen, der CCITT, nicht gelinge, die Netze untereinander zu koppeln, so daß Datex-P mit dem kanadischen Datapac oder der französischen Paketvermittlung Transpac beispielsweise kommunizieren könne, sei der neue Service der Post für den Timesharing-Anbieter undiskutabel. Doch diese Bedenken zerstreut Hillebrand.

Der Rahmenplan für den Anschluß von Datex-P an die Paketvermittlungsdienste anderer Postbehörden liegt bereits vor. 1980 wurde der Zugang für die USA und Kanada ermöglicht, 1981 steht außer Frankreich und Großbritannien die Verbindung zu Euronet an. Die Verhandlungen mit Japan und Schweden seien noch im Gange. Der internationalen Verbindung mit Ländern, die über eine eigene Paketvermittlung verfügen, steht nach Angaben der Deutschen Bundespost nichts mehr im Wege. Der Post in Europa wird dank Monopolgarantie auch von IBM-Satelliten keine Konkurrenz entstehen. In einem Interview erklärte IBM-Europe Chairman Jacques G. Maisonrouge, die Reichweite der Satellite Business System-(SBS-)Dienste genüge nicht, um Europa zu versorgen. Weder physisch noch technisch könne SBS auf dem europäischen Markt auftreten. Hinzu komme, daß die europäischen PTTs für die Übertragung von Stimme, Daten und was es sonst noch gäbe - das Monopol besäßen. "Wir sehen uns deshalb in einer völlig anderen, nicht vom Wettbewerb geprägten Welt, was den Transport von Daten betrifft. In Europa handelten wir immer in vollem Einklang mit den PTTs."

Was die Leistungen von Datex-P verglichen mit den privaten Netzen der Timesharing-Unternehmen beispielsweise angeht, glaubt sich die Bundespost überlegen. Bei der Demonstration, die die Post 1980 während der Hannover-Messe veranstaltete, lagen die Antwortzeiten nach Angaben des Postdirektors zwischen einer halben und einer dreiviertel Sekunde. Die Verbindung lief damals nach Vancouver.

Verglichen mit privaten Teilnehmern sei die Post in einer besseren Situation. Sie verfüge beispielsweise über 64-KBit-Leitungen zwischen den Knoten; die Knoten selbst arbeiteten eine Zehnerpotenz schneller als normale Knotenrechner. Wegen der eingebauten Prozeduren weise die Paketvermittlung der Bundespost auch eine höhere Fehlersicherheit auf als die privaten Netze. Zur Absicherung arbeite die Post mit zwei Leitungen. Falls eine Mietleitung ausfalle, stünden die angeschlossenen Teilnehmer ohne den doppelten Boden da.

Nicht informiert

Nicht ausreichend informiert über seine Möglichkeiten, die Daten zu übertragen, ist nach Ansicht von Hillebrand der Anwender. Die Herstellerunternehmen selbst seien zwar ausführlich unterrichtet. Dieser Informationsstand dringe aber nicht bis zu den Vertriebsbeauftragten durch. Er empfehle seinem Kunden weiterhin die HfD-Lösung als einzig mögliche. Daß es außerdem noch Datex-L und Datex-P auf dem Übertragungsmarkt gäbe, bleibe den herstellertreuen Anwendern verborgen.

Geräte-Engpaß

Wie bei den Bildschirmtext-Interessenten besteht auch bei Unternehmen, die sich zum Anschluß an Datex-P gemeldet haben, ein Ausstattungsengpaß. Mitte Februar 1981 hatten 181 Unternehmen 447 Anschlüsse beantragt. Weil die Hersteller die Geräte nicht liefern können, so Hillebrand sind bisher nur 220 Anschlüsse realisiert. "Die Hersteller haben uns den Termin nicht geglaubt", erklärt Hillebrand nicht ohne Stolz die schleppende Lieferung, da der Bundespost als bisher einziger Betreiber gelungen sei, ohne Terminverzug in Betrieb zu gehen.

Nach einer Umfrage, die der von der Post ins Leben gerufene Arbeitskreis durchführte, hatten per Juni 1980 erst 35 Hersteller mehr als 70 Produkte als X.25-Endgeräte angekündigt. Die Anzahl der auf dem bundesdeutschen Markt vertretenen Hersteller liegt sicherlich wesentlich höher. Gleiches gilt für die Anzahl der angebotenen Gerätetypen. Auch große Hersteller, so klagt Rolf Spenkuch als General Manager der Comshare AG, Deutschland, aus Köln, lassen sich über ein Jahr Zeit, ihre Geräte zur Zulassung bei der Fernmeldetechnischen Zentrale (FTZ) einzureichen.

Post zu stark

"Die Post ist zu stark, um Alternativen offen zu lassen", räsoniert Spenkuch weiter. Mit allen in der Bundesrepublik operierenden Timesharing-Unternehmen führte sie Verhandlungen, wann und wie die Verbindung zwischen öffentlichen und gemieteten Leitungen in Lösungen mit Datex-P zu überführen seien. Nach Ansicht der TS-Anbieter wird die Post alle Markteilnehmer zwingen sich den Datex-P-Gegebenheiten anzupassen.