Jeder handelsübliche PC kann in den RZ-Verbund einbezogen werden:

Datev öffnet sich dem Endgeräte-Wettbewerb

14.07.1989

NÜRNBERG (ujf) - Das Datev-Verbundsystem (DVS), über das rund 30 000 bundesdeutsche Steuerkanzleien Zugriff auf das Genossenschafts-Rechenzentrum in Nürnberg haben, nähert sich mit inzwischen 41 000 Endgeräten seinem Maximalausbau. Bei der weiteren Expansion des Mammutnetzes gilt nun die Wahlfreiheit für den Nutzer: Dank einer DVS-Interfacebox fällt das Oligopol der Hauslieferanten.

Der größte deutsche Anbieter von DV-Dienstleistungen, die nur für Steuerberater offene Genossenschaft Datev, hat nach fünf Aufbaujahren den Übergang von der Buchungsmaschinen-Ära ins PC-Zeitalter praktisch abgeschlossen. Jede Mitgliedskanzlei hat heute über - statistisch gesehen - 1,4 PCs Zugriff auf das riesige Datev-Rechenzentrum in Nürnberg. Nun verzichtet die berufsständische Organisation sogar auf ihr Mitspracherecht bei der Wahl des Endgeräts. Jeder Genosse der sich die neue Datev-DFÜ-Box zulegt, kann ab Ende 1989 einen beliebigen dem Industriestandard entsprechenden Mikrocomputer einsetzen. Bisher waren Nutzer des DVS auf speziell ausgestattete und recht teure Systeme von TA/Olivetti, Nixdorf, Siemens oder IBM angewiesen.

Der Trend zum PC schlägt sich auch in der Bilanz der Datev nieder. Die Einnahmen aus der Mandantenbuchführung, früher Hauptdienstleistung der Nürnberger, hatten 1988 nur noch einen Anteil von 31 Prozent am Umsatz von 502 Millionen Mark, weil die Steuerberater mit Hilfe der Datev-PC-Programme viele Arbeiten dezentral erledigen können. Die Datenerfassung, die traditionell in der Kanzlei beziehungsweise in Nürnberg stattfand, wird heute zunehmend zum Mandantenbetrieb hin verlagert. Die Verarbeitung geht zum großen Teil im Büro des Beraters vonstatten. Entsprechend wichtig ist die PC-Software als neuer Umsatzträger der Datev neben dem Rechenzentrum geworden.

Der verstärkte Einsatz der kleinen Rechner vor Ort hat indes nicht zu einem Rückgang des Bedarfs an zentraler CPU-Leistung geführt. Im Gegenteil: Das Datev-Rechenzentrum expandiert weiter. Mit der Installation einer zweiten ES/3090-60S von IBM erhöhte die DV-Genossenschaft die Zahl ihrer Mainframe-Prozessoreinheiten auf 14 (zwei IBM-Sechsfachprozessoren, zwei PCM-CPUs). Diese Rechenkapazität wird benötigt für eine ständig wachsende Zahl von verarbeiteten Buchungszeilen (3,3 Millionen im Jahr 1988), für die Steuerrechtsdatenbank Lexinform (fast 90 000 Dokumente, auf die knapp 7500 Dialoganwender zugreifen können), für das eigene, hochautomatisierte Druckrechenzentrum sowie für etliche andere DV-Dienste.

Angesichts der bereits sehr tiefen Marktdurchdringung der Datev bei Deutschlands Steuerberatern erwartet Vorstandsvorsitzender Heinz Sebiger für die kommenden Jahre ein schwächeres Wachstum. Nach dem 1988er Plus von 10,8 Prozent soll der Umsatz heuer nur noch um 8,6 Prozent auf 545 Millionen Mark steigen. Daß die Rate nicht höher ist, liegt laut Sebiger an Preissenkungen zum 1. Juli, die hauptsächlich Dialoganwendungen betreffen; neuerdings können 2400-Baud-Modems statt der bisher verwandten 1200-Baud-Modems eingesetzt werden. Mit der Einführung des ISDN-Netzes werden sich nach Sebigers Einschätzung weitere Einsparungsmöglichkeiten für die Nutzer auftun.

Zu den zukunftsträchtigen Betätigungsfeldern der Datev, die über 3000 Mitarbeiter beschäftigt, rechnet Sebiger die Unterstützung der Mitglieder bei der Beratung der Mandanten - etwa in Fragen des EG-Rechts (Informationen über aktuelle Entscheidungen des Europäischen Gerichtshofs), der europäischen Märkte und Förderungsprogramme. Hier soll das Datenbankangebot ausgeweitet werden. Daß sich auch die Banken auf dieses Beratungsgeschäft gestürzt haben - womit sie den Steuerberatern Konkurrenz machen - betrachtet der Datev-Chef mit Sorge. Im Hinblick auf mögliche Interessenkonflikte seitens der Geldinstitute äußerte Sebiger Zweifel an der Konformität solcher Aktivitäten mit dem Kreditwesengesetz.

Ob viele Steuerberater die Chancen nutzen werden, die ihnen der Nürnberger DV-Vordenker mit den zusätzlichen Informationsdiensten bieten will, ist fraglich: Bei der renommierten Lexinform-Datenbank loggt sich bisher erst jedes vierte Mitglied ein.