IG Metall will Betriebsräte auf Personaldateien ansetzen:

Datentypische Verkrüppelung des Menschen

19.03.1976

FRANKFURT - "Die Bundesrepublik ist nach den USA das zweitgrößte Computerland der Welt. Hier summen bereits mehr als 15000 Elektro-Computer", berichtete "Metall" ihren Lesern im Januar. Über die Hauszeitschrift ihrer Gewerkschaft staunten vor allem jene Mitglieder der IG Metall, die in der Computer-Branche arbeiten. In einer vierteiligen Serie "Durchleuchtet, gelocht, gelenkt - Computer erfassen Dich total - Die anonyme Macht" wurde scharf gegen die bundesdeutsche Datenverarbeitung, vor allem den DU-Einsatz im Personalwesen, geschossen.

Über kleinere statistische Unstimmigkeiten muß der Leser freilich wegsehen: Beispielsweise ist die Bundesrepublik nach USA und Japan drittgrößter DV-Markt der Welt. Und von den deutschen Sozialversicherten sind nicht - wie "Metall"-Autor Jürgen Mechelhoff behauptet - 4 Millionen "auf Computerbändern gespeichert", sondern wesentlich mehr: es bekommen allein 9,5 Millionen Rentner monatlich ihre Zahlungen mit Hilfe der Datenverarbeitung.

Mechelhoff ist auch sonst großzügig: "Entgegen der ursprünglichen Absicht bleiben nach dem vorliegenden Regierungsentwurf Arbeitnehmerdaten ungeschützt", schreibt er zum Datenschutzgesetz. Dann zitiert er die Frankfurter Allgemeine Zeitung, die anläßlich der Proteste von Wirtschaftsverbänden gegen eine Verschärfung der Datenschutzbestimmungen geschrieben hatte: "Auch eine Zusammenarbeit mit den Strafverfolgungsbehörden wäre nicht mehr möglich, da die Weitergabe von Informationen über Scheckkartenbetrügereien und Schwindelfirmen unter den Datenschutz fiele." Dazu Mechelhoff-Kommentar: "Diese Argumentation ist besonders perfide, weil verschwiegen Wird, daß es vor allem Arbeitnehmerdaten sind, die einem ungehemmten Datenfluß unterliegen sollen."

Dreieinhalb Zeitungsseiten wird, über vier "Metall"-Ausgaben verteilt, die Angst vor "dem Computer" geschürt - das reicht bis zu der Behauptung, daß Personalinformationssysteme zur "datentypischen Verkrüppelung der menschlichen Existenz" führen können. Fazit: "Der Datenschutz ist eine Herausforderung an die Gewerkschaften", und "es ist erforderlich, daß unternehmerische Datenbanken schon bei der Planung auf Arbeitnehmerinteressen hin mitorganisiert sind."

Wenn die "Metall"-Serie der Vorgeschmack auf künftige Gewerkschaftsaktivitäten war, dann können sich die Datenverarbeiter auf einiges gefaßt machen: Die IG Metall hat bereits einen "Arbeitsausschuß für den Problembereich Personaldaten" gegründet, der "Schutzgarantien für den einzelnen" und "gewerkschaftliche Grundsätze zum Datenschutz" festlegen sowie eine Musterbetriebsvereinbarung für die Einrichtung von Personaldaten entwickeln soll. Für Herbst 76 hat der Vorstand der IG Metall eine Broschüre für Betriebsräte und Vertrauensleute angekündigt, die den Arbeitstitel "Persönliche Informationssysteme und Mitbestimmung" trägt. Sie soll "Vorschläge und Möglichkeiten für den Umgang mit Personaldateien" unterbreiten.