Datensichtgeräte - ein Stück Fortschritt oder eine Belastung für den Angestellten?

21.11.1975

Vorsitzende des Bundes-Berufsgruppenausschusses kaufmännische Angestellte der Industriegewerkschaft Chemie-Papier-Keramik und Betriebsrätin der Continental Gummiwerke, Hannover.

So oder ähnlich könnte die Frage lauten, die sich viele Beschäftigte in Büros und Verwaltungen stellen. Mit dem rasanten und lautlosen Einzug der Datensichtgeräte sind einige Probleme für die daran tätigen Angestellten entstanden. Viele Klagen über Kopfschmerzen, Augenflimmern, vorzeitiges Nachlassen der Sehschärfe sind täglich zu hören.

Meines Erachtens hat die Technik, wie in der Vergangenheit, wieder einmal zugeschlagen, ohne die Rechnung mit dem Menschen zu machen. Hier sind Geräte auf den Markt gekommen, die schnell und zuverlässig arbeiten, deren Einsatz auf Dauer gesehen kostensparend ist. Über die Auswirkungen auf den Menschen hat sich aber wohl kaum einer Gedanken gemacht.

Wem hilft es, wenn die Menschen, die täglich 7 bis 8 Stunden an einem solchen "Fernseher" sitzen, nach 3 bis 4 Jahren gesundheitlich derartig überfordert sind, daß ihnen eine weitere Tätigkeit daran nicht mehr möglich ist?

Darum freue ich mich, daß der DGB Initiativen ergriffen hat, die darauf hinauslaufen, auch für Beschäftigte an Datensichtgeräten menschliche Arbeitsplätze zu schaffen.

Die Praxis zeigt genug Beispiele für eine derartige Überforderung: Fast in allen als fortschrittlich geltenden Unternehmen stehen die Bildschirme, deren Vorteil für die Sachbearbeiter doch schon so oft beschrieben wurde - man spricht von "Aufwertung des

Arbeitsplatzes", "enorm erweitertem Fachwissen der Mitarbeiter, das sich zwangsläufig im Gehalt niederschlagen muß" - kurz gesagt Freude an allen Orten.

Einiges aber ändert sich, geht man wirklich an den "aufgewerteten Arbeitsplatz" und sieht dem Sachbearbeiter bei der täglichen Arbeit einmal zu. Vor allem in den Branchen der Versicherungswirtschaft, Finanzverwaltung, aber auch bei Platzbuchungs-und Kontrollfunktionsplätzen herrschen teilweise chaotische Zustände - nur erfährt man kaum davon. Denn leider gibt es heute die "drohende Faust", die verhindert, daß Hersteller, Gewerkschaften oder Arbeitgeber auf derartige Mißstände hingewiesen werden: die Angst um den Arbeitsplatz. Und leider kommt hier die "falsche Scham" zum Zuge. Nur mühsam können da Informationen von seiten der Betroffenen rar und oft anonym vorgetragen werden - schwerwiegende Fehler, die sich bereits auf die menschliche Gesundheit auswirken, beseitigt werden.

Ich bin der Meinung, daß Hersteller und Wissenschaft die Aufgabe haben, vor Einsatz neuer technischer Anlagen diese eingehend zu untersuchen, zu testen, um

Schäden gesundheitlicher Art auszuschließen.

Jeder neu entwickelte Motor kommt auf einen Prüfstand und erhält ein Testpapier, aus dem die Höchstbelastbarkeit usw. hervorgeht. Die Belastbarkeit des Menschen, der vor einem Datensichtgerät sitzt, hat aber noch keiner geprüft. Damit er seinem Unmut nicht so schnll freien Lauf läßt, zahlt man ihm oftmals eine Prämie und schon ist er schweigsamer Mitarbeiter.

Doch ein solcher Zustand ist für alle Beteiligten unbefriedigend. Gemeinsame Anstrengungen müssen hier sofort beginnen. Meiner Meinung nach könnten folgende Wege dazu beschritten werden:

Die Hersteller sollten sich bereits vorhandene Erkenntnisse zunutze machen, indem sie z. B. für klare, leichtlesbare Schriftzeichen sorgen. Die Schriftzeichen müssen von der Bedienungskraft in Höhe und, wenn möglich, in der Breite korrigierbar sein. Der Bildschirm muß blendfrei sein und eine flimmerfreie Darstellung ermöglichen. Von Vorteil wäre es zweifellos, wenn der Bildschirm verstellbar wäre. Hersteller, Anwender, Werksärzte und Betriebsräte sollten darauf achten, daß nur höhenverstellbare Arbeitstische und ergonomisch erprobte Bürostühle zum Einsatz kommen. Die Anordnung des Arbeitsplatzes muß so organisierte sein, daß Haltungsschäden, hervorgerufen durch falsche Anordnung, verhindert werden.

Eine wesentliche Rolle spielt die Beleuchtung am Arbeitsplatz. Das optische Anzeigegerät sollte mit einer matten Tastatur ausgestattet sein, die unabhängig vom Bildschirm beweglich ist. Diese angeführten Punkte sind eine kleine Auswahl von Vorschlägen, die die Tätigkeit menschlicher gestalten könnten. Diese Verbesserungen sind ohne großen Kostenaufwand erreichbar, wie der Markt heute schon zeigt. Es gibt Gesetze, die Betriebs-und Personalräten ein Mitbestimmungsrecht bei der Gestaltung von Arbeitsplätzen geben.